Autopilot-Update: Tesla stellt mit 8.0 auf Radar und Schwarmintelligenz um

Nicolas La Rocco
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Autopilot-Update: Tesla stellt mit 8.0 auf Radar und Schwarmintelligenz um
Bild: Tesla

Tesla baut sein als Autopilot vermarktetes Fahrassistenzsystem mit einem Software-Update auf Version 8 gehörig um. Künftig ist das Radar die primäre Quelle für Bildinformationen, außerdem geht Tesla restriktiver bei der Hands-On-Detektion vor. Vieles, was Tesla in den Release Notes erklärt, klingt dennoch abenteuerlich.

Die Kamera rückt ins zweite Glied

Seit Oktober 2014 ist ein Radar in allen Tesla als Teil des Autopilot-Hardware-Pakets verbaut, erklärt das Unternehmen. Ursprünglich nur als ergänzender Sensor der Primärkamera und des Bildverarbeitungssystems vorgesehen, soll das Radar mit dem Software-Update auf Version 8 zum primären Kontrollsensor gemacht werden, ohne dass die Kamera die erfassten Bildinformationen bestätigen muss. Diese Umstellung sei laut Tesla nach reiflicher Überlegung erfolgt.

Die Umstellung sei nicht unerheblich, erklärt Tesla, weil Radar zwar Vorteile wie das Durchblicken von Nebel, Staub, Regen und Schnee beherrsche, aber auch Probleme mitbringe. Für das Radar könnten Personen halbdurchsichtig erscheinen, auch Gegenstände aus Holz oder bemaltes Plastik seien für das Radar so transparent wie Glas. Ebenso würden konkave oder konvexe Metalloberflächen Probleme bereiten: Eine auf der Straße liegende Getränkedose mit Unterseite zum Radar gerichtet könnte als Objekt in vielfacher Größe und somit als Gefahr erkannt werden und zu einer ungewollten Vollbremsung führen.

Mehr Rechenleistung mit gleicher Hardware

Das größte Problem bei der Nutzung des Radars seien Fehlalarme. Unnötige Bremsmanöver seien auf lange Sicht nicht nur lästig, sondern könnten auch zu Verletzungen führen. Tesla geht das Problem mit der Freischaltung von mehr Hardware-Ressourcen an. Software 8.0 erlaube mit der gleichen Hardware die Erstellung einer Punktwolke mit sechsmal so vielen Radarobjekten. Diese jede Zehntelsekunde erstellten Radaraufnahmen werden zu einem 3D-Bild zusammengesetzt und untereinander verglichen um festzustellen, ob es sich um feststehende oder bewegende Objekte handelt. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs und der voraussichtliche Fahrweg fließen in die Berechnung ein, um die Wahrscheinlichkeit einer Kollision zu beurteilen.

Die Schwarmintelligenz wird es richten

Ein Szenario könne Tesla jedoch nicht im Fahrzeug selbst lösen, heißt es auf dem Blog des Konzerns. Fährt das Automobil auf ein die Fahrbahn überquerendes Autobahnschild zu, das entweder auf einer Steigung liegt oder an einer Stelle aufgebaut ist, an der die Fahrbahn mit einem Gefälle darunter verläuft, sei dies für das Radar ein Kollisionskurs. Navigations- und GPS-Höhendaten seien für eine Unterscheidung nicht ausreichend. Hier soll die Tesla-Schwarmintelligenz aller Fahrzeuge helfen, indem Straßenschilder, Brücken und andere feststehende Objekte aufgezeichnet und für eine Radarkarte gesammelt werden. Unnötig gebremst werden soll in solchen Situationen jedoch nicht, stattdessen vergleicht der Computer die Aktion des Fahrers mit dem, was er selbst in dieser Situation entschieden hätte und sendet diese Informationen an die Tesla-Datenbank. Fahren genügend Fahrzeuge – mit oder ohne Autopilot – sicher an solchen Objekten vorbei, werden die Objekte auf eine weiße Liste mit Geodaten gesetzt.

Unfälle können noch nicht vermieden werden

Ergeben die gesammelten Daten, dass bewusst in diesen Situationen entweder vom Fahrer gebremst wurde oder der Autopilot gebremst hätte, führt das Fahrzeug auf Basis der Radarinformationen an den aufgezeichneten Geodaten zunächst eine leichte Bremsung durch, auch wenn die normale Kamera das Objekt nicht erkennt. Bei einer Kollisionswahrscheinlichkeit von ungefähr 99,99 Prozent soll eine automatisierte Vollbremsung ausgelöst werden. Das könne Unfälle zwar nicht immer vermeiden, so Tesla, aber die Aufprallgeschwindigkeit würde sich dramatisch reduzieren, sodass schwere Verletzungen der Insassen weniger wahrscheinlich seien.

Tesla Model S
Tesla Model S (Bild: Tesla)

Keine Kollisionen mit UFOs

Das Endergebnis soll laut Tesla sein, dass Fahrzeuge des Unternehmens fast immer korrekt bremsen werden, selbst dann, wenn ein UFO bei Null-Sicht-Bedingungen auf der Autobahn landen würde. Teslas Radarstrahlung könne außerdem unter vorherfahrenden Fahrzeugen abprallen und aus einer entsprechenden Berechnung auf der Straße davor liegende Objekte erkennen. „Im dichten Nebel würde zwar das vorherfahrende Fahrzeug das UFO treffen, aber nicht der Tesla“, sagt der Hersteller.

Weitere Veränderungen in den Release Notes

Neben der großen Umstellung auf Radar stecken in dem Software-Update weitere Veränderungen, die als Release Notes am Ende des Blogs aufgeführt werden. In den USA können Tesla-Fahrzeuge bei eingeschaltetem Blinker fortan selbständig Autobahnausfahrten nehmen. Ab Version 8.1 soll dies bei aktiviertem Navigationssystem sogar autonom möglich sein. Warnhinweise sollen im Kombiinstrument nun viel deutlicher sichtbar sein, unter anderem durch einen weiß blinkenden Rahmen rund um das Kombiinstrument. Bei der Hands-On-Detektion des Lenkrads geht Tesla restriktiver vor. Reagiert der Fahrer auf mehrfaches Warnen nicht, kann die Lenkhilfe erst nach dem Parken wieder aktiviert werden. Für Europa hat Tesla die Wahrscheinlichkeit des Rechtsüberholens reduziert. Zudem seien 200 kleinere Verbesserungen in das Update geflossen, die es aber „nicht wert sind, einzeln aufgeführt zu werden“, so Tesla.

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