Crimson ReLive im Test: AMDs Treiber wird schneller, chillt und streamt

Wolfgang Andermahr
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Crimson ReLive im Test: AMDs Treiber wird schneller, chillt und streamt
Bild: AMD

Crimson ReLive ist die 3. Stufe

AMD hat versprochen, die Treiber für Grafikkarten im jährlichen Rhythmus deutlich zu verbessern. Angefangen hat die vor zwei Jahren in der Tat dringend notwendige Offensive mit dem Catalyst Omega, Ende 2015 folgte mit der „Radeon Software Crimson Edition“ die zweite Ausbaustufe. Jetzt folgt Stufe 3.

Aus Crimson wird Crimson ReLive

Anders als angekündigt, wird die Bezeichnung Crimson (Purpur) jedoch keinem anderen Rotton weichen müssen; Crimson hat sich als Marke zu stark etabliert. Stattdessen wird die Bezeichnung erweitert. Die neuen Treiber hören vorerst auf die Bezeichnung „Radeon Software Crimson ReLive“ – im weiteren Verlauf des Tests als Crimson ReLive bezeichnet.

GeForce Experience bekommt Konkurrenz

AMD hat ComputerBase vorab eine frühe Version des Crimson ReLive 16.12.1 bereitgestellt. Der Treiber soll zahlreiche Verbesserungen wie eine höhere Performance, neue FreeSync-Features, erweiterte Videofunktionen und die Unterstützung von HDR mit sich bringen. Aber es gibt auch zwei vollständig neue Funktionen: „Chill“ und „ReLive“.

ReLive ist AMDs eigene Screenshot-, Video- sowie Streaming-Funktion – und damit ein Gegenspieler zu Nvidias ShadowPlay im GeForce-Experience-Tool. Chill wiederum soll die maximalen FPS an die aktuell auf dem Bildschirm dargestellten Bewegungsabläufe anpassen und so Strom sparen.

ComputerBase hat sich auf den folgenden Seiten genauer mit dem Crimson ReLive 16.12.1 beschäftigt und dabei einen Blick auf die erweiterten sowie die neuen Funktionen und die Performance geworfen.

Die neuen Funktionen in Crimson ReLive

Vollständig neu in Crimson ReLive sind die Funktionen Chill und das namensgebende ReLive. ComputerBase hat beide ausführlich getestet.

Radeon Chill reduziert FPS in ruhigen Szenen

Bei Chill handelt es sich um die im Treiber integrierte Technologie des aufgekauften Unternehmens HiAlgo. Das Ziel von Chill ist es, die Leistungsaufnahme der Grafikkarte zu senken, ohne das Spielerlebnis negativ zu beeinflussen.

Chill entscheidet je nach Bewegung, wie viel FPS nötig sind

Dafür analysiert Chill in Echtzeit den aktuellen und die letzten dargestellten Frames. Stellt der Algorithmus nur eine geringe Bewegung fest, senkt Chill die maximale Framerate und so die Rechenlast. Dadurch sinken auch die Leistungsaufnahme, die Temperaturen und damit auch die Lautstärke. Stellt Chill viele Bewegungen in den Frames fest, erhöht der Algorithmus die Anzahl der Bilder pro Sekunde bis hin zum maximal möglichen Wert.

Chill lässt sich in WattMan an- und abschalten. Standardmäßig ist das Feature deaktiviert. Ist es angeschaltet, lässt sich Chill auch aus dem Spiel heraus per veränderbarem Hotkey aktivieren und deaktivieren. Darüber hinaus lassen sich für jedes Spiel die minimale und die maximale Framerate im jeweiligen Spieleprofil im Treiber festlegen. Beide Einstellmöglichkeiten erlauben Frameraten zwischen 30 FPS und 144 FPS. AMD hat für jedes unterstützte Spiel Profile hinterlegt, empfiehlt aber dennoch, die Frame-Bereiche nach den eigenen Ansprüchen und der eigenen Hardware anzupassen.

Chill funktioniert nur per Whitelist und nicht in DirectX 12 und Vulkan

Chill hat derzeit aber noch mit vielen Einschränkungen zu kämpfen, so funktioniert der automatische Framelimiter vorerst nur in 18 Spielen. Denn laut AMD benötigt der Treiber umfangreiche Anpassungen für jede Engine, da es sonst zu großen Problemen kommen kann. AMD hat als Ziel, irgendwann ohne Whitelisting auszukommen. Einen Termin dafür nennt der Hersteller nicht. Darüber hinaus funktioniert Chill aktuell nur in DirectX-9-, DirectX-10- sowie DirectX-11-Spielen. In Zukunft sollen auch DirectX-12- und Vulkan-Titel lauffähig sein.

Chill funktioniert, aber nicht immer

In der Praxis ist Chill ein zweischneidiges Schwert. Schnell wird klar: Wer die höchste Framerate und ein durchweg flüssiges Bild haben möchte, sollte Chill gleich abgeschaltet lassen. Denn auch wenn die Erkennung der benötigten Framerate ziemlich gut funktioniert, optimal geht der Wechsel nicht über die Bühne.

Die eigentliche Basis ist der Input des Spielers

Als Testspiele für Chill mussten Deus Ex: Mankind Divided sowie Rise of the Tomb Raider herhalten. In beiden Spielen reagiert die Technologie identisch. Bewegt man sich im Spiel nicht, fällt die Framerate auf das untere konfigurierte Limit – 40 FPS ist der Standard. Dabei ist es egal, ob sich die Umgebung bewegt, allein die Bewegung des Spieler zählt. Offenbar analysiert Chill nicht wirklich die Gesamtszene, sondern ausschließlich den Steuerungs-Input. Aber das führt zu Problemen.

Im Alltag stockt es manchmal

Das verdeutlicht sich in einer Szene aus Rise of the Tomb Raider. Lara rutscht an einem aufgespannten Seil einen Abhang hinab. Es gibt keinen Steuerungs-Input, aber viel Bewegung im Bild. Die bekommt Chill offenbar jedoch nicht mit und belässt es entsprechend bei 40 FPS. 40 Bilder pro Sekunde ruckeln jedoch sichtbar in der Szene. Ein weiterer Problemfall für Chill sind sehr geringe Mausbewegungen. Wenn man auf einem Fleck steht und langsam die Maus bewegt, erhöht Chill die Framerate nur minimal. Und das reicht nicht immer für ein flüssiges Bild aus.

Im eigentlichen Spielgeschehen funktioniert Chill in beiden Spielen dagegen gut. Der Mechanismus erhöht in Bewegung die Framerate deutlich auf 50 bis 60 FPS. Das ist flüssig, wenn auch nicht genauso flüssig wie die eigentlich möglichen 60 bis 80 FPS – aber das entspricht der Natur der Sache und kann vom Spieler ja auch angepasst werden.

FreeSync ist der perfekte Partner für Chill

Wer Chill ausprobieren möchte, kann das Problem der zu geringen Framerate einfach lösen, indem die minimal erlaubte Framerate auf rund 45 bis 50 FPS erhöht wird. Damit fällt zwar der Nutzen von Chill geringer aus, allerdings kommt dies dem Spielgefühl stark zugute. Quasi das perfekte Nebenprodukt zu Chill ist FreeSync. Denn mit einem entsprechenden Monitor können die zu geringen Frameraten gut abgefangen werden – auch hier spürt man dann, dass es etwas schneller sein könnte. Ruckeln kann mit den variablen Refresh-Raten aber verhindert werden.

Die Vorteile von Chill schwanken von Spiel zu Spiel

Da Chill die GPU-Auslastung reduziert, reduzieren sich auch die Leistungsaufnahme, die Temperaturen und die Lautstärke. Der tatsächliche Nutzen hängt aber von diversen Faktoren ab: eingesetzte Grafikkarte, eingestellte Framerate, dem Spiel und selbst der Spielweise. Auf Messwerte verzichtet ComputerBase deshalb absichtlich.

Fazit: Chill ist durchaus eine Option

Chill ist ein intelligenter Framelimiter, der nicht nur eine obere, sondern auch eine anpassbare untere Grenze hat. Wer bis jetzt einen Framelimiter genutzt hat, kann diesen durch Chill ersetzen – potenziell bietet AMDs Lösung deutliche Vorteile. Wer bis jetzt bewusst ohne Limiter gespielt hat oder immer das mit der eigenen Hardware maximal mögliche Spielgefühl haben möchte, sollte Chill abgeschaltet lassen.

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