GTC Europe 2017: Wie die Deutsche Bahn Mitarbeiter in VR trainiert

Nicolas La Rocco
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GTC Europe 2017: Wie die Deutsche Bahn Mitarbeiter in VR trainiert
Bild: Deutsche Bahn/ComputerBase

Die Deutsche Bahn schickt ihre Mitarbeiter in die virtuelle Realität, um sie kostengünstig und zeiteffizient zu trainieren. Im Rahmen der GTC Europe 2017 ließ sich die Tochtergesellschaft DB Training in die Karten schauen und erklärte, wo VR für die Deutsche Bahn Sinn ergibt und wo klassische Simulatoren die bessere Wahl sind.

Nvidias Entwicklerkonferenz GTC Europe 2017 war in diesem Jahr neben eigenen Ankündigungen wie Drive PX Pegasus auch Schaubühne für die Deutsche Bahn. Usman Ghias von DB Systel erläuterte in seinem Vortrag, wie die Deutsche Bahn Virtual Reality am Kunden und intern verwendet. Die DB Systel GmbH ist ein Anbieter von Informations- und Telekommunikationsdiensten der Deutschen Bahn. Das Unternehmen betreut die IT- und Telekommunikations-Infrastrukturprojekte der Deutschen Bahn.

Kunden begleiten die Planungsphase

Für die Deutsche Bahn waren VR-Anwendungen zu Beginn nur dafür ausgelegt, um Meinungsforschung beim Kunden zu betreiben. Vor zweieinhalb Jahren wurde mit Development Kits des Oculus Rift beispielsweise die Neugestaltung des Innenraums des ICE 3 gemeinsam mit Kunden geplant. In der virtuellen Realität konnten sich Kunden auch einen Eindruck davon verschaffen, wie neue Lounges am Bahnhof aussehen werden oder wie das neue Travel Center in Leipzig gestaltet werden soll.

Mit der im Frühjahr des letzten Jahres erfolgten Marktreife von Roomscale-HMDs wie dem Oculus Rift CV1 (Test) oder HTC Vive (Test), die eine tiefere Immersion und bessere Bildqualität als frühe Development Kits liefern, konnte die Deutsche Bahn das Potenzial dann schließlich auch zu internen Schulungszwecken ausschöpfen - allerdings nicht immer.

Hub Lift ohne praktische Erfahrung nutzen

Bestes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Virtual Reality bei der Deutschen Bahn sind Trainings am sogenannten Hub Lift. Über den im Zug verbauten statt am Bahnhof verstauten Hub Lift können Rollstuhlfahrer oder anderweitig in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen sicher in den Zug gehoben werden. Jeden der 5.000 Service-Mitarbeiter am echten Zug zu trainieren, wäre für die Deutsche Bahn mit enormen Kosten und hohem Zeitaufwand verbunden. Züge, die stehen, um daran Mitarbeiter zu schulen, können nicht für die Personenbeförderung verwendet werden. Und weil Züge im besten Fall maximal fünf Minuten am Bahnhof halten sollten, sind auch dort Trainings unrealistisch.

Das Training für den Hub Lift wickelt die Deutsche Bahn deshalb in der virtuellen Realität ab. Um es den Mitarbeitern einfacher zu machen, funktioniert am VR-Controller nur der Trigger an der Unterseite. Über den Trigger lassen sich Dinge wie Griffe und Abdeckungen greifen oder drehen. Wird ein Werkzeug in die Hand genommen, führt der Trigger nur die eine Funktion des Werkzeugs aus. Das Training für den Hub Lift funktionierte derart gut, dass selbst Usman Ghias, der nie zuvor Hand daran angelegt hatte, nach dem VR-Training fehlerfrei den Hub Lift eines echten Zugs bedienen konnte.

Auch für Schulungen am Stromabnehmer oder für die Wartung der Klimaanlagen auf dem Zugdach ist das VR-Training laut Ghias gut geeignet. In beiden Fällen wären die Schulungen andernfalls mit massivem Zeitaufwand an echten Zügen verbunden. Für die Wartung der Klimaanlage müssen beispielsweise zunächst 57 Schrauben einer Abdeckung gelöst werden, bevor die Klimaanlage selbst erreichbar ist. Die 57 Schrauben müssen im Nachgang wieder festgezogen und versiegelt werden.

Schulung am Stromabnehmer
Schulung am Stromabnehmer (Bild: Deutsche Bahn/ComputerBase)
VR bleibt ungeeignet für Lokführer
VR bleibt ungeeignet für Lokführer (Bild: Deutsche Bahn/ComputerBase)

Züge werden nicht in VR gefahren

Nicht überall lässt sich die virtuelle Realität aber für ein erfolgreiches Training der echten Welt verwenden. Für das vielleicht naheliegendste Einsatzgebiet, der Simulation von Zugfahrten für Lokführer, ist VR nicht geeignet. Usman Ghias erklärte zum Ende des Vortrags, dass sich viele Lokführer nach längerer Nutzungszeit nicht wohl in den HMDs fühlten und von Faktoren wie Wärme, eingeschränktem Field of View und nicht vollends überzeugender Bildqualität abgeschreckt waren. Länger als eine Stunde wollten die Mitarbeiter das HMD nicht tragen. Höchstens für spezifische Szenarios von wenigen Minuten eignen sich die VR-Brillen. Für die stundenlange Simulation von Zugfahrten vertraut die Deutsche Bahn deshalb weiterhin auf klassische Simulatoren.