CES 2016

AMD Polaris: Next-Gen-Radeon mit 14-nm-FinFET kommt Mitte des Jahres

Wolfgang Andermahr
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AMD Polaris: Next-Gen-Radeon mit 14-nm-FinFET kommt Mitte des Jahres

Anfang Dezember letzten Jahres hat Raja Koduri, Chef der Radeon Technologies Group bei AMD, im amerikanischen Sonoma gegenüber ComputerBase und einigen anderen Journalisten die ersten Details über die neue Grafikkartengeneration des Jahres 2016 bekannt gegeben. Der Name: Polaris. Heute fällt die Schweigepflicht.

AMD Polaris

Der Polarstern (Polaris) ist der hellste Stern im Sternbild Kleiner Bär; AMD versteht darunter die neue Grafikkartengeneration des Jahres 2016. Nicht die GPU-Architektur trägt diesen Namen, sondern das Gesamtpaket bestehend aus Prozesstechnologie, Architektur und Funktionsumfang. Polaris soll mehr Änderungen umfassen, als irgendeine andere neue Generation seit der Einführung der Graphics-Core-Next-Architektur gegen Ende 2011. Sie ist mit minimalen Änderungen auch auf den aktuellsten Grafikkarten von AMD noch die Basis, wie zu Anfang kommt die 28-nm-Fertigung zum Einsatz.

AMD geht früh in die Offensive und nennt ein Datum

Genaue technische Details hat Koduri in den USA zwar nicht verraten. Dennoch ist es überraschend, dass der Hersteller bereits so früh Informationen über kommende Produkte an die Öffentlichkeit lässt. AMD geht gar noch weiter und nennt ein angepeiltes Veröffentlichungsdatum für die neuen Grafikkarten. Das aktuelle Ziel ist es, die ersten Produkte mit Polaris Mitte 2016 auszuliefern. Ob Notebook oder Desktop-PC mit einer kleinen oder einer großen GPU zuerst bedacht werden? Keine Angabe. Bekannt ist hingegen in Teilen der Fertigungsprozess.

FinFET-Fertigung mit bis zu 14 nm

Dass es dieses Jahr zwei neue GPUs von AMD geben wird, hatte der Konzern bereits angekündigt. Für beide hat Koduri nun bestätigt, dass sie auf die FinFET-Fertigung und die kleinere der beiden auf eine Strukturbreite von nur 14 nm bei Globalfoundries setzen wird. 20 nm werden, wie in der Vergangenheit wiederholt kolportiert, übersprungen. Mit Informationen zur größeren hielt sich der der Chef der Radeon Technologies Group dagegen bedeckt und sprach lediglich davon, dass man mit beiden Auftragsfertigern (Globalfoundries und TSMC) zusammenarbeitet.

Diese Aussage und ein Interview mit AMDs Joe Macri legen die Vermutung nahe, dass die große Polaris-GPU bei TSMC in 16-nm-FinFET gefertigt wird. Spekuliert werden darf ebenfalls, dass die High-End-GPU nicht den schnellsten 16-FF+- sondern nur den 16-FF-Prozess benutzt. Zumindest sprach Macri davon, dass 16 FF+ nicht unbedingt die beste Wahl sein müsste. Denn der potentiell höhere Takt würde durch deutlich gesteigerte Leckströme erkauft werden. Dies sind aber, wie bereits erwähnt, nur Spekulationen.

FinFET ist wie Weihnachten für Chipdesigner

Die FinFET-Prozesse bezeichnet Macri als Weihnachten für einen Chipdesigner. Seit Ende 2011 gibt es 28 nm für Grafikkarten und seitdem hat sich nichts getan. Der Prozess sei daher mittlerweile völlig am oder auch schon über dem Limit. Die Leckströme seien sehr hoch und das, obwohl Ingenieure einen Flicken nach dem anderen auftragen, um die Problemzonen zu reduzieren. FinFET soll es dagegen ermöglichen, dass selbst die langsamsten Transistoren schneller schalten können als die schnellsten der planaren 28-nm-Fertigung und dabei dennoch massiv weniger Leckströme aufweisen. Oder alternativ die schnellsten FinFET-Transistoren massiv schneller schalten können als die schnellsten 28-nm-Pendants und dennoch weniger Leckströme aufweisen.

Darüber hinaus sollen die FinFET-Prozesse weniger mit einer großen Variation zwischen den einzelnen Transistoren zu kämpfen haben. Bei 28 nm gibt es einige Transistoren innerhalb des Prozesses, die von der Norm abweichen und zum Beispiel deutlich größere Leckströme aufweisen und dennoch eine geringere Geschwindigkeit haben. Bei FinFET sollen dies deutlich seltener auftreten und wenn, sollen die Abweichungen kleiner ausfallen.

In der Kurzfassung: FinFET ermöglicht es laut AMD, die Leistung von GPUs deutlich zu steigern und trotzdem gleichzeitig den Energiebedarf zu reduzieren. Der Hersteller spricht von einer "Performance-pro-Watt-Innovation".

Die 4. Generation Graphics Core Next

Polaris besteht nicht nur aus einer neuen Fertigung, auch die Architektur wurde überarbeitet. Es bleibt allerdings bei der im Jahr 2011 eingeführten Graphics Core Next, dann allerdings in der 4. Generation. Tonga (Radeon R9 380, Radeon R9 380X) und Fiji (Radeon R9 Fury (X), Radeon R9 Nano) setzen zurzeit auf die 3. Generation (GCN 1.2). Koduri spricht von großen Änderungen, die ebenfalls zum Ziel haben, das Performance-pro-Watt-Verhältnis massiv zu verbessern.

AMD Polaris mit 4th Gen GCN-Architektur
AMD Polaris mit 4th Gen GCN-Architektur

Auch die Compute Units will AMD weiter optimiert haben. Es soll massive Verbesserungen beim Primitive Discard Accelerator (Verwerfung von geometrischen Formen), dem Hardware Scheduler, dem Instruction Pre-Fetch, der Shader-Effizienz und der Speicherkompression geben. Darüber hinaus sollen der Command Processor (Verteilung der Grafikberechnungen an die CUs) und der Geometry Processor (zuständig für die Tessellation-Leistung), der L2-Cache und der Speichercontroller überarbeitet worden sein.

HDMI 2.0a und DisplayPort 1.3 werden unterstützt

Nicht für die Geschwindigkeit zuständig, aber ebenso neu, sind die Multimedia Cores und die Display Engine. Letztere bedeutet, dass die Grafikkarten HDMI 2.0a und den neuen DisplayPort-Standard 1.3 unterstützen werden. Zudem ist die Darstellung von High Dynamic Range auf Ultra-HD-Bildschirmen mit bis zu 60 Hz oder alternativ Ultra HD mit 120 Hz aber ohne HDR möglich. Die Multimediaeinheiten unterstützen das Decodieren des H.265-Codecs mit dem Main10-Profil bis hinauf zu 4K. Ebenso wird das Encodieren von 4K-Inhalten mit dem H.265-Codec bei 60 FPS ermöglicht.

Das Ziel: Eine massiv bessere Energieeffizienz

AMD spricht bereits seit einigen Monaten von einer doppelten Energieeffizienz bei den GPUs des 2016er-Jahrgangs. Allerdings spezifiziert der Hersteller nicht, auf welche Modelle sich das genau bezieht. In Sonoma gab es dieselben unspezifischen Aussagen erneut zu hören, der Hersteller teilte allenfalls mit: Je nach verwendeter GPU und Konfiguration kann das Performance-Pro-Watt-Verhältnis durchaus auch noch besser ausfallen. Es soll sich um den größten Sprung des Performance-Pro-Watt-Verhältnisses bei GPUs in der Geschichte des Unternehmens handeln – ATi eingeschlossen.

Neben der FinFET-Fertigung sollen laut AMD auch große Verbesserungen in der GPU-Architektur dafür zuständig sein. Und das nicht ohne Grund: Raja Koduri hat in einem Gespräch zugegeben, dass Polaris die erste GPU-Architektur ist, bei der AMD explizit auf eine verbesserte Energieeffizienz geachtet hat. Bei den vorherigen Designs wollte man eher nur einen gewissen Maximalwert nicht überschreiten, mehr Optimierungen gab es dann nicht beziehungsweise kaum noch.

Koduri hat sich ebenfalls zu der Frage geäußert, inwiefern die Fertigung oder die bessere Architektur für die gesteigerte Energieeffizienz zuständig ist. Dies sei vom Einsatzszenario abhängig. Ist die GPU zum Beispiel nicht komplett ausgelastet, wie es in Spielen des Öfteren der Fall ist, läge das Verhältnis bei rund 50:50. Ist die GPU dagegen komplett ausgelastet (wie bei fordernden GPU-Computing-Berechnungen), würde die Fertigung eine deutlich größere Rolle spielen.

Aufgrund der besseren Energieeffizienz zielt AMD nicht mehr (quasi) nur auf den Desktop-Markt, sondern auch auf Notebooks ab. Die kleine Polaris-GPU soll eine Spieleleistung auf dem Niveau der aktuellen Konsolen ermöglichen. 1.920 x 1.080 bei 60 FPS sind (bei angepassten Details) als Ziel genannt. Ob Polaris zuerst für das Notebook oder den Desktop-PC erscheint, bleibt zur Zeit noch unbeantwortet. Beide Varianten sollen aber kurz hintereinander erscheinen.

Eine Polaris-Grafikkarte im Einsatz

In Sonoma hatte AMD nicht nur Folien und Worte zu bieten. Raja Koduri hat auch die kleinere der beiden dieses Jahr erscheinenden Polaris-GPUs gezeigt – Fotos waren im kleinen Kreis aber nicht erlaubt.

Das eigentliche Highlight war allerdings ein lauffähiges System mit Polaris-GPU. Diese sei vor weniger als zwei Monaten von Globalfoundries zurückgekommen, funktioniere aber bereits gut. Das spezielle Modell sei zwar für den Testeinsatz in einem Notebook gedacht. Da es sich jedoch um ein sehr frühes Exemplar handelt, war dieses genau wie eine Desktop-Grafikkarte aufgebaut und würde sich so auch verhalten.

Erste Benchmarks mit Fokus auf Energieeffizienz

Einen ersten Vergleich gab es auch: So musste die Polaris-GPU Star Wars: Battlefront in der Full-HD-Auflösung und dem Medium-Grafikpreset darstellen. In den gezeigten Szenen lagen durchweg 60 FPS an. Einen Gegenspieler gab es auch: Die GeForce GTX 950 von Nvidia, die bei denselben Einstellungen ebenso durchweg 60 FPS erzielt hat. Ein gewolltes Szenario: Bei dem Vergleich ging es nicht um die Performance, sondern um die Energieeffizienz.

AMD Polaris soll Energieeffizienz deutlich verbessern
AMD Polaris soll Energieeffizienz deutlich verbessern

Der – ansonsten baugleiche – Rechner mit der Polaris-Grafikkarte kam dabei auf Werte zwischen etwa 85 und 90 Watt, während der Rechner mit der GeForce GTX 950 auf 140 bis 150 Watt gekommen ist. AMD sieht die eigenen Aussagen zur Energieeffizienz bestätigt. Hier gilt aber wie immer: Das ist eine Herstelleraussage, die mit großer Vorsicht zu genießen ist. Entsprechend ist nicht ausgeschlossen, das es sich um ein Best-Case-Szenario handelt. Zumal unklar ist, welche GeForce GTX 950 überhaupt verwendet wurde.

Laut AMD soll dies aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Das gezeigte Exemplar soll auf die Werte nur durch die reinen Prozess- und die Architekturverbesserungen gekommen sein. Energiesparmechanismen wie Power Gating oder variierende Taktraten und Spannungen waren noch nicht aktiviert, sodass die finale GPU theoretisch noch genügsamer ist.

Wer nun denkt, dass die AMD-Hardware durch HBM einen zusätzlichen Vorteil bei der Leistungsaufnahme erhält, der liegt falsch. Denn die kleine Polaris-GPU kommt mit GDDR5-Speicher daher. HBM bleibt den größeren Modellen beziehungsweise wahrscheinlich nur deren Umsetzung auf einem Flaggschiff vorbehalten.

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