Bundesanwaltschaft ermittelt doch wegen NSA-Spionage

Update Andreas Frischholz
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Dass die Bundesanwaltschaft kein offizielles Ermittlungsverfahren wegen der NSA-Überwachung einleiten will, sorgte am Wochenende für massive Kritik, die nach Informationen des Rechercheverbunds von Süddeutsche Zeitung (SZ), NDR und WDR zu einem Kurswechsel geführt hat.

Zumindest wegen des abgehörten Handys von Kanzlerin Angela Merkel soll nun doch ermittelt werden. Sobald das Verfahren offiziell eingeleitet wurde, will die Bundesanwaltschaft dem Bericht nach zunächst Zeugen vernehmen und Behörden nach Erkenntnissen befragen. Vorerst beschränken sich die Ermittlungen aber auf das abgehörte Handy von Kanzlerin Merkel.

Derweil wird die massenhafte Überwachung von deutschen Kommunikationsdaten weiterhin als „offener Prüfvorgang“ behandelt. Allerdings hoffen die Ermittler laut dem Bericht der SZ, im Rahmen der Ermittlungen wegen der Handy-Spionage an Informationen zu gelangen, die auch die Überwachung deutscher Kommunikationsdaten betreffen.

Dass Generalbundesanwalt Harald Range nun doch ein Ermittlungsverfahren einleiten will, soll neben der öffentlichen Empörung auch mit Zusagen der Bundesregierung zusammenhängen. Diese habe signalisiert, die Bundesanwaltschaft bei Rechtshilfegesuchen an US-Behörden zu unterstützen. Antworten sollen notfalls sogar mit diplomatischem Nachdruck eingefordert werden.

Zuvor hatten SZ, NDR und WDR berichtet, dass weder die Handy-Spionage gegen Kanzlerin Merkel noch die massenhafte Überwachung von deutschen Kommunikationsdaten in einem offiziellen Verfahren untersucht werde. Begründet wurde dieser Schritt mit der mangelnden Unterstützung seitens der Politik und den äußerst geringen Erfolgsaussichten. Letztlich wäre „Spionage durch eine befreundete Macht“ juristisch nicht nachweisbar, sodass der Fall nicht lösbar sei, lautet das Fazit in Vermerken der Bundesanwaltschaft, die der SZ vorliegen.

Angesichts dieser Ausgangslage hätten Ermittlungen gegen die NSA und das britische GCHQ lediglich „Symbolcharakter“. Ob sich das durch Zusagen der Bundesregierung ändert, bleibt allerdings abzuwarten. Bis dato zeigte sich die US-Administration wenig beeindruckt von den Anfragen deutscher Regierungsvertreter.

Update

Mittlerweile hat die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass ein offizielles Verfahren wegen „der möglichen Ausspähung eines Mobiltelefons der Bundeskanzlerin“ und „des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit“ eingeleitet wurde. Generalbundesanwalt Range hat heute Nachmittag den Rechtsausschuss des Bundestags über den Stand der Ermittlungen informiert.

Weiter beobachtet wird die massenhafte Überwachung deutscher Kommunikationsdaten durch die NSA und den GCHQ. Offizielle Ermittlungen könnten nicht eingeleitet werden, weil „bislang keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für konkrete strafbare Handlungen oder strafrechtlich greifbare Sachverhalte“ vorliegen würden. Der Prüfvorgang in den letzten Monaten habe „keine Erkenntnisse darüber erbracht, ob und wie britische oder US-amerikanische Nachrichtendienste in Deutschland auf den Telekommunikations- oder Internetverkehr zugreifen oder gezielt bestimmte Personengruppen mit elektronischen Mitteln ausspähen“.

Hans-Christian Ströbele, Grünen-Abgeordneter im Rechtsausschuss, kritisiert dieses Vorgehen. „Das Hauptdelikt, das hier zur Diskussion steht, ist die massenhafte Ausspähung“, sagte Ströbele der Tagesschau. Deswegen müsse es auch ein offizielles Ermittlungsverfahren geben.

Immerhin: Um künftig auf solche Fälle besser vorbereitet zu sein, will Generalbundesanwalt Range die Verfolgung von „Cyberspionage“ intensivieren. Er kündigte an, dass seine Behörde ein neues Ermittlungsreferat erhalte, das sich direkt mit der Cyberspionage durch fremde Geheimdienste befasst.