Lego Powered Up & Boost im Test: Legos digitales Offensivchen

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Michael Schäfer
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Neue Sets für Lego Boost

Rund ein Jahr hat Lego gebraucht, um für das Roboter-Set Boost (Test) Erweiterungen auf den Markt zu bringen. Dabei handelt es sich jedoch weniger um eigenständige Ergänzungs-Sets, sondern um jeweils ein Set aus dem City- und Ninjago-Universum, die sich in B-Modellen mit dem Boost-Set verbinden lassen. Dies zeigt mit beeindruckender Deutlichkeit, wie stiefmütterlich Lego auch sein letztes Roboter-Set behandelt. Neue Sensoren waren in der Vergangenheit ebenfalls Mangelware, anscheinend hat das Unternehmen nichts aus Mindstorms gelernt. Dies ist auch in dem Umstand zu erkennen, dass Legos WeDo 2.0 (Test), welches das dänische Unternehmen speziell für Bildungseinrichtungen konzipiert hat, durchaus mit Boost kompatibel ist – aber keine offizielle Unterstützung erfährt.

Der Erkundungstruck (60194) noch ohne Boost
Der Erkundungstruck (60194) noch ohne Boost
Der Ninjago Blitzdrache (70652) noch ohne Boost
Der Ninjago Blitzdrache (70652) noch ohne Boost

Neue Sets, gleiche Fehler

So müssen sich angehende junge Programmierer aktuell mit diesen beiden Modellen zufriedengeben, die nicht nur in der äußeren Erscheinung, sondern auch in Bezug auf Ideenreichtum und Qualität unterschiedlich ausfallen. Dass die meiste Zeit beim Bauen mit dem Suchen der Teile verbracht wird, ist Legos Versäumnis zuzuschreiben, in der jeweiligen Bauanleitung die Teile entsprechend nach ihrem Herkunfts-Set zu markieren. Für die bessere Übersicht kann nur angeraten werden, beide Sets nicht miteinander zu vermischen. Andernfalls ist ein Rückbau der Modelle später nicht mehr ohne größeren Aufwand möglich – der Autor spricht aus eigener leidlicher Erfahrung.

Arktis Erkundungstruck (60194)

Der Arktis-Erkundungstruck 60194 beinhaltet 322 Teile und kostet (UVP) 49,99 Euro, was zunächst teuer erscheint, auch wenn zum Set diverse größere Bauteile gehören. Der Straßenpreis liegt aktuell aber deutlich unter 40 Euro, was eher dem Gegenwert entspricht. Neben dem Fahrzeug beinhaltet das Set drei Minifiguren sowie einen Eisbären und einen Hund.

Die Bauzeit beträgt für geübte Baumeister ab sieben Jahren rund 45 Minuten. Zum Set gehören zudem zwei Anleitungen sowie Aufkleber, bedruckte Bricks sind nicht vorhanden.

Optisch reiht sich das fertige Originalmodell nahtlos in die bestehende Themenwelt der Polar Station ein. Anders schaut es jedoch mit dem durch Boost ergänzten Modell aus: Dieses erinnert stark an den bereits mit dem Roboter-Set erstellbaren M.T.R. 4, auch die Funktionen sind ähnlich. Hier wäre etwas mehr Eigenständigkeit seitens der Designer wünschenswert gewesen. Durch das klobige Äußere passt der Truck zudem höchstens noch ansatzweise zu den anderen Arktis-Sets.

Stundenlanger Bauspaß

Der Zusammenbau des Modells erfolgt wie von Boost gewohnt in Etappen: Zunächst werden das Chassis erstellt und dessen Grundfunktionen getestet. Im nächsten Abschnitt kommt die Hebevorrichtung hinzu, bevor im letzten Teil der Abstandssensor sowie die Fahrerkabine dran sind. Bis hierhin sind in den meisten Fällen bereits 90 bis 120 Minuten vergangen. Im weiteren Verlauf können noch kleinere Modelle gebaut werden, die vom Truck aufgenommen und transportiert werden können, sowie ein kleineres Raupenfahrzeug und ein Wal. Insgesamt bietet das Set zusammen mit dem Boost-System rund vier Stunden Bauspaß.

Grundsätzlich eignen sich die Boost-Modelle auch zum Spielen, der Grundgedanke liegt jedoch eher im Experimentieren und Ausprobieren. Der Spielfaktor besteht hier in der Nutzung als ferngesteuertes Modell über das Tablet. Interessanter wird es, wenn der Truck über den sich im Boost-Set befindlichen Hindernisparcours geschickt wird. Hier kann über die Software festgelegt werden, was mit einem Hindernis passieren soll – ob es unter Verwendung des Abstandssensors über die Stapelgabel angehoben wird oder umfahren werden soll. Selbst eine Kombination der beiden Vorgehensweisen ist möglich: So kann anhand der Farbe erkannt werden, ob das Objekt angehoben oder umfahren werden soll. Ebenso können verschiedenfarbige Objekte an unterschiedliche Stellen transportiert werden. Hier bietet sich also eine Fülle an Experimentiermöglichkeiten.

Ninjago Blitzdrache (70652)

Das zweite Modell, das Lego für die Verwendung mit Boost vorgesehen hat, ist Jays blauer Elementardrache aus dem Ninjago-Universum. Dieses Set ist im Gegensatz zum Erkundungstruck mit 493 Teilen etwas üppiger ausgestattet, kostet dagegen jedoch nur (UVP) 39,99 Euro. Dies liegt vor allem an den eher kleinen Teilen, die zur Verwendung kommen, und unter denen sich auch einige eher seltene befinden. Das Set beinhaltet zudem die vier Minifiguren Jay, Zane, einen Maulkorbjäger und einen beinlosen Jäger inklusive Vergeltungssteinkette. Ebenfalls an Bord ist der auf einem Amboss gestellte Brustpanzer der Rüstung des ersten Spinjitzu-Meisters.

Damit will Lego auch ein wenig den Sammlerinstinkt seiner Käufer wecken, denn die komplette Rüstung erstreckt sich über mehrere Ninjago-Sets. Zudem beinhaltet das Set keine Aufkleber, die beiden Augen des Drachen sind auf jeweils einen 1-×-4-Brick aufgedruckt.

Gelungene Kombination

Aufgrund der kleineren Teile dauert der Zusammenbau des Blitzdrachens etwas länger als der Arktis-Truck, mit rund 60 Minuten sollte hier gerechnet werden. Das fertige Modell weiß in seiner Erscheinung schon zu überzeugen, doch das ist nichts gegen das durch das Boost-System ergänzte Modell. Dieses misst in seiner kompletten Länge rund 60 cm gegenüber 49 cm des Originals, lässt den Drachen jedoch eher als Echse erscheinen.

Auch für den Zusammenbau der Kombination muss deutlich mehr Zeit als beim Polar-Modell verplant werden, mindestens zwei Stunden sind hier geboten. Belohnt wird der Baumeister mit einem imposanten Ninjago-Drachen, der laufen sowie den Kopf heben und drehen kann und dabei auch den Schwanz bewegt. Über den verbauten Farbsensor kann das System bei entsprechender Programmierung erkennen, welche Figur als Reiter zugelassen ist – alle anderen werden vom Drachen ausnahmslos abgeworfen. Dies funktionierte im Test jedoch nicht immer zuverlässig.

Äußerlich ist das Boost-Modell schön gestaltet, wenn auch die Verbindung zwischen den Beinen etwas negativ ins Auge fällt – aufgrund der limitierten Steineauswahl dürfte eine grazilere Lösung nicht möglich gewesen sein. Das ist jedoch eher als Jammern auf hohem Niveau zu sehen. Mit zusätzlichen Steinen dürften findige Baumeister sicherlich eine andere Lösung finden.

Neue Geräusche und Programmblöcke

Beiden Modellen ist gemein, das sie eine große Anzahl von neuen Geräuschen und Programmierblöcken in die Software einbringen. Die jeweilige Bauanleitung ist entgegen der eigenen Boost-Modelle nicht bei Lego als PDF-Datei erhältlich – so muss auch hier auf das Tablet und die Boost-Software zurückgegriffen werden. Diese hat Lego in der Zwischenzeit zwar um einige Modelle von Boost-Fans erweitert, an manchen Stellen aber auch verschlimmbessert. So müssen nun bereits zu Baubeginn Bluetooth und Standortfreigabe aktiviert sein – obwohl diese erst in den Testabschnitten der Modelle benötigt werden. Dies führt bei vielen Tablets zu dem Effekt, dass der Stromverbrauch steigt und der Energiespeicher bis zur Fertigstellung des Modells gar nicht ausreicht.

Defizite der Software nach wie vor nicht behoben

Auch an anderen Stellen hat Lego bekannte Einschränkungen nicht abgestellt: So müssen auch die neuen Modelle Schritt für Schritt gebaut und nach bestimmten Bauabschnitten getestet werden, sonst kann nicht weitergebaut werden. Die Ergebnisse werden nach wie vor in der App gespeichert, womit bei einer Neueinrichtung des Tablets oder einem Wechsel selbst bei einem fertigen Modell die Prozedur zumindest auf dem Tablet noch einmal durchgegangen werden muss. Warum Lego nach wie vor nicht die von Android oder iOS gegebenen Möglichkeiten nutzt, die Errungenschaften wie Spielstände zu handhaben oder extern – zum Beispiel in die Cloud – zu speichern, verwundert immer noch.

Weiterhin handelt es sich bei der Software streng genommen nicht um eine Programmierumgebung, sondern um die Erstellung von Ablaufplänen. Zwar kann Kindern damit die Logik des Programmierens vermittelt werden, die Möglichkeiten sind jedoch weiterhin stark begrenzt – und sehr von den Elementenvorgaben des Herstellers abhängig, denn das Erstellen einzelner Elemente ist nach wie vor nicht möglich.