ThomasK_7 schrieb:
Ich bitte um Aufklärung, welche Umbauten des Rentensystems der letzten rd. 20 Jahre, wem die Taschen bis zum Überlaufen gefüllt haben!
Das Rentensystem wurde, abgesehen von Bezugsreduktionen und Nullrunden nicht umgebaut, es wurde nur der selben Wirtschaftlichkeits-Logik unterworfen, nach der Giftmüll ins Meer gekippt und Atomkraftwerke unzureichend gewartet werden.
Das System, was umgebaut wurde ist die Volkswirtschaft als ganzes - insbesondere im Bezug auf die Erwerbsstruktur. Es haben in Deutschland nach WWII nur selten so viele Leute trotz 40H-Woche so knapp oberhalb des Existenzminimums gelebt.
Dabei handelt es sich (wie bei jeder gesellschaftlichen Entwicklung) natürlich um ein sehr komplexes Zusammenspiel der verschiedensten Faktoren ... jedes für sich betrachtet hat sich kaum verändert, und trotzdem öffnet sich die Wohlstandschere immer schneller.
Zum Beispiel die Euro-Umstellung inklusive Kaufkraftreduktion (überlegt euch mal, was man vor der Umstellung für DM 2,00 bekommen hat und vergleicht das damit, was man heute für € 2,00 bekommt ... z.B bei Lebensmitteln) ...
Da unsere Politiker nicht genug Rückgrat hatten, um dieser Umstrukturierung entgegen zu wirken (die haben dabei eher geholfen), muss der Staat heute bei einer zunehmenden Zahl von Erwerbstätigen unterstützen ... trotz Vollzeit-Beschäftigung.
Insgesamt ist für die letzten 20 Jahre eine Entwertung der menschlichen Arbeitskraft festzustellen .... ehemals "normale" Zusatzleistungen (z.B. die vermögenswirksamen Maßnahmen) haben heute in kaum einem Arbeitsvertrag platz, wie viele von euch bekommen ein 13. Monatsgehalt, oder sowas wie Weihnachtsgeld? In der Generation meiner Eltern waren diese Dinge noch in nahezu jedem Arbeitsvertrag, sogar in den Tarifverträgen verankert.
Der zugegeben etwas übertriebene Kündigungsschutz wurde aufgeweicht, und heute gibts bei jeder Sparmöglichkeit, die der Gesetzgeber "schenkt", neue Arbeitverträge ... mit etwas schlechteren Konditionen.
Die Rente wurde nicht umsonst teilprivatisiert, genau wie Krankenkassen heute nichtmal mehr 50% der Leisungen bezahlen, die zu Beginn der 1990er noch selbstverständlich waren, selbst WENN man alle Vorsorgeuntersuchungen wahrnimmt. Bei den sozialen Leistungen (Versicherungen) stzeigen die Beiträge ... bei real sinkendem Leisungsumfang.
Wie viele Zusatzversicherungen muss man heute abschließen, um so abgesichert zu sein, wie man es vor 25 Jahren noch mit der AOK alleine gewesen ist?
Der offensichtliche Grund für diesen Umbau lautet natürlich "Alles wird teurer" ... aber da sollte man sich durchaus mal fragen, "ja warum denn eigentlich" Es gibt kein Naturgesetz, nach dem das zwingend so sein muss ... nur vor den Strukturmerkmalen des Kapitalismus erscheint diese Entwicklung völlig natürlich, denn sie ist systemimmanent ... schon Adam Smith hat das erkannt, und neben "Wealth of Nations" noch ein zweites Buch geschrieben, welches sich vor allem mit den sozialen Problemen beschäftigt, die der freie Markt mit sich bringt. Das zweite Buch kennt fast niemand ... aber wenn man als gut enkulturierter Kapitalist nur dieses Buch liest, dann hält man Smith für einen Marxisten.
Das Rentensystem ist nur ein kleiner Teil des Umbaus, den ich meinte ... aber leg mal jeden Tag einen Cent in deine Küche, und du kommst in 20 Jahren nichtmal mehr an den Kühlschrank ...
Die Masse machts ... isoliert betrachtet ist alles vielleicht "halb so wild" ... aber im ganzen sieht es ziemlich finster aus, denn unsere Volkswirtschaft stranguliert sich langfristig selbst, wenn der Staat dafür sorgen muss, dass das Konsumvieh auch ausreichend konsumieren kann.
Die menschliche Arbeitskraft muss geschützt werden, und da gehören Löhne, von denen man auch ohne staatliche Unterstützung leben kann genauso dazu, wie ein Rentensystem, welches zulässt, den Lebensabend auf einem ähnlichen Wohlstandsniveau zu verbringen, wie die letzten Arbeitsjahre, oder ein Gesundheitssystem in dem KK-Beiträge zukünftige Leistungen nicht nur bezahlen, sondern diese im Bedarfsfall dann auch erbracht werden.
Meine Krankenkasse hätte mir mit 18 noch Zahnersatz bezahlt (oder wenigstens die nötigen Behandlungen zu fast 80%) ... der Zahnersatz, den ich vor einigen Jahren bekommen musste, hat mich knapp € 2500,- gekostet. Eingezahlt habe ich seit meinem 18 Lebensjahr ca. € 30000,- - mehr als ZEHN mal soviel. Bis mein Körper so langsam den Geist aufgibt, werden es wahrscheinlich über 100000,- gewesen sein - und nur Gott allein kann sagen, ob ich dann noch irgendwas von der gesetzlichen KK bezahlt bekomme.
Von dem Traum einer gesetzlichen Rente habe ich mich mit Mitte 20 schon verabschiedet, für eine private Altersvorsorge reichts gerade auch nicht ... wenn nicht noch einiges passiert, werde ich wohl bis zum Tod Hartz4 beziehen (wenn es dann überhaupt noch ein soziales System in DE gibt).
Edit:
Wenn ihr mit Durschnittseinkommen argumentiert, dann nehmt bitte nicht gerade das arithmetische Mittel, denn das ist denkbar anfällig gegen sogenannte Ausreißer ... Beispiel (vorsicht Schulmathe).
Körpergröße: 9 Probanden sind um die 180cm groß, der zehnte aber über 230cm.
Berechnung: ((9 x 180) + 230)/10 = 185cm ...
9 zehntel der Probanden sind nach dem arithmetischen Mittel also als unterdurchschnittlich "klein" zu betrachten, nur weil EIN Probant einen halben Meter länger ist (in diesem simplen Beispiel ist der Ausreißer sehr gut sichtbar ... 230cm ist WEIT über Durchschnitt).
Bei Löhnen ergibt sich das gleiche Bild. Tut mir leid euch das sagen zu müssen, aber da wo es Ausreißer gibt, ist das arithmetische Mittel eine sehr schlechte Wahl ... es sei denn, man neutralisiert sie indem man sie ausscheidet, oder am besten gleich den gegen Ausreißer immunen "Median" als Durchschnitt wählt (Für die, die es nicht kennen: Der "Median" ist der mittlere Wert einer geordneten Reihe - bei 10 Probanden also das arithmetische Mittel der Positionen 5 und 6 - in obigem Beispiel 180cm ... ein zehntel der Probanden ist tatsächlich überdurchschnittlich groß, aber diese Information ist im arithmetischen Mittel "verloren" gegangen).
Ihr müsst für eure Argumentation wohl oder übel einen Mittelwert wählen, bei dem die wenigen Großverdiener nicht so verfälschend wirken. Bei N=10 ist die Sache noch leicht zu durchschauen ... aber bei mehreren Millionen wird genau das etwas komplizierter (schon eine Stichprobe von N=1.000 ist ziemlich unübersichtlich).
Beispiel mit Löhnen: 9 Probanden erhalten € 2.000,- der Zehnte satte € 10.000,- ... Median = 2 x 2000/ 2 = 2000,- ... arithmetisches Mittel = ((9 x 2000) + 10000)/10 = 2800,-.
Immerhin eine Abweichung von 40%.
Vorsicht mit dem, was man umgangssprachlich so "Durchschnitt" nennt, vor allem wenn die Spannweite der Werte so groß ist, wie bei den Löhnen.