Das X-Window-System wird 30 Jahre alt

Ferdinand Thommes
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Die X-Org-Foundation feiert den 30. Geburtstag des X-Window-System, das damit älter als Linux, Windows und das World Wide Web ist. Am 19. Juni 1984 verkündete Robert W. Scheifler vom MIT die Geburt des neuen Grafikstacks, der bis heute auf grafischen Linux-Desktops unverzichtbar ist.

Scheifler kündigte das neue System 1984 in einer E-Mail an und erklärte, er habe einigen Code von W verwendet. Das W-Window-System war der Vorgänger von X und wurde an der Stanford-Universität ursprünglich für das V-Betriebssystem entwickelt. Damit ist X eines der ältesten noch verwendeten Stücke freier Software. Bei seiner Geburt waren Begriffe wie Open Source noch nicht sehr gebräuchlich und Nvidia als die Firma, die der Welt den Begriff „Graphics Processing Unit“ (GPU) näherbrachte, noch nicht gegründet.

Die Aufgabe von X ist die Steuerung von Ein- und Ausgabegeräten, wie unter anderem von Maus und Tastatur sowie von Bildschirm und Grafikkarte. Dazu bedient sich X des Client-Server-Modells, wobei der oder die Clients auf entfernten Rechnern laufen können, meist jedoch auf derselben Maschine laufen.

In den 90er Jahren war XFree86 die gängige Implementation des X-Server. Nach der Jahrtausendwende führten interne Querelen, stagnierende Entwicklung und Lizenzprobleme zur Auflösung des Teams und der heute gebräuchliche X.Org-Server, auch als X11 bezeichnet, übernahm unter der Federführung der X.Org-Foundation die Rolle von XFree86.

Die Langlebigkeit des X-Window-Systems und seiner Implementationen kann aber nicht über die Probleme hinwegtäuschen, die der Quellcode in sich trägt. Er besteht heute aus einem Flickwerk von über die Jahrzehnte applizierten Patches und wird nach Meinung vieler Experten nur noch von Spucke zusammen gehalten. So tauchen denn auch regelmäßig ernstzunehmende Sicherheitslücken auf, die teilweise seit über 20 Jahren unentdeckt blieben, wie diese kürzlich entdeckte Lücke im Font-Server, die seit Erscheinen von X11R5 im September 1991 bestand.

Seit 2008 befindet sich Wayland in der Entwicklung, dass das veraltete X-Window-System ablösen soll. Entwickler Kristian Høgsberg, der für Intels Open Source Technology Center (OSTC) arbeitet, erklärte als Ziel für Wayland: „Jeder Frame ist perfekt, und damit meine ich, dass alle Applikationen in der Lage sein werden, das Rendering so zu kontrollieren, dass wir niemals Tearing, instabile Bildwiederholfrequenzen, Redraw-Artefakte oder Flimmern sehen werden.

Bis allerdings alle Distributionen auf Wayland umgestiegen sind, wird das X-Window-System vermutlich noch weitere zehn Jahre für bunte Bilder unter Linux sorgen.