Forza Motorsport 7 im Test: Pole Position für Turn 10

Max Doll
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Forza Motorsport 7 im Test: Pole Position für Turn 10

tl;dr: Forza Motorsport wird auch im siebten Teil kein beinharter Fahrsimulator. Die Pole Position im Genre sichert sich das Rennspiel durch andere Vorzüge: Präsentation, Technik, Vielfalt und Fahrspaß ergeben eine hypnotische Mischung, die zu Rennen um Rennen verleitet. Nur Mikrotransaktionen werden stören.

Mehr als nur Simulation

Forza war trotz kleinerer Qualitätsschwankungen im Kern schon immer ein gutes Rennspiel, bei Horizon 3 hakte es vor einem Jahr allem technisch. Mit der Wiederentdeckung des Genres durch den Markt in den letzten Jahren geriet das Xbox-Zugpferd aber deutlich unter Druck. Entwickler Turn 10 hat sich deshalb nicht auf Lorbeeren ausgeruht und wesentliche Aspekte des Spiels auf Vordermann gebracht.

Fortschritt und Kampagne, aber auch Umfang und das neue dynamische Wettersystem, das mitten im Rennen die himmlischen Schleusen öffnet, zeigen, dass Nummer 7 mehr sein will als nur behutsame Modellpflege. Darin zeigt sich zudem eine prägende Tendenz der Reihe: Forza konzentriert sich nicht nur auf die Fahrsimulation, sondern legt genauso viel Wert auf das Drumherum.

Systemanforderungen

Das neue Forza ist hübsch anzuschauen und bleibt dennoch bescheiden beim Hardwarebedarf. Die moderaten offiziellen Anforderungen kann ComputerBase mit eigenen Testreihen in einem separaten Benchmark-Test zu Forza Motorsport 7 bestätigen. Das Rennspiel harmoniert aktuell besonders gut mit Hardware von AMD. Sowohl Achtkern-CPUs als auch die neuen RX-Vega-Grafikkarten können beim Rendern glänzen.

Alte Probleme mit der UWP-Umgebung scheinen Microsoft und Turn 10 in den Griff bekommen zu haben. Die Bildwiederholrate bleibt tadellos hoch, der Port läuft flüssig und mit sauberen Frametimes. Allgemeine Einschränkungen bleiben aber. Trösten können sich Spieler mit der Lenkrad-Unterstützung: Auf dem PC werden eine große Anzahl alternativer Eingabegeräte zur Xbox unterstützt.

Offizielle Systemanforderungen für Forza Motorsport 7
HD Full HD UHD
Betriebssystem Windows 10 (64 Bit)
Prozessor Intel Core i5-750
AMD FX-6300
Intel Core i5-4460
AMD FX-8350
Intel Core i7-6700K
AMD Ryzen 7
Arbeitsspeicher 8 GB RAM 16 GB RAM
Grafikkarte Nvidia GeForce GT 740/GTX 650
AMD Radeon R7 250X
Nvidia GeForce GTX 670/1050 Ti
AMD Radeon RX 560
Nvidia GeForce GTX 1080
AMD Radeon RX Vega 64
HDD k.A.

Freiheit und Struktur

Überraschend große Änderungen erfahren Eckpfeiler des Einzelspieler-Modus. Hier weicht der fast völlig freie Zugang zu Rennserien einem struktuierteren Ansatz, der einen Mittelweg aus Freiheiten und spürbarem Fortschritt findet. „Ziel“ des Spiels ist es nun, nach und nach verschiedene Rennserien zunehmenden Anspruchs zu gewinnen, in denen wiederum über verschiedene Meisterschaften und Sonderveranstaltungen Punkte für einen Aufstieg verdient werden müssen.

Dabei steigt mehr der Anspruch als die Geschwindigkeit beim Fahren; beinharte Rennpiloten dürfen sich direkt in bissige Formel-1-Boliden der 1960er-Jahre zwängen, wenn sie das anfängliche Gratisfahrzeug richtig wählen. Mit dem vielfältigen wöchentlichen, durchaus anspruchsvollen Herausforderungen auf gestellten Wagen wird darüber hinaus für weitere Abwechslung gesorgt. Langweilig wird es dabei nie.

Fahrer-Outfits sind eine völlig überflüssige Neuerung
Fahrer-Outfits sind eine völlig überflüssige Neuerung

Mikrotransaktionen am Horizont

Gewonnene Rennen steigern zusätzlich das allgemeine Fahrerlevel. Aufstiege in dieser Kategorie spendieren nun nach Wahl Credits, ein Fahrzeug oder rein kosmetische und nur im Ladebildschirm sichtbare Kleidung für den Avatar. Diese endlich zielgerichtetere Progression und die Frequenz der Belohnungen – zwei Aufstieg pro Stunde erscheinen realistisch – tragen zur permanenten Motivation einen guten Teil bei. Das Roulette-System aus Forza Motorsport 6 (Test) wurde gottlob in einen anderen Bereich des Spiels verlegt worden: Teil 7 nutzt das branchenweit etablierte Kisten-Modell, um Spielern zufällige Belohnungen zu gewähren.

Je nach Qualität der Kiste können das die spielerisch nutzlose Fahrerkleidung, Fahrzeuge oder Bonuskarten sein, die für ein Rennen höhere Belohnungen spendieren. Für harte Euros lassen sich zum Start aber weder Kisten noch Fahrzeuge kaufen. Eine Garantie für die Ewigkeit sollte daraus aus zwei Gründen nicht abgeleitet werden. Erstens wurden in den letzten Ablegern der Serie solche Systeme erst nachträglich per Patch integriert, zweitens kann der Begriff „Kisten“ längst synonym mit „Mikrotransaktionen“ verwendet werden.

Weniger Geld in der Tasche

Ob der Anreiz zum Kauf von Belohungskisten penetrant wird, lässt sich schwer abschätzen. Festgehalten werden kann jedoch schon jetzt, das Turn 10 mit Belohnungen etwas sparsamer umgeht. Für teure, also begehrenswerte Fahrzeuge muss noch immer lange gefahren werden und das nunmehr selbst dann, wenn VIP-Status gekauft wurde. Der ab sofort sinnlose DLC gewährt lediglich Bonuskarten, mit denen sich das Einkommen 25 Mal verdoppeln lässt, sowie fünf exklusive, aber nicht übermäßig interessante Fahrzeuge. Dass diese Einschränkung im Vorfeld nicht klar kommuniziert wurde, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Neben dem Fahren legt Forza viel Wert auf die Präsentation
Neben dem Fahren legt Forza viel Wert auf die Präsentation

Wiederkehrende Spieler werden ebenfalls nur noch mit einer Handvoll besonderer Karten abgespeist, eine Grundausstattung für den Fuhrpark oder Startgeld streicht das Studio. Treue Fans sollten besser bedacht werden, denn auch wenn es keine echte Holzklasse mehr gibt, hat man das ein oder andere Gefährt eben doch schon einmal gefahren oder möchte gleich in „die Vollen“ gehen.

Dazu kommt, dass das Abschalten von Fahrhilfen nicht länger zu größeren Rennbelohnungen führt; hier verbleibt nur die KI-Komptenz als Stellschraube. Einerseits wird so zwar der Aspekt des Fahr-Spaßes betont und der Unterschied zwischen den Spielvarianten, d.h. Profis und Amateuren egalisiert, andererseits aber das Einkommen generell gesenkt. Auch das ärgert, denn das Abschalten aller Fahrhilfen erschwert die Fahrzeugbeherrschung spürbar.

Unfeine Box-Mechanik

Problematisch bleibt, dass diese Mechaniken tendenziell im Lategame am stärksten zum Tragen kommen, wenn es ans Eingemachte, also seltene Wagen gehen soll. Abgeschwächt wird diese Problematik durch weitere Einnahmequellen. Diese müssen, wie das Forza-Rewards-Programm, aber aktiv in Anspruch genommen werden und fallen nicht für alle Spieler gleichermaßen hoch aus. Was den Schwierigkeitsgrad steigert und mehr Geld bringt, sind nur noch die Mod-Karten aus Kisten, die Credits kosten.

Im Endeffekt sollen Spieler also dafür zahlen, mehr zu verdienen bzw. das Spiel anzupassen. Ob die Mehreinnahmen aus Kisten den Gegenwert einer Kiste übersteigen, lässt sich nicht ohne Weiteres absehen. Das ist eine absolut unfeine Mechanik, die in einem Vollpreisspiel nichts zu suchen hat und zwar alleine, weil sie eigentlich übliche Optionen hinter Grind oder Geld versteckt.

Autos sammeln als Spiel im Spiel

An sich wächst die Sammlung vierrädriger Spielzeuge aber in ordentlicher Geschwindigkeit, wenn bei jedem Levelaufstieg das Auto-Angebot gewählt wird. Weitere Untersätze spülen Showcase-Veranstaltungen in den Fuhrpark. Dünn wird es nur, wenn diese Vorauswahl nicht dem eigenen Geschmack entspricht; zielgerichtet freischalten nimmt mehr Zeit in Anspruch, weil begehrenswerte, seltene Wagen hoch bepreist sind.

Vom Start weg beim Händler kaufen lassen sich automobile Träume aber selbst mit genügend Geld nicht. Der Ausbau des Fuhrparks ist nun ebenfalls Teil der Progression: Fünf Seltenheitsklassen werden abhängig von der Größe der Autosammlung zugänglich. Obwohl das Angebot schon nach wenigen Stunden fast vollständig gekauft werden könnte, motiviert das doch, noch einmal alte Rennserien mit neuem Untersatz zu fahren und noch einmal auf Entdeckungsreise zu gehen.

Enge Duelle sind auch ohne menschliche Mitfahrer möglich
Enge Duelle sind auch ohne menschliche Mitfahrer möglich

Dieses sanfte Freischalten von Optionen ist aber nur ein einzelnes Rädchen einer ganzen Motivationsmaschine, die Fahren und Fahrzeuge schmackhaft macht. Eng verwoben mit der Faszination des Fahrens selbst wird dabei die Faszination des Fahrzeugs. Einspieler von Motorsport-Persönlichkeiten und Anmoderation machen Veranstaltungen und Rennserien schmackhaft, die virtuelle Forzavista-Tour lädt zur Showroom-Erkundung der detailliert nachgebauten Wagen ein. Hierin liegt eine nicht zu unterschätzende Stärke von Forza, die Konkurrenten (noch) völlig abgeht.