Software für Wissensmanagement: Thesen, Zitate, Annotationen

Der Kabelbinder

Higitus figitus zumbakazing.
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Hallo zusammen,

ich habe in jüngster Zeit mal wieder festgestellt, dass meine überwiegend auf Annotationen basierende Forschungsarbeit ziemlich mühselig und messy werden kann, wenn es um komplexe Themen mit vielen verschiedenen Texten und Argumenten geht. Ich bin eigentlich der Typ, der sehr gerne nah am Text arbeitet und z.B. viele Markierungen und Annotationen in Acrobat Pro vornimmt, um das Verständnis aber auch eigene Ideen zu konservieren. Zeitgleich nutze ich aber natürlich auch bei analogen Quellen immer wieder Post-Its und Handzettel.

Ich überlege, wie ich dieses Wissen am besten digital (wo ja letztlich die Schreibarbeit stattfindet) zusammenführen und produktiv verwerten kann. Dazu wäre meine Frage, ob ihr Software kennt, in der man:
  • Texte (PDF) direkt bearbeiten kann: Zitate markieren und Anmerkungen schreiben
  • Handzettel (Sammlung von Ideen, Thesen und wichtigen Erkenntnissen) erstellen kann, bestenfalls mit Verknüpfungen zu Quellen
  • hypertextuell nach Schlagworten suchen kann.
Ich hatte mich schon mal mit Citavi versucht, bin da intuitiv aber nie so richtig angekommen. Hatte den Eindruck, dass das Tool weniger dazu geeignet ist, neben Zitatsammlungen und ein paar Annotationen auch Konzept- und Textarbeit zu leisten.

Ich weiß, klingt alles nach ziemlich viel. ^^
Aber vielleicht gibt es da ja ein paar interessante Programme, die man sich unbedingt mal anschauen sollte. Vielleicht kann man dazu auch Projektmanagement-Software "missbrauchen", indem man mit getrennten Wissensräumen, Unterkategorien und Infoseiten arbeitet.
Bin da aber erst mal ganz offen für Vorschläge, wie ich das digitale Arbeiten mit vielen Quellen effizienter gestalten könnte.

Hat schon mal jemand Auratikum probiert? Könnte das zu meinen Anforderungen passen?

Freue mich über eure Empfehlungen. :)

VG
Kabelbinder
 
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Hm, gute Frage. Das Chaos liegt mMn in der Natur der Arbeit. Persönlich sammle ich alle relevanten Quellen in Mendeley (alternativ Zotero) und kategorisiere sie grob per Thema. In der Regel werden Paper oder Bücher von mir periodisch und stapelweise runtergeladen und gelesen. Die relevanten Paper drucke ich aus (nicht sehr grün, ich weiss), lese sie erneut und mache Notizen in den Seitenrändern, markiere gelb was markiert gehört und schreibe ein kurzes Fazit über den Titel. Die Paper werden dann auch nach Thema auf dem Bürotisch gestapelt oder in Ordnern einklassiert, wobei das Fazit beim späteren Wälzen schnell hilft das Nötige zu finden und die Relevanz zu beurteilen. Mendeley erlaubt auch allgemeine Notizen zu Dokumenten zu erstellen, Passagen zu markieren und Kommentare an bestimmten Stellen hinzuzufügen. Die sind mWn auch suchbar. Persönlich arbeite ich besser mit physischen Dokumenten, da ich idR ein Bild der ersten Seite/n im Kopf habe und danach die Stapel durchwühle wenn das Dokument benötigt wird.
 
Moin!

Chaos, ja, da sagst du was! 😅
Eben deswegen habe ich ja das Verlangen, zumindest Teile des Prozesses etwas besser zu organisieren. Da die Schreibarbeit letztlich digital stattfindet und ich dabei ständig Referenzen und Vorverschriftliches aufufe, bietet es sich natürlich an, alles gesammelt in einer Software zu erledigen. Werde mir Mendeley auf jeden Fall mal näher anschauen, danke für den Tipp!

Habe gestern einfach mal einen Account bei Auratikum angelegt. Das ist ein Cloud-Service, der mit dem Zettelkastenprinzip nach Lumann arbeitet und einen theoretisch den gesamten Recherche- und Schreibprozess begleiten soll. Man erstellt dabei einzelne Zettel (Notizen), auf die man beliebigen Text schreiben und mit Referenzen oder Verknüpfungen zu anderen Zetteln anreichern kann. Die Referenzen arbeiten mit Crossref, Google Books und PubMed. Man kann auch Dokumente in Notizen hinterlegen. Es gibt allerdings keine direkte Bearbeitungsfunktion für bspw. PDFs. In dem Textfeld der Notizen selber gibt es aber alle elementaren Tools, mit denen man schon ganz gut Fließtext schreiben und formatieren kann. Theoretisch sollte man diese Notizen nachher in Kapitel einer Arbeit umsetzen, wozu es auch Tools zur Erstellung der Struktur einer Arbeit gibt. Das Ganze kann man sich nachher als "fertiges" Word-Dokument runterladen.

Soweit die Theorie. In der Praxis sehe ich darin in erster Linie ein Tool, um Ideen und erster Formulierungen zu sammeln und zu organisieren, die man dann später strukturiert und ausformuliert. Ohne Weiteres stehen die Zettel innerhalb eines Projekts aber erst mal unstrukturiert nebeneinander. Und es scheint auch keine weitergehenden Visualisierungen zu geben, die etwa Verknüpfungen zwischen Notizen, Schlagwörtern und hinterlegten Publikationen aufzeigen.

In so fern fehlt mir da noch ein bisschen der Mehrwert gegenüber bspw. der reinen Word-Arbeit, bei der ich genau so einfach unterschiedliche Seiten für Notizen, Ideen und erste Kapitel anlegen kann. Die Herstellung von Referenzen (im Text) ist zwar praktisch, aber auch kein richtiges Alleinstellungsmerkmal. Dazu kommt: Alles liegt in der Cloud (schafft Abhängigkeit), das Tool ist relativ teuer für den begrenzten Umfang und es gibt trotz dem auch noch Tracking/Analytics. Ganz schön viele Kompromisse ...

Da schaue ich mir lieber noch mal Mendeley an.

VG
Kabelbinder
 
Mendeley wird von Elsevier entwickelt, einem der "bösen" Verlage. Wenn du moralische oder sonstige Bedenken hast, kannst du auch Zotero ausprobieren. Es hat grob gesehen die gleichen Funktionen und wird von einer non-profit organisation entwickelt. Mendeley funktioniert bei mir einen Ticken besser und wird daher verwendet, auch wenn es beileibe nicht perfekt ist. Beide sind cloud-basiert, d.h. wenn serverseitig mal Alarm herrscht, wird so lange auch nix zitiert.
 
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Ich fürchte die beefy App mit allen gewünschten Features gibt es so nicht.
Ich bin mit Zotero + Firefox plugin bisher sehr happy.

Das kann ich mit tags und ordnern organisieren und je paper noch notizen reinschreiben etc.
Meine Arbeit ist aber auch nicht besonders intensiv bzgl Literaturarbeit vgl mit zb geisteswissenschaftlichen Promotionen.

Wenn ich das so rauslese benutzt du Word für deine Diss? Davon würd ich dir dringend abraten. Die initiale Hürde Latex zu lernen sind nur wenige Stunden arbeit. Kenne bisher niemanden der es je bereut hat das zu investieren. Allein das Reformatieren und kleine Ärgernisse von Word summieren sich über Zeit zu viel mehr auf als Latex zu lernen. Hab ein paar mal Tutorials für Latex für Mediziner und die waren begeistert im Nachhinein.

Je nachdem an welcher Uni du arbeitest gibt es ggf auch eine Web basierte Overleaf Instanz für Latex umsonst. Da sparst du dir direkt auch das ganze Geraffel mit initialem Einrichten von Latex und kannst einfach losschreiben.
 
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Danke euch beiden!

Ich glaube, ich muss meine Fühler da noch mal ein wenig weiter ausstrecken und schauen, ob ich vielleicht was im Bereich Productivity/Projektmanagement finde.

Das Referenzieren von Literatur ist ja gar nicht mal das Problem. Arbeite da meist im kurzen Harvard-Style und füge die Quelle mit Seitenzahl während der Textarbeit einfach direkt ein. Der Rest wäre dann ja nur noch das Anlegen des Literaturverzeichnisses, was dank Online-Datenbanken mit auswählbarer Formatierung heutzutage aber schnell gemacht ist.

LaTex wird für mich denke ich keinen großen Mehrwert bieten, da ich aus den Geisteswissenschaften komme und (außer in der abstrakten Linguistik) eigentlich nie mit Formeln arbeite.

Mir geht es eigentlich primär darum, der ganzen Zettelwirtschaft Herr zu werden, Notizen sammeln und konzeptuell sortieren zu können. Ich neige generell dazu, relevante Textstellen direkt zu paraphrasieren und im größeren Kontext kritisch einzuordnen. Mal in kurzen Stichworten. Je nach Komplexität aber auch mal in längeren Sätzen. Dadurch fallen analog wie digital auf Dauer ziemlich viele Informationen an, die ich in der fortschreitenden Konzeptphase irgendwie verdichten und ordnen muss.

Vielleicht muss ich doch wieder zum klassischen Whiteboard zurückkehren. Aber ich schau mich noch mal um. ^^

- - -
Stichwort Luhmann:


Ich glaube, ich bin fündig geworden! :)
  • intertextuelle Notizen
  • Visualisierung des eigenen Wissens als Netzwerk
  • lokales, offenes Markdown-Format (kein Server-Zwang)
  • Communtiy-Plugins dank offener API
  • kostenlos
  • Darkmode! 💘
Jetzt muss ich nur noch eine Brücke zur Literatur (primär PDFs) finden. Vielleicht geht das mit DEVONthink. Muss ich mir alles noch mal in Ruhe anschauen.
 
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Obsidian wäre auch meine Empfehlung :)
Und durch das Markdownformat kannst du die Dateien auch einfach selbst syncen, z.B. über ein Git Repo oder eine klassische Netzspeicherlösung a la Nextcloud.
 
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Genau. Die Files kann ich dann einfach lokal per Syncthing synchronisieren. Dann komme ich auch ohne Cloud aus. :)

Hast du mit Obsidian selbst schon mal gearbeitet?

Ich habe gesehen, dass man sogar PDFs importieren kann. Gibt sogar einige Plugins, die PDF-Annotationen automatisch in Notizen umwandeln können. Das System hat also auf jeden Fall Potenzial!
 
Denke unabhängig von der engültigen Wahl solltest du dich vermutlich darauf einstellen, dass das vollständig effiziente Arbeiten mit der Software sich am Anfang "unintuitiv" anfühlen wird.

Jede Software wird ja mit einem gewissen Bedienkonzept im Hinterkopf entwickelt und es dauert immer eine Weile bis man sich komplett eingearbeitet hat.

Ich persönlich benutze gerne https://joplinapp.org/ als Wissenmanagement. Es basiert wie Obsidian auf Markdown, ist aber Open Source (aber leider auf Elektronbasis). Als Literaturverwaltung hat bei mir immer eine einfache BibTeX-Datei am Besten funktioniert, alles andere hat auf irgendeine Art und Weise Probleme verursacht. Da müsstest du schauen, welche Programme die beste Word-Anbindung haben
 
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Ich habe mir nun schon mal ein paar Tutorials für Obsidian angesehen und denke, dass ich bei dem Programm bleiben werde. Damit habe ich den Großteil der Aufgaben unter einem Dach und kann die Wissensräume gut organisieren und in sich vernetzen. Sehr praktisch ist denke ich auch folgendes Feature:

Notiz-Programm Obsidian bekommt Leinwand-Option


Mit der Canvas-Funktion kann man vor allem Argumentationsketten gut abbilden. Sieht sehr vielversprechend aus. :)

Danke noch mal für eure Ratschläge!
 
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Deine Anforderungen sind ja schon sehr umfangreich, ich hab damals fuer meine Diss auf Empfehlung teilweise mit LiquidText gearbeitet, fuer den Umgang mit Publikationen ist es auf jeden Fall ganz nett und teilweise beeindruckend intuitiv und auch produktiv gewesen - aber wird dir sicherlich nicht reichen bzw. weiss ich auch nicht ob es heute noch mehr Funktionen hat.
 
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