NSA-Ausschuss: Schutz vor Überwachung ist nur schwer realisierbar

Andreas Frischholz
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NSA-Ausschuss: Schutz vor Überwachung ist nur schwer realisierbar
Bild: Tim Gillin | CC BY 2.0

Bei der Spionageabwehr hat der Verfassungsschutz nur begrenzten Handlungsspielraum, lautet eine Erkenntnis aus dem NSA-Ausschuss. Wenn Glasfaserkabel im Ausland überwacht werden, ist der deutsche Geheimdienst machtlos. Und in Berlin Mitte sollte man besser nicht telefonieren, wenn einem die Privatsphäre lieb ist.

Wer auf dem Pariser Platz telefoniert, wird vermutlich abgehört

Als Zeuge wurde im NSA-Ausschuss der Jurist Burkhard Even befragt, seit 2007 Chef der Spionageabwehr innerhalb des Verfassungsschutzes. Demnach bestehe vor allem bei der politischen Spionage das Problem: In Berlin gibt es zu viele Botschaften und diplomatische Vertretungen im direkten Umfeld des Brandenburger Tores. Eine Spielwiese für Geheimdienste, da es hierzulande vermutlich keinen anderen Ort gibt, an dem sich mehr interessante Gespräche abhören lassen.

Wer also auf dem Pariser Platz mit dem Handy telefoniert, müsse davon ausgehen, aus einer der umliegenden Botschaften belauscht zu werden. Dass so die Lage aussieht, ist allerdings kein Geheimwissen. Mitarbeiter der Regierung und von Behörden sollte das seit Jahren bewusst sein. „Ich glaube nicht, dass irgendeine zuständige Stelle in Deutschland sagen kann, sie hätte es nicht gewusst“, so Even.

Das Problem für die Spionageabwehr ist nun, dass sich so etwas kaum verhindern lässt. Den Einsatz von IMSI-Catcher könne man zwar nachweisen, solche Methoden würden allerdings nur noch Botschaften verwenden, die schlecht aufgestellt sind. „Aber das, was vom ein oder anderen Botschaftsdach gemacht wird, kann man nicht feststellen“, erklärte Even laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org. Was genau der Verfassungsschutz aber macht, um potentielle Abhörtechnologie auf Botschaftsdächern zu identifizieren, wollte er zumindest in der öffentlichen Sitzung des NSA-Ausschusses nicht mitteilen. Verwiesen wurde lediglich noch auf die Überflüge über Botschaften, die allerdings schon im August 2013 für mediales Aufsehen sorgten.

Zudem betont Even, dass die amerikanischen Geheimdienste nicht die einzigen Verdächtigen sind. Deswegen gelte auch für das Handy von Kanzlerin Angela Merkel: „Selbst wenn die Kanzlerin nicht mehr von NSA abgehört wird, wird sie eben von anderen abgehört. Dem Risiko muss man sich bewusst sein“, so Even.

Das Anzapfen von Glasfaserkabeln lässt sich nicht verhindern

Ebenso schwierig ist es für den deutschen Geheimdienst, das Anzapfen von Glasfaserkabeln zu unterbinden. Denn sobald das im Ausland geschieht, lässt sich das nicht verhindern. Even verweist dabei auf das Tempora-Programm des britischen Geheimdienstes GCHQ, bei dem die transatlantischen Datenleitungen überwacht werden.

Dasselbe gelte für NSA-Programme wie Prism. Amerikanische Firmen wie Apple, Facebook, Google und Microsoft sammeln deutsche Nutzerdaten und übermitteln diese legal in die USA. Dort unterliegen die Daten dann US-Recht. Und wenn die NSA entsprechend der US-Gesetze darauf zugreifen will, passiert das, ohne dass es der Verfassungsschutz verhindern könnte. Von Deutschland aus lasse sich daher auch nicht nachvollziehen, in welchem Ausmaß deutsche Nutzer von NSA gesammelt und ausgewertet werden.

Ohnehin wären die unterschiedlichen Rechtslagen eines der zentralen Probleme. In Deutschland gilt schon die Datenerhebung als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, in den USA hingegen darf erst einmal gesammelt werden. Die einzige Schutzmöglichkeit, die Even daher sieht: „Mehr europäische Firmen.

Snowden-Dokumente nur schwer zu überprüfen

Bereits bei der letzten Sitzung im NSA-Ausschuss erklärte ein Verfassungsschutz-Mitarbeiter, dass die NSA-Dokumente von Edward Snowden nur schwer zu belegen sind. Das bestätigte nun auch der Chef der Spionageabwehr. „20 Vorwürfe“ habe man überprüft, bei den meisten lautete das Resultat allerdings: Diese wären sowohl „technisch möglich auch als plausibel“, doch ein „konkreter Nachweis“ sei in keinem einzigen Punkt gelungen, so Even. Das betraf auch das Kanzlerinnen-Handy: Dass es von der NSA überwacht wurde, habe den Verfassungsschutz „im ersten Moment sehr überrascht, in zweiten dann wiederum nicht“.

Ein grundsätzliches Problem bei der Spionageabwehr seien aber auch die finanziellen Mittel. Aufgrund der knappen materiellen Ausstattung müsse der Verfassungsschutz Prioritäten setzen. Daher gelte das Hauptaugenmerk den Diensten Russlands, Chinas und des Iran. Dass westliche Geheimdienste in Deutschland aktiv sind, sei zwar auch „keine neue Erkenntnis“. Und der Verfassungsschutz habe mittlerweile einen 360-Grad-Blick bei der Spionageabwehr. Dennoch gelte: „Systematische Beobachtung ist sehr ressourcenintensiv. Sie findet bei Bündnispartnern grundsätzlich nicht statt“, so Even.

Zumal er auch davon ausgeht, dass der „ganz, ganz überwiegende Teil“ der Aktivitäten westlicher Geheimdienste sich hierzulande nicht gegen die deutsche Innenpolitik richtet. Vielmehr werde mit deutschen Behörden kooperiert, um gemeinsame Interessen wie die Terror-Abwehr zu verfolgen.