„Mega Man“-Schöpfer verwirklicht sich mit Kickstarter

Frank Hüber
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Ende 2010 verließ die Videospiel-Legende Keiji Inafune, unter anderem bekannt durch die „Mega Man“- und „Dead Rising“-Reihe, seinen damaligen Arbeitsgeber Capcom nach 23 Jahren, um „ein neues Leben zu beginnen“ und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Dieses beginnt nun offenbar mit einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne.

Dort konnte er nämlich nun nach nur fünf Tagen über 1,5 Millionen US-Dollar für sein nächstes Videospielprojekt mit dem Titel „Mighty No. 9“ sichern. Anhand erster Konzeptzeichnungen lässt sich die Ähnlichkeit von Mighty No. 9 und den „Mega Man“-Klassikern kaum bestreiten: Keiji Inafune hat unter der Flagge seiner im Dezember 2010 gegründeten Firma „Comcept“ eine Vielzahl an erfahrenen Mitarbeitern um sich geschart, um die „besten Aspekte der Klassiker der 8- und 16-bit Ära“ mit moderner Technik und „frischer (Spiel-)Mechanik“ neu aufleben zu lassen.

Mighty No. 9 Konzept
Mighty No. 9 Konzept

Der Spieler schlüpft in Mighty No. 9 in die Rolle von „Beck“, dem 9. Exemplar einer Reihe mächtiger Roboter, der als einziger nicht von einem mysteriösen Computervirus befallen wurde. Besagter Virus sorgt dafür, dass alle mechanischen Kreaturen der Spielwelt durchdrehen. In bester „Mega Man“-Manier setzt sich der Spieler im Sidescroller-Actionspiel mittels Waffen und Fähigkeiten, die von besiegten Gegnern gestohlen werden können, zur Wehr.

Freunde der beliebten „Mega Man“-Spielreihe mussten in der jüngeren Vergangenheit auf neue Titel verzichten, da Capcom im Verlauf der letzten drei Jahre allein vier Mega-Man-Spiele verschiedenster Genres einstellte. Neben den Online-Ablegern „Mega Man Universe“ und „Rockman Online“ befanden sich auch ein 3DS-Titel mit dem Titel „Mega Man Legends 3“ und ein Egoshooter namens „Maverick Hunter“ in Entwicklung. Letzterer sollte ein komplett neues Publikum für das Franchise erschließen, wurde jedoch in der Prototyp-Phase nach sechs Monaten Entwicklungszeit aufgrund von stark polarisierten Meinungen zum Spiel eingestellt. Wenige Monate später verkündete Inafune seinen Entschluss Capcom zu verlassen.

In der Vergangenheit äußerte Inafune sich des Öfteren kritisch über den Zustand der japanischen Videospiele-Industrie: 2009 behauptete er im Rahmen der Tokyo Games Show (TGS) Japans Spielindustrie „sei erledigt“. Auf der TGS 2010 wurde er noch mal deutlicher: „Ich schaue mich [...] um und jeder macht schreckliche Spiele; Japan liegt mindestens 5 Jahre zurück“. Gegenüber Edge erklärte Inafune nun, er wolle als Vorbildfunktion für japanische Entwicklerstudios dienen. Seiner Ansicht nach hätte sich die Lage im Laufe der letzten Jahre verschlimmert und er wolle anderen japanischen Studios mit seinem Kickstarter-Projekt zeigen, dass es Möglichkeiten abseits der bisherigen Vertriebsstrukturen gibt, ihre Spiele zu veröffentlichen.

Jordan Amaro, Designer von Metal Gear Solid V: The Phantom Pain, widersprach Inafune vehement. Gegenüber Gamespot machte Amaro klar, dass Inafunes Kommentare auf die Lage vor ein paar Jahren zutreffen würde, heute jedoch nicht mehr stimmten. Viele Firmen befänden sich auf dem Weg der Besserung und Investitionen in bessere Technologie und Entwicklungsprozesse würden sich „bald bezahlt machen“. Jedem sei bewusst, wie schmerzhaft die aktuelle Konsolengeneration für japanische Entwickler war, aber „die Renaissance stehe direkt bevor“, so Amaro. Amaro stimmte Inafune zu, dass die japanische Community bisher noch nicht verstehen würde, wie Kickstarter funktioniere und der Erfolg von Inafunes Kickstarter-Kampagne den Studios hoffentlich neue Wege aufzeigen wird.

Er persönlich würde „unter dem Mangel an Kreativität und Feinsinnigkeit“ der westlichen Triple-A-Titel der letzten Jahre „ersticken“. Amaro führt fort: „Viele [der AAA-Titel, Anm. d. Red.] seien zu Erfolgsrezepten [geworden], die stumpf auf alle Umgebungen des Game-Designs angewendet werden - mit wenig Rücksicht auf die eigentliche Spielerfahrung [...] - aber sie verkaufen Millionen, also wem sollte man Vorwürfe machen?“. Wie in jedem Zyklus gehe es jedoch irgendwann wieder bergauf und man habe diesen Punkt schon erreicht, so Amaro.

Entwickelt wird Mighty No. 9 primär für PC und voraussichtlich im Frühling 2015 über Steam und DRM-freie Alternativen digital vertrieben. Dank schon erreichter Etappenziele ist jedoch auch eine entsprechende Linux- und Mac-Version geplant. Aktuell unterstützen 28.100 Spender das Projekt mit 1.610.475 US-Dollar. Ab einer Finanzierungssumme von 2,2 Millionen US-Dollar stehen Konsolenversionen für PlayStation 3, Xbox 360 und Wii U auf dem Plan. Die Kampagne läuft noch 26 Tage.

Wir danken Andreas Schnäpp für das Einsenden dieser Meldung.