Gegen Android und iOS: Russland plant eigenes Mobilbetriebssystem

Norman Wittkopf
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Gegen Android und iOS: Russland plant eigenes Mobilbetriebssystem
Bild: Jolla

Einem Bericht der russischen Nachrichtenseite rbc.ru zufolge, arbeitet das Kommunikationsministerium des Landes an einem eigenen Betriebssystem für Smartphones und Tablets auf Grundlage von Sailfish OS, das von Jolla stammt. Damit will sich Russland von den dominierenden Plattformen Android und iOS lösen.

Vertreter des Ministeriums haben gemäß bestätigten Informationen in der vergangenen Woche mit Jolla-Mitarbeitern ein Treffen abgehalten, um die Verwirklichung eines neuen Mobilbetriebssystems zu diskutieren. Anwesend war unter anderem der Jolla-Vorsitzende Antti Saarnio sowie auch Vertreter der russischen IT-Branche, darunter der technische Direktor der russischen Suchmaschine Yandex, Grigory Bakunov, und Alexei Smirnov, Geschäftsführer des ebenfalls aus Russland stammenden ALT Linux-Projekts.

Das in großen Teilen als Open Source verfügbare Sailfish OS soll nun die Basis für das neue Mobilbetriebssystem werden – in welchem Umfang ist bisher aber völlig unklar. Die staatlichen Bestrebungen könnten Jollas Betriebssystem einen Schub hinsichtlich der Verbreitung geben, denn momentan kommt Sailfish OS gemeinsam mit anderen wenig verbreiteten Mobilbetriebssystemen laut rbc.ru auf einen weltweiten Marktanteil von 0,5 Prozent - dicht hinter Windows Phone und Blackberry OS mit 0,6 Prozent, aber weit abgeschlagen von Android (80,7 Prozent) und iOS (15,4 Prozent). Allerdings möchte das Kommunikationsministerium lieber „ein neues Produkt“ schaffen, anstatt auf das aktuelle Sailfish OS zu setzen, ohne dabei jedoch von Grund auf neu anzufangen, heißt es in dem Bericht.

Russland spekuliert darauf, zusätzlich zu den Finnen mit den übrigen BRICS-Staaten (Brasilien, Indien, China und Südafrika) gemeinsam an dem Projekt zu arbeiten, während Jolla bereits private Investoren aus Russland und China zu seinen großen Finanziers zählt. Zu diesem Zweck soll ein Konsortium gegründet werden. China ist laut einer Äußerung des Kommunikationsministers Nikolay Nikiforov bereits mit an Bord. IT-Unternehmen sollen für die Entwicklung Experten bereitstellen, die vom Staat bezahlt werden, so das Ziel. Als ein möglicher Hardware-Partner für den russischen Markt wird der hierzulande für das YotaPhone bekannte Hersteller Yota Devices vermutet, wofür es jedoch bisher keine offizielle Bestätigung gibt.

Im April 2015 hatte Nikiforov einen Plan amtlich gemacht, wonach Software-Importe bis zum Jahr 2025 auf 50 Prozent reduziert werden sollen, während derzeit noch 95 Prozent aus dem Ausland kommen. Ziel ist es unter anderem gegen Sanktionen gefeilt zu sein und vertrauenswürdige Programme im Einsatz zu haben. Im vergangenen Jahr versuchte Nikiforov erfolglos russische Vertreter von Apple und SAP dazu zu bewegen Quelltext ihrer Software-Produkte offenzulegen, um ausschließen zu können, dass etwaige Hintertüren enthalten sind, die Geheimdienste wie die US-amerikanische NSA ausnutzen könnten. Dies hatten von Edward Snowden veröffentlichte Dokumente nahegelegt.

Bereits in der Vergangenheit hat Russland zudem Bestrebungen unternommen sich unter anderem von westlichen IT-Produkten unabhängig zu machen. So suchte das das russische Ministerium für Industrie und Handel beispielsweise im vergangenen Jahr nach CPU-Alternativen zu Intel und AMD in Form von Eigenentwicklungen auf ARM-Basis.

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