AltSpaceVR: Mit 1.199 anderen Personen beim VR-Comedy‑Abend

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Andreas Schnäpp
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Ein holpriger Start: VR-Comedy mit Reggie Watts

Während Räume in AltspaceVR üblicherweise nicht mehr als 20 bis 30 Nutzer fassen, haben sich die Entwickler für den Comedy-Abend mit Reggie Watts ein neues Feature einfallen lassen: FrontRow soll VR-Events mit „unbegrenzten Kapazitäten“ möglich machen – und dabei trotzdem jedem Teilnehmer ein Erlebnis bescheren, als sei man in der ersten Reihe dabei.

Der „FrontRow“-Ansatz klingt vielversprechend: Statt alle Teilnehmer der Veranstaltung in eine große Event-Halle zu verfrachten, wird ihnen beim Betreten des virtuellen Events dynamisch ein Raum zugewiesen bis dieser hinreichend voll ist. In der „Downtown Club“-Umgebung von AltspaceVR war dies bei circa 30 Teilnehmern der Fall, was trotz Comic-Look für eine kuschelige Nachtbar-Atmosphäre gesorgt hat. Der Auftritt des Künstlers wird daraufhin mit einem „Perception Neuron“-Motion-Capture-Anzug aufgenommen und in die einzelnen Räume gespiegelt. So können die VR-Nutzer selbst wählen, mit wem sie das Event anschauen: Ob mit Freunden in einem privaten Raum oder mit einem wild gemischten Publikum aus aller Welt.

Großer Andrang vermasselt den Testlauf

Obwohl die Entwickler auf ein System zur Verteilung kostenloser Tickets im Vorfeld der Veranstaltung setzten und dadurch einen groben Überblick hatten, wie viele VR-Nutzer am Comedy-Event teilnehmen werden, ließen sich in letzter Minute auftretende Bugs nicht vermeiden. Während einige VR-Nutzer erst gar nicht in die entsprechenden Veranstaltungsräume weitergeleitet wurden, klagten andere über starken Lag bei der Übertragung des Auftritts, wovon sowohl die Bewegungen als auch die Audio-Aufnahmen betroffen waren.

Die Konsequenz war ein verzögerter Start, gefolgt von Unterbrechungen durch eine ebenso akustisch unverständliche, weil durch Lag stotternde Technik-Crew. In den Räumen, die wir während der Show in der Hoffnung auf eine ruckelfreie Übertragung aufsuchten, entwickelte sich unter dem Publikum eine ganz andere Form der Unterhaltung: Von laut kundgetaner Enttäuschung hin zu bissigem Sarkasmus und Situationskomik machten die Anwesenden das Beste aus dem technischen Dilemma. Denn während die Übertragung von Reggie Watts aus San Francisco für alle im Raum Anwesenden ruckelte, war die Kommunikation unter den Teilnehmern problemlos möglich.

Wenn der Künstler der VR-Illusion selbst auf den Leim geht

Die Entwickler bekamen die größten technischen Hindernisse noch im späten Verlauf des Auftritts unter Kontrolle, sodass die wenigen Lag-freien Minuten schon einen guten Vorgeschmack boten und auf weitere Wiederholungen des Formats hoffen lassen. Wenn die Technik rund läuft, beeindruckt sie durch die räumliche Präsenz, die den Nutzern bei dem Club-Besuch in den eigenen vier Wänden geboten wird.

Doch auch dieses erste Experiment zwischen Stand-Up-Comedy und musikalischen Beatboxing-Einlagen mit Loop-Maschine zeigte, dass sowohl VR-Entwickler als auch die auftretenden Künstler nur an der Oberfläche des Möglichen kratzen. Im Stand-Up-Part des Auftritts nutzte Watts die ersten Minuten zur direkten Interaktion mit dem Publikum und ging der VR-Illusion selbst auf den Leim: Die Zuschauer, die Watts vor seiner virtuellen Bühne in der HTC Vive sah und daraufhin direkt ansprach, waren für den Rest des VR-Publikums in ihren jeweiligen VR-Räumen unsichtbar. Dementsprechend entwickelte sich der Dialog zwischen Künstler und seinem Publikum für die Nutzer in anderen Räumen zu einem skurrilen Monolog mit stummen Geistern.

Für die VR-Zuschauer gingen damit große Teile des Sinn-Kontexts verloren. In Zukunft bedeutet das, dass die Entwickler nicht nur den Künstler, sondern auch Teile des Publikums in alle VR-Räume spiegeln müssen um den Kontext zu wahren – oder Künstler im schlimmsten Fall auf Elemente ihrer Show verzichten, um nicht für Verwirrung zu sorgen.

Mimik bleibt Wunschdenken

Der Avatar-basierte Ansatz von AltspaceVR führt zu weiterem Verzicht: Davon betroffen ist eines der wichtigsten Werkzeuge von Schauspielern und Komikern – ihre Mimik. Um Gesichtsbewegungen in all ihren Nuancen in Echtzeit auch auf das virtuelle Ebenbild übertragen zu können, muss erst noch eine effektive Lösung gefunden werden. Ein sinnvoller Anwendungsfall ist im neuen VR-Rahmen nun immerhin gegeben.

Insofern könnte es sich für die VR-Gemeinde als Ganzes lohnen, auf einst von der MMORPG-Community links liegen gelassene Gimmicks wie „SOEmote“ zurückzublicken (YouTube-Ankündigung) und die Notwendigkeit ähnlicher Systeme für VR-Events genauer in Augenschein zu nehmen. Dass sich Schauspieldarbietungen bereits in Echtzeit für die Videospielproduktion in der Unreal Engine aufzeichnen und rendern lassen, bewies Ninja Theory auf beeindruckende Weise während der diesjährigen GDC in San Francisco. Ob die Grundidee dahinter ihren Weg in die VR-Nische findet, bleibt angesichts der Experimentierfreudigkeit der VR-Gemeinde vermutlich nur eine Frage der Zeit.

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