Icarus Illumina Pro im Test: 9,7-Zoll-Android-Reader mit umständlicher Stifteingabe

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Michael Schäfer
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Textdarstellung: Ausgefranst aber anpassbar

Die geringe Auflösung in Verbindung mit dem großen Display sorgt dafür, dass Schriften im Gegensatz zu den kleineren Vertretern sichtbar ausfransen und weniger scharf dargestellt werden. Dies wird gerade bei kleinen Schriftarten, mit denen viel Text auf dem Reader dargestellt werden kann, deutlich. Hier leisten die Render-Engines von Amazon, PocketBook oder Tolino sichtbar bessere Arbeit. Alternativ können E-Books auch über den bereits installierten OReader gelesen werden, welcher teilweise eine bessere Textdarstellung ermöglicht.

Das Blättern erfolgt bei E-Books im E-Pub-Format schnell aber nicht verzögerungsfrei, trotz des größeren Arbeitsspeichers sind dabei keine großen Geschwindigkeitsunterschiede gegenüber dem Vorgänger zu erkennen. Ghosting-Probleme fallen beim neuen Reader gering aus, sofern der Nutzer eine Invertierung, also eine komplette Neuausrichtung aller Pixel, bei jeder neuen Seite gewählt hat.

Texteinstellungen beim Icarus Illumina Pro
Texteinstellungen beim Icarus Illumina Pro
Schrifteinstellungen beim Icarus Illumina Pro: Gewohntes Bild
Schrifteinstellungen beim Icarus Illumina Pro: Gewohntes Bild

Auch der Illumina Pro unterstützt wie der Excel 2014 den A2-Modus, der ein schnelleres Blättern ermöglicht. Und dieser Leistungszuwachs ist besonders bei PDF-Dateien sichtbar. Er wird über eine reine Schwarz-Weiß-Darstellung erkauft.

Die Schrifteinstellungen bieten gewohnte Kost: Dem Nutzer stehen beim Illumina Pro 46 Schriften zur Auswahl, welche in 15 verschiedenen Größen dargestellt werden können. Auf Wunsch können weitere Schriften im TTF-Format eingebunden werden. Daneben lassen sich wie üblich der Zeilenabstand, die Seitenränder sowie die Textausrichtung einstellen. Über die Kontrasteinstellung lassen sich Texte zudem stufenlos kräftiger anzeigen – ein zu hoher Wert lässt den Text jedoch schnell pixelig werden.

PDF-Reflow: Schnell und mit vielen Optionen

Bei der PDF-Darstellung kann der Reader über die Display-Größe einen kleinen Trumpf ausspielen, denn besonders digitale Zeitschriften lassen sich groß grundsätzlich besser lesen. Bei der Darstellung wird allerdings abermals die geringe Auflösung deutlich. Über die Cropp-Funktion (hier etwas irreführend „Markierung“ genannt) können ungenutzte Seitenränder abgeschnitten werden, was die Darstellung der eigentlichen Inhalte noch einmal vergrößern kann. Beim Blättern durch PDFs entfaltet der größere Arbeitsspeicher denn seine Wirkung, hier ist ein deutlicher Geschwindigkeitszuwachs gegenüber dem Vorgänger zu erkennen.

Gute Arbeit leistet das PDF-Reflow, auch wenn es nicht perfekt ausfällt und gelegentlich bei Absätzen oder Bildern aus dem Tritt kommt. Es bietet aber dennoch eine bessere Qualität als die meisten auf ComputerBase getesteten Lösungen bisher. Von der Darstellung eines Buches im E-Pub-Format ist aber auch der Ansatz von Icarus noch weit entfernt.

Die Funktion bietet zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten, um die Darstellungsqualität zu verbessern. Je nach gewählten Einstellungen kann das Blättern anschließend jedoch längere Zeit in Anspruch nehmen.

Wörterbücher und Notizen

Wie jeder gute E-Book-Reader verfügt auch der Illumina Pro über eine Wörterbuch- sowie Notiz-Funktion. Vorinstalliert ist aber kein einziges Nachschlagewerk. Sie müssen erst von der Icarus-Homepage heruntergeladen oder an anderer Stelle im Netz gefunden werden. Durch die Unterstützung des offenen Formats StarDict ist der Nutzer jedoch nicht auf eine Quelle beschränkt. Hier zeigt sich ein kleiner Vorteil der Stiftbedienung, denn mit diesem lassen sich Wörter oder ganze Textstellen besser und schneller markieren. Das Tippen einer Notiz mit dem Stift kann dagegen wieder schnell zu einer Geduldsprobe werden.

Handschriftliches Kritzeln

Neben den Text-Notizen lassen sich mit dem Illumina Pro auch per OnyxScriper Skizzen anlegen. Hier sollten jedoch keine Ergebnisse in der Qualität von Tablets erwartet werden. Auch wenn Icarus mit verschiedenen Druckstufen für den Touchscreen wirbt, hat das auf die Stifteingabe keinen direkten Einfluss – diverse Druckstärken werden genauso wenig erkannt wie per Neigungswinkel veränderte Strichdicken. Der Versatz der Stylus-Spitze zur tatsächlichen Darstellung auf dem Bildschirm beim Schreiben oder Zeichnen hält sich in Grenzen und dürfte vor allem der technisch bedingten Trägheit der E-Ink-Technologie geschuldet sein. Für kurze Notizen ist das völlig ausreichend. PDF-Dokumente lassen sich zudem über die Funktion „Kritzeln“ direkt mit Notizen, Zeichnungen und handschriftlichen Kommentaren versehen, welche automatisch abgespeichert und mit jedem Aufruf des Dokumentes geladen werden.

Verbesserter Export

Beim Export der Notizen hat Icarus erfreulicher Weise nachgebessert. So speichert das System diese nicht mehr einfach in einem eigenen Unterordner von „eBook“, sondern in einem Unterordner im Verzeichnis des jeweiligen Inhaltes. Das lässt die Exporte schnell und einfach wiederfinden. Von Nachteil ist dagegen, dass das System die im Txt-Format gehaltenen Notizen sowohl in der Übersicht wie auch in der Bibliothek als neue Bücher erkennt und anzeigt – ohne die Möglichkeit diese herauszufiltern. Bei einer hohen Anzahl von gesicherten Notizen können diese die eigene Büchersammlung schnell unübersichtlich werden lassen.

Alternative Reader-Apps, Streaming, Spiele

Durch das offene Betriebssystem von Google bieten sich Nutzern beim Illumina Pro ein Fundus an neuen Möglichkeiten, die ein normales Lesegerät nicht bietet. Der neue Icarus-Reader verfügt dabei jedoch über die recht betagte Android-Version 4.0.4 – steht damit allerdings nicht alleine da. Mit alternativen Reader-Apps gibt es aber auch ganz eigene Probleme.

Alternative Reader-Apps nur bedingt geeignet

Die im Test verwendeten Reader-Applikationen Aldiko, Cool Reader oder Moon+ Reader Pro fielen vor allem durch ihre blasse Textdarstellung auf. Aldiko nutzte zudem nur knapp die Hälfte des verfügbaren Darstellungsplatzes und lediglich beim Moon+ Reader Pro konnte über die Tasten geblättert werden. Oftmals kann es bei anderen Apps helfen, in den Einstellungen das Blättern via Lautstärketasten zu aktivieren. Ansonsten bleibt nur noch, das Blättern per Stifteingabe auszulösen – umständlich. Gleiches gilt für Apps diverser Bücher-Flatrates.

Ein weiteres Problem ist die nötige Invertierung – nicht jede Lese-App führt diese automatisch durch. Da Icarus jedoch auf eine spezielle Taste verzichtet, kann diese auch nicht bei Bedarf von Hand durchgeführt werden.

Dank offenes Android eine vielzahl von Möglichkeiten
Dank offenes Android eine vielzahl von Möglichkeiten
Ein vollständiges Android 4.0.4 beim Icarus Illumina Pro
Ein vollständiges Android 4.0.4 beim Icarus Illumina Pro

Ungeahnte Möglichkeiten

Von der umständlichen Stifteingabe abgesehen, kann der E-Book-Reader Aufgrund des freien Android-Systems für Zwecke Verwendung finden, welche zunächst nicht mit solchen Lesegeräten in Verbindung gebracht werden. Darunter kann die Steuerung eines Mediensystems (im Testfall eines Multiroom-Systems von Sonos) fallen, oder Aufgrund des Bluetooth-Moduls die Ansteuerung von externen Lautsprecher zur Audio-Wiedergabe, was im Test relativ gut funktionierte. Gleiches gilt für das Abrufen von E-Mails, mit einer entsprechenden externen Maus und Tastatur könnten sogar entspannt Chats geführt werden.

Weniger gut eignet sich das E-Ink-Panel für Spiele, zumindest für diese Art, bei welcher sich Bildanteile schnell bewegen. Sudoku, Schach oder diverse einfache Knobelspiele sind aber auch mit dem Illumina Pro ohne Probleme möglich.

Fazit

Das Icarus gute und interessante E-Book-Reader herstellen kann, hat das niederländische Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Der Illumina Pro kann hingegen nicht überzeugen, denn gegenüber dem Vorgänger Icarus Excel 2014 bringt er neben ausgewählten Vorteilen vor allem Nachteile im Umgang mit sich. Ein vermeintliches Verkaufsargument stellt sich im Test als keins heraus.

Schlechte Beleuchtung und geringe Auflösung

Gemeint ist die neue Hintergrundbeleuchtung, die den größten Unterschied zum Vorgänger darstellen soll. Mit nicht einmal 10 cd/m² besitzt sie jedoch nur einen verschwindend geringen Einfluss auf den Lesekomfort, in vollkommener Dunkelheit ist an ein entspanntes Lesen so nicht zu denken. Problematisch bleibt die geringe Auflösung des relativ großen Displays: Schriften wirken ausgefranst und das Schriftbild im allgemeinen unruhig.

Icarus Illumina Pro

Ohne Stift geht nichts

Icarus hätte statt auf den Onyx Boox N96ML lieber auf den Bruder N96 setzen sollen, welcher statt der schlechten Beleuchtung einen kapazitiven Touchscreen mitbringt. So kann der Illumina Pro lediglich mit einem Stylus verwendet werden, denn auf den Joystick zur alternativen Steuerung hat der Hersteller gegenüber dem Vorgänger ebenfalls verzichtet. Ohne Stift kann der Reader jedoch nicht einmal ausgeschaltet werden. Um sicher zu gehen sollte der Nutzer sich also direkt zu Anfang um einen Ersatzstift bemühen – für nochmalig 30 Euro.

Andere technische Anpassungen sind sinnvoll, aber keine Gründe zum Umstieg: So setzt Icarus nach wie vor auf den gleichen Prozessor, RAM und interner Speicher haben sich dagegen auf ein Gigabyte beziehungsweise auf 16 Gigabyte erhöht. Dies kommt vor allem der PDF-Darstellung zu Gute, welche auch bei diversen Optimierungseinstellungen schnell agiert. Auch das PDF-Reflow zeigt sich von einer guten Seite. Andere Formate profitieren hingegen nicht vom doppelten RAM. Verdoppelt wurde die Kapazität des Akkus, die Laufzeiten fallen damit jetzt deutlich besser aus.

Altes Android, aber viele Möglichkeiten

Bei der verwendeten Android-Version besteht ebenfalls Handlungsbedarf, denn Icarus greift wie fast alle anderen Hersteller von E-Book-Readern auf die veraltete Version 4.0.4 zurück. Hier sollte alleine aus Sicherheitsaspekten auf eine neuere Veröffentlichung gewechselt werden.

Durch die Kombination von Android mit dem installierten Play-Store können neben den nativen Reader-Apps alternative Lösungen verwendet werden. Aber auch hier ist vieles nicht bis zu Ende gedacht: Nur wenige Reader-Apps sind für die Nutzung auf Geräten mit E-Ink-Display optimiert, oftmals ist durch die eigene Render-Engine das Schriftbild deutlich blasser als bei den System-eigenen Reader-Applikationen. Darüber hinaus fehlt dem Reader eine manuelle Invertierungstaste, welche genutzt werden kann, falls die Reader-App die automatische Neuausrichtung der Bildpunkte nicht übernimmt.

Icarus Illumina Pro
Icarus Illumina Pro

Abgesehen davon öffnet der Reader viele neue Möglichkeiten außerhalb der typischen Nutzung. So taugt er dank WLAN und Bluetooth auch zur Steuerung für Audio-Systeme oder als Zuspieler für Bluetooth-Lautsprecher.

Icarus Excel 2014 als Alternative

Auch wenn der neue Illumina Pro einen höheren Speicher sowie größeren Akku aufweist, kann sein Vorgänger zum niedrigeren Preis eine Alternative darstellen – vorausgesetzt, es gibt ihn noch. Nutzer erhalten bei gleicher Display-Größe und Auflösung mit dem Joystick eine bessere Steuerung, die auch ohne Stylus funktioniert. Mit einer UVP von 319,95 Euro ist er zudem günstiger als der Illumina Pro mit 399,95 Euro.

Icarus Illumina Pro (16 GB)
Produktgruppe E-Book-Reader, 10.03.2017
  • Darstellung
    O
  • Bedienung
  • Verarbeitung
    +
  • gute Verarbeitung
  • großes Display
  • gute PDF-Funktion
  • Android
  • Lautsprecher
  • WLAN
  • Bluetooth 4.0
  • große Akku-Kapazität
  • schlechte Beleuchtung
  • geringe Auflösung
  • veraltetes Android
  • nur per Stifteingabe zu steuern

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