Erst einmal sollten wir uns alle hier auf eine Frage einigen, von der einige leider sehr stark abweichen.
Ausgang war folgende Frage: "
Haben Arbeiterkinder die gleichen Chancen zum Studium wie Akademikerkinder?".
Die Antwort auf diese Frage lautet ganz klar nein.
Jedoch liegt die Ursache wie viele hier scheinbar denken nicht ausschließlich auf der finanziellen Ebene, sondern stärker noch am Umfeld.
ayngush hat die Ursachen für die niedrigere Beteiligung der Arbeiterkinder schon sehr schön dargestellt. Das Problem besteht nicht erst beim Übergang von der weiterführenden Schule an die Hochschule, sondern schon in der Grundschule.
Kinder aus Arbeiterfamilien werden einfach weniger gefördert, da sich ihre Eltern nicht gleichermaßen wie Akademiker im Schulsystem auskennen, sie weniger eigenständig bei Schwierigkeiten helfen können und weniger Geld vorhanden ist um Förderung zu bezahlen.
Außerdem fördern die Eltern aus Arbeiterfamilien ihre Kinder meist weniger, da sie nicht den Sinn darin sehen. Es ist schlicht und ergreifend die Gewohnheit, dem Kind den gleichen Lebensstandard ermöglichen zu wollen den man selbst hat und deshalb fördern Eltern ihre Kinder meist so, dass der familiäre Status erhalten werden kann und nicht so, dass es einen Statusaufstieg gibt.
Aufgrund dessen sind die schulischen Leistungen von Arbeiterkindern häufig schlechter, als die anderer Kinder. Natürlich gibt es auch sehr viele Arbeiterkinder bei denen dies nicht der Fall ist und die sogar besser sind als die Kinder von Akademikern, dann tritt jedoch meist der Fall ein, dass die Eltern versuchen ein Studium auszureden bzw. die Situation als schwierig darstellen, sodass sich dagegen entschieden wird.
Die Eltern entscheiden beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarschule meist ohne das Kind, welcher Bildungsweg eingeschlagen wird und mit der Wahl der Realschule für ein sehr begabtes Kind liegt schlicht und ergreifend eine Benachteiligung vor, die jedoch keine finanzielle Basis hat.
Diese Aussage stimmt so nicht. Die Kosten-Nutzen-Abwägung macht einen sehr großen Teil der Bildungsentscheidung aus, in Kombination mit dem jeweiligen Habitus, also den Gewohnheiten einer Person.
Die Prägung durch das Umfeld, der Einfluss den die Eltern und Freunde auf jemanden ausüben, entscheidet sehr stark darüber ob eine Person studieren geht oder nicht.
Jemand der die Schule immer leicht geschafft hat und bei Problemen einfach einen Nachhilfelehrer für private Nachhilfe bekommen hat oder dem die Eltern einfach unter die Arme gegriffen haben wird sich eher für ein Studium entscheiden als jemand der bei Problemen in der Schule keinen Rückhalt hatte und dessen Eltern sich keine Nachhilfe leisten konnten.
In dieser Hinsicht ist es also auch ein finanzielles Problem.
@Müs Lee:
Und grade dort liegt eben auch der von dir beschriebene Artikel falsch, der übrigens kein Artikel, sondern nur ein Kommentar ist.
Konsens in der Bildungsforschung ist heutzutage, dass grade die Kosten-Nutzen-Abwägung einen sehr großen Teil bei der Bildungsentscheidung ausmacht.
Was aber dann? Es ist das Verdienst des Münchner Bildungsökonomen und Ifo-Forschers Ludger Wößmann, diesem Rätsel beharrlich nachzugehen. Liegt es womöglich daran, dass in Arbeiterhaushalten nicht bekannt ist, welches Einkommen ein Studium bringt? Wissen die Leute nicht, dass staatliche Universitäten keine Studiengebühren verlangen und begabte Kinder Zugang zu einer Vielzahl von Stipendien haben? Wößmann hat das alles empirisch getestet und herausgefunden: Es ist kein Wissensproblem. Unterschiede in der Einschätzung von Kosten und Nutzen können die große Kluft im Bildungswillen zwischen Akademikern und Nichtakademikern nicht erklären.
Grundsätzlich erklärt wird die Lücke bei den Akademikern heute über die Werterwartungstheorie.
Kurz erklärt gibt es dort zwei Faktoren, die Bildungsmotivation und das Investitionsrisiko.
Bildungsmotivation beschreibt den Wert mit dem die Bildung gesehen wird. Als Kind eines Arztes möchte ich eher den Lebensstandard meiner Eltern als den meiner Putzfrau halten, daher gehe ich Studieren da es ohne Studium nicht bzw. viel schwerer ist diesen Standard zu halten.
Ist mein Vater dementsprechend Elektroniker, mache ich eine gleichwertige Ausbildung um den Standard zu halten.
Als zweites das Investitionsrisiko, dass den Quotienten aus Bildungskosten und Erfolgswahrscheinlichkeit beschreibt.
Die Bildungskosten sind im Grunde genommen für alle gleich hoch (Lernutensilien, Nachhilfe, Bücher, etc.) nur dass sie für jemanden dessen Eltern 5.000€ verdienen einfacher zu tragen sind als für jemanden dessen Eltern 1.500€ verdienen.
Weiterhin ist die Erfolgswahrscheinlichkeit bei Akademikerkindern größer, da die Eltern bereits einen akademischen Abschluss haben und demnach Erfahrung im Schulsystem vorweisen und bessere Förderung ermöglichen können.
Damit also jemand aus der Arbeiterschicht studieren geht, muss der Gewinn durch die zusätzliche Bildung subjektiv als sehr hoch angesehen werden, da andernfalls von der Entscheidung zum Studium abgesehen wird.
Erklärt wird dies ganz gut durch Hartmut Esser oder andere Bildungsforscher.
Das finanzielle Problem mit direktem Studienbezug wiegt dabei mehr oder minder.
Je nach Situation reicht Bafög einfach nicht aus und ist ein Nebenjob nicht möglich, außer das Studium wird über die Regelstudienzeit hinaus verlängert. In diesem Fall herrscht jedoch auch eine Benachteiligung.