Jahresrückblick 2014: Container und Systemd prägten Linux und Open Source

Ferdinand Thommes
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Jahresrückblick 2014: Container und Systemd prägten Linux und Open Source

Das Jahr 2014 war wieder einmal nicht das Jahr des Linux-Desktops. Auf alle Fälle war es ein aufregendes Open-Source-Jahr mit vielschichtigen Entwicklungen, das auch mit Skandalen und spektakulären Bugs nicht sparte. Was also wird von den Entwicklungen 2014 bei freier Software im Gedächtnis bleiben?

Zwei Entwicklungen sind im Jahr 2014 so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr zu bremsen sind. Dabei geht es einerseits um Container zur Virtualisierung, andererseits um Systemd, das für viel Streit und Skandal sorgte. Beide Entwicklungen werden über Jahre hinweg den weiteren Kurs von Linux mitbestimmen. Im Fall der Containerisierung geht der Einfluss sogar weit über Linux hinaus.

Die Containerisierung der Software-Welt

Selten hat ein Stück freie Software eine so fulminante Entwicklung hingelegt wie Docker 2014. Kaum ein Jahr alt, wurde das Container-Format zuerst in Fedora 20 und dann – man höre und staune – in das doch recht konservative Red Hat Enterprise Linux 7 (RHEL) integriert. Docker kooperiert heute unter anderem über Verträge mit Red Hat, Canonical, VMware, CoreOS und Google Kubernetes. Docker Images sind seit einiger Zeit direkt und über CoreOS auch in Microsofts Cloud-Service Azure zu finden. Die entsprechenden Verträge untermalte Microsoft überschwänglich mit der Floskel: „Microsoft liebt Linux“. Die Wahrheit dürfte hier allerdings eher in der Tatsache liegen, dass immer mehr Kunden ihre Clouds über mehrere Betriebssysteme spannen wollen um von jeder Seite das Beste zu nutzen und Microsoft hier im Zugzwang war. 2014 hat ganz deutlich gezeigt, dass Linux nicht nur Herr über die meisten Server weltweit ist sondern Open Source auch der Meister des Cloud-Computing.

Annäherungsversuch
Annäherungsversuch

Eroberung der Distributions-Welt

Das zweite bestimmende Thema in Linux im Jahresverlauf war zweifelsohne Systemd. Wie hier ein Stück Software, das unbenommen und zu Recht umstritten ist, zu monatelangen Pöbeleien bis hin zu Todesdrohungen gegen den Hauptentwickler führte, hat schon Alleinstellungsmerkmale. Hauptdarsteller in diesem Drama war und ist noch immer Debian, dem zum Zwecke der Beendigung solcher Auswüchse ein wie-auch-immer-gearteter Diktator fehlt. Weil Teile von GNOME 3.10, wie etwa der Login, Abhängigkeiten zu Systemd aufwiesen, wurde in Debian das technische Komitee angerufen, zu entscheiden, mit welchen Init-System Debian 8 „Jessie“ ausgeliefert werden soll.

Die Entscheidung fiel im Februar 2014 nach einer monatelangen technisch sachkundigen Diskussionsphase, die allerdings von einem Flamewar von kaum zu überbietender Härte und Ausdauer begleitet war, für Systemd als neues Init-System. Ubuntu entschied sich ebenfalls für Systemd und damit zur Abkehr vom bis dahin propagierten hauseigenen Upstart. Nachdem weitere Versuche der Systemd-Gegner, das Ergebnis noch zu kippen, scheiterten, wurde ein Fork von Debian aufgelegt, bei dem allerdings bezweifelt werden darf, ob er jemals zu einem benutzbaren Ergebnis führen wird. Systemd als Systemmanager und Init-System, das immer noch in fließender Entwicklung ist, wurde derweil, unbeschadet von den Disputen, von fast allen großen Distributionen außer Gentoo, PCLinuxOS und Slackware übernommen und verändert Linux weiterhin zusehends. Die Wunden, die bei der Kontroverse geschlagen wurden werden allerdings noch einige Zeit bluten.

Lennart Poetterings Open Source Tea Party
Lennart Poetterings Open Source Tea Party

Gravierende Fehler

Neben diesen beiden beherrschenden Großthemen schockierten einige Fehler in Software wie OpenSSL, der Unix-Shell Bash und weiteren wichtigen Anwendungen die Fachwelt. Heartbleed machte der Öffentlichkeit bewusst, dass mit OpenSSL eine Säulen des Internet in einem desolaten Umfeld von lediglich einem Entwickler gepflegt wird. Zudem wurde klar, dass dies nicht nur auf OpenSSL zutraf. Die Linux Foundation legte daraufhin die Core Infrastructure Initiative auf und forderte mit Erfolg die Firmen, die im Internet ein Vermögen verdienen, während die dazu genutzten Werkzeuge schlecht gepflegt sind, dazu auf, mehr Engagement zu zeigen.

Heartbleed
Heartbleed
ShellShock
ShellShock

Auch Shellshock, der Fehler in der Bash machte klar, dass auch freie Software fehlerbehaftet ist. Der Unterschied ist, dass bei freier Software grundsätzlich die Chance besteht, diese Fehler früher oder später zu finden und zu beheben. In aller Regel werden sie früher gefunden, die erst spät gefundenen Fehler sind zwar spektakulär in der Berichterstattung, das bedeutet aber keineswegs, freie Software sei unsicher.

Mobile Enttäuschungen

Zu den Enttäuschungen 2014 zählt zweifellos die Abwesenheit von sowohl Ubuntu-Phone als auch eines Smartphone mit Tizen. Beide stehen angeblich kurz vor dem Markteintritt, glaubhaft wird dies aufgrund der vielen Verschiebungen und Absagen aber erst, wenn man Exemplare der beiden Debütanten auch wirklich in Händen halten kann. Weiterhin durch Abwesenheit glänzen auch die angekündigten Steam-Machines. Positiv an der durch Valve angestoßenen Entwicklung um den Spielemarkt in Linux ist, dass noch nie so viele Spiele nach Linux portiert wurden wie 2014. Positiv bei den Smartphones mit freier Software sind auch die Entwicklungen bei Jolla, das als kleines Unternehmen sein erstes Gerät auf den Markt bringen konnte sowie die rasante Verbreitung von Smartphones mit Firefox OS. Hier kursieren in den letzten Tagen Gerüchte, dass das neue Betriebssystem des chinesischen Herstellers Xiaomi auf Firefox OS anstatt auf Android basieren soll. Wenn auch hierzulande noch relativ unbekannt, so ist Xiaomi doch durch seinen hohen Marktanteil auf dem chinesischen Markt neben Samsung und Apple der drittgrößte Smartphone-Hersteller der Welt.

Das vergangene Jahr hat vor allem eines klar gemacht: Open Source ist nicht aufzuhalten, durchdringt immer mehr Märkte und wird für immer mehr Entwickler zu einem interessanten Modell. Unternehmen stellen fest, dass es günstiger ist, selbst mit Konkurrenzunternehmen zusammen zu arbeiten und Software nach dem Open-Source-Prinzip geteilt zu entwickeln. Ob nun das Jahr des Desktops für Linux jemals anbricht oder nicht ist dabei völlig zweitrangig. Wer es am Desktop benutzen will, der tut das. Alle anderen Märkte sind bereits erobert.