Kommentar: Das Internet der Dinge ist ein Energieverschwender

Jan-Frederik Timm
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Jan-Frederik Timm

Endlich bringt es jemand öffentlichkeitswirksam auf den Punkt. Die internationale Energieagentur IEA warnt in einer Studie (PDF) vor den energetischen Folgen der totalen Vernetzung, dem Internet der Dinge. Das nimmt zwar gerade erst an Fahrt auf, die Probleme bestehen aber schon heute.

Die IEA schätzt, dass vernetzte Endgeräte weltweit im Jahr 2025 1.140 Terawattstunden Energie aufnehmen werden – im „ausgeschalteten“ Zustand, wohlgemerkt. Das entspricht der zwölffachen Energie, die der Atomreaktor Isar/Ohu 2 jährlich erzeugen würde, könnte er rund um die Uhr unter Vollast laufen. Deutschland und Kanada zusammen verbrauchen weniger Strom pro Jahr.

Das Problem, so die IEA: Der Standby-Modus per WLAN vernetzter Geräte ist in der Regel eine Fehlbezeichnung. Die meisten nehmen im Wartemodus genau so viel oder kaum weniger Energie auf als im Betrieb. Und das stimmt.

Wer die Möglichkeiten der vernetzten Welt in den eigenen vier Wänden nutzen möchte, erlebt auch heute schon sein blaues Wunder. Nicht nur der immer eingeschaltete WLAN-Router verbraucht ohne verbundene Geräte mehr als zehn Watt. Auch Endgeräte, die vermeintlich im Standby verharren, ziehen weiterhin Energie. Beim Entertain-Receiver der Deutschen Telekom sind es 11 Watt, bei einem einzigen drahtlosen Lautsprecher Sonos Play:3 sind es 4 Watt.

Ein System aus WLAN-Router, Bridge, drei Lautsprechern und dem Fernseher samt Receiver verbraucht so schnell 50 Watt. Immer – auch wenn kein Smartphone darauf zugreift. Das sind 438 Kilowattstunden oder knapp 110 Euro Stromkosten pro Jahr für die Bereitschaft. Die vernetzte weiße Ware, die Beleuchtung oder die Jalousien kommen da in Zukunft noch drauf.

Das Problem für den Kunden: Das Gerät auszuschalten ist in der Regel keine Alternative, denn das Hochfahren kostet Zeit – oft Minuten. Das muss sich ändern. Aus ökologischer und ökonomischer Sicht.

Energie wird teurer, weltweit. Die Anzahl der Kunden, die darauf achtet, nimmt stetig zu. Die Industrie muss aus eigenem Interesse daran arbeiten, auch per WLAN vernetzte Geräte in einen echten Standby-Modus zu schicken, ohne dass der Anwender Einschnitte bei der Nutzung hinnehmen muss. Das wäre eine echte Innovation hinter dem Internet der Dinge.

Ich liebäugle seit Monaten mit der Anschaffung einer per WLAN vernetzten Musikanlage. Der tatsächliche Standby-Verbrauch aller am Markt verfügbaren Lösungen hat mich bisher davon abgehalten.

Hinweis: Der Inhalt dieses Kommentars gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Diese Meinung wird nicht notwendigerweise von der gesamten Redaktion geteilt.

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    … will als Diplom-Ingenieur Technik nicht nur nutzen, sondern verstehen. Auf die Ohren gibt es ihn wöchentlich in CB-Funk.

Ergänzungen aus der Community

  • Chief_Rocker 08.07.2014 15:42
    Hab die komplette TV Anlage samt Reciever, AV-Anlage und was halt so alle dazu gehört an einer per Funk abschaltbaren Steckdose.
    Einfacher gehts dann wirklich nicht mehr und dann ist "Aus" auch wirklich Aus. Aber der Router läuft rund um die Uhr, auch wenn er nicht gebraucht wird.

    Warum da keiner auf ne Lösung hinarbeitet weis ich auch nicht.
    Im Gegenteil, das scheint bei allen Herstellern, egal welcher Produktkategorie, nicht im Lastenheft zu stehn.
    Mal ein paar Beispiele:
    - Reciever neuer Bauart brauchen aus dem Power-Off mode Minuten zum Hochfahren, die am Tag davor geladenen EPG Daten sind dann trotzdem weg, müssen wieder neu geladen
    - Wlan Router funken ständig und immer auf voller Leistung. Warum gibts da nicht ne Lösung die das Gerät "anpingt" oder wie auch immer und erst dann wird die Leistung hochgefahren?
    - Die neuen Waschmaschinen von Samsung haben nach dem Einschalten wenn der Strom weg war ne Bootzeit von fast 40 sek. Wenn sie im Standby waren gehts in 5. Also wer wird da austecken / abschalten?

    Aber man selber ist ja auch nicht unschudlig.
    Hand aufs Herz, wer zieht das Ladekabel vom Smartphone aus der Steckdose wenns fertig geladen ist?
  • Megatron 08.07.2014 18:00
    Das Problem ist ja nicht unbedingt der Router der pro Haushalt in der Regel nur einmal vorhanden ist, sondern die vielen weiteren Geräte in einen Haushalt die immer öfter mit Wlan ausgestattet werden. Wer z.B. einen IP Telefonanschluß hat der kann den Router gar nicht komplett abschalten wenn er weiterhin telefonisch erreichbar sein will, aber zumindest kann er die Wlan Funktion in der Nacht deaktivieren.

    Was die anderen Geräte betrifft, besonders Unterhaltungselektronik, ist es doch absolut unnötig wenn im Standbymodus Wlan weiterhin aktiv ist. Zuerst hat man den Standbyverbrauch der Geräte unter ein Watt gedrückt und jetzt wird das durch die Wlan Funktion ausgehebelt. Aus welchen Grund braucht ein Gerät das sich im Standby befindet eine dauernd aktives Wlan. Für automatische Firmwareupdates reicht es doch auch wenn das Wlan nur für diese Zeit aktiviert wird.

    Hier sind in erster Linie die Hersteller gefordert die Wlan Funktion so sparsam wie möglich einzusetzen und standartmäßig sollte Wlan von Haus aus nicht aktiv sein (auch im Betrieb), sondern nur wenn der Kunde es aktiviert weil er es braucht.
  • nukular8400 08.07.2014 19:56
    Ein berechtigter Kommentar. Es wundert mich aber auch in den Beiträgen im Forum zu lesen, dass dem WLAN an sich die Schuld für den Verbrauch gegeben wird. Da ich selber kabellose Geräte entwickle kann ich sagen, dass aktuelle 2,4GHz kabellos-Technologien durchaus in der Lage sind, im Bereitschaftsmodus auf wenige µW Verbrauch runterzugehen. Dass dies nicht geschieht ist wie im Kommentar auch angedeutet, den Geräte-Herstellern zuzuschreiben.

    50W Standby-Verbrauch sind ein kolossaler Witz für eine simple Musik-Anlage mit ein wenig kabellos-Gedöns. Seit Jahren werden radikal sparsame Technologien entwickelt. Nicht, um dem Umweltschützer in uns einen Gefallen zu tun, sondern um akkubetriebene Geräte mit besonders langer Laufzeit bei gleichzeitig sinkender Baugröße verkaufen zu können. Aber es erfordert immer auch Anstrengung und den entsprechenden Willen aller Beteiligten, vorhandene Technologien auch in netzbetriebenen Geräten zu verwenden.

    So sehr ich dem Regulierungswahn der EU auch skeptisch gegenüberstehe, in diesem Fall würde ein bisschen Regulierung schon viel bewirken können.
  • Kowa 09.07.2014 08:34
    Der Gesetzgeber muß Vorgaben machen. Bei den Geräten muß ein Energiesiegel drauf, mit der Leistungsaufnahme unter Volllast und im Standby. Ich sehe das Problem darin, daß 95% der Menschen garnicht wissen, was ihre Geräte verbrauchen.

    Außerdem gibt es seit 6 Jahren die ErP-Richtlinie, die verlangt <1W im Standby zu verbrauchen. Wieso können sich dem so viele Geräte entziehen? Am PC klappt es doch auch.

    Ich habe letztens einen i5-2500/16gb/HDD+SSD umgebaut:
    Etwas undervoltet, dafür die Loadline hochgedreht und übertaktet. Wenn gerechnet wird braucht der max. 188W und sonst nur 60.
    Dann das China-NT gg. ein SeaSonic Platinum getauscht (ErP-tauglich) und aus 60W wurden 38W und im Standby werden nun tatsächlich 0W am Meßgerät angezeigt (dabei blinken die Power-LEDs).

    Wenn man will, gibt es technische Lösungen, auch wenn die ein paar € mehr kosten.

    Außerdem sollte man sich überlegen, ob man wirklich noch einen TV haben will.
  • OldboyX 09.07.2014 09:35
    ... Was als Bewusstwerdung eines Problems beginnt, endet schnell als emotional empfundener Vorwurf, obwohl dies ein rein sachliches Thema ist. Ich merk das selbst, und das obwohl ich eine der Natur befürwortende Einstellung habe -> Mein verdammter Router läuft Tag und Nacht, und gewiss ohne irgendwelche Sparfunktionen. In dem Moment wenn man das, und wenn auch nur unbewusst, versteht, steht man vor der Wahl ob einem das egal ist, ob man daran was ändern möchte, oder ob man das als Humbug deklariert. Diese Auswüchse sind hier, sowie in nahezu allen Foren zu jeden Thema zu sehen. "Kokuswolf, post: 15951138
    Dem kann man nur zustimmen und wenn man in unserer Gesellschaft von einer zunehmenden Entmündigung der Bürger sprechen will, dann müssen wir uns auch gefallen lassen, dass unser mangelndes Problembewusstsein mit Schuld daran trägt, dass wir uns selbst entmündigen. Verantwortlich zu handeln heißt sich Problemen rational zu stellen und nicht das eigene Verhalten permanent mit irgendwelchen Ausreden zu entschuldigen.

    Klar kann man sich einreden man müsse den Router nicht ausschalten, beim Spielen am PC nicht auf Energieverbrauch achten, etc. weil:
    a) andere noch mehr Energie verbrauchen
    b) man dafür auf andere Sachen verzichtet
    c) es überhaupt viel gewichtigere Probleme gibt
    d) es einem einfach egal ist, da man es sich leisten kann

    Doch es sollte einem klar sein, dass man mit all diesen Aussagen eine Haltung lebt (und diese zeigt sich ja nicht nur bei Fragen des Stromverbrauchs, das zieht sich, wie Kokuswolf sagt durch alle Themen und schlägt sich natürlich in Wahlentscheidungen nieder) die der Sozialdemokratie wie wir sie leben nicht unbedingt zuträglich ist. Stattdessen bettelt man mit so einem Verhalten förmlich um eine Welt, in der der Stärkere das macht was er will, und es mit obiger Argumentation (die wir ja dann schlecht als ungültig bezeichnen können, wenn sie zur Entschuldigung unseres eigenen Verhaltens gut genug ist) rechtfertigen kann.

    Strom sparen ist eine gute Sache und man sollte immer versuchen das zu machen, ganz besonders wenn es letztlich nur des Einsatzes einer Steckerleiste und des Aufwandes eines Schalterdrucks bedarf.