Virtual Reality: Alle Konzepte zur VR-Steuerung im Überblick

Andreas Schnäpp
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Virtual Reality: Alle Konzepte zur VR-Steuerung im Überblick
Bild: Cyberith

Einleitung

Vor einem Jahr stellte ComputerBase die Frage: „Wie sieht die VR-Steuerung der Zukunft aus?“ Es folgte ein exemplarischer Überblick, der von Ganzkörper-Steuerungen hin zu Controller-basierten Lösungen und Hand-Tracking reichte.

Doch was hat sich in der Zwischenzeit getan? ComputerBase gibt einen Überblick zum Status quo der Bewegungssteuerungen und Motion-Tracking-Systeme für VR. So viel sei gesagt: Nicht alle Kickstarter-Projekte haben die Entwicklungsphase überstanden.

Die offiziellen Steuerungskonzepte der VR-Hersteller

Sony gibt sich mit PlayStation VR konservativ: „DualShock 4“ und „Move“-Controller sind im Zusammenspiel mit der PlayStation-Kamera bekannte Variablen für Entwickler und Spieler zugleich.

Auf dem PC präsentiert sich hingegen ein breites Spektrum an Lösungsansätzen: Dank einer Kooperation mit Microsoft setzt Oculus mit der Rift zum Startschuss der eigenen VR-Plattform auf den Xbox-One-Controller als offizielle Eingabemethode. VR-Erlebnisse in sitzender Position, sogenannte „seated experiences“, sollen sich auf diese Weise komfortabel steuern lassen. In der zweiten Jahreshälfte wird das Steuerungskonzept um die Gestensteuerung Oculus Touch erweitert, mit der die Hände des Spielers den Weg in die virtuelle Realität schaffen. Weil sich Oculus in Schweigen hüllt und Entwickler, die Touch bereits nutzen, zum Schweigen verdonnert hat, wittern Kritiker allerdings Probleme bei der Umsetzung des Trackings über Kameras.

Valves Konzept mit der HTC Vive sieht hingegen von vornherein die Bewegung im virtuellen Raum vor: Room-scale-VR ist das Stichwort, das mittels zweier Laser-emittierenden Lighthouse-Stationen den zur Verfügung stehenden Raum dreidimensional erfasst. Das „Chaperone-System“ hilft dabei, Kollisionen mit realen Objekten in der Umgebung des Spielers zu vermeiden: Die reale Begrenzung des Spielfelds wird in der virtuellen Welt bei Annäherung als Gitter eingeblendet. In Zahlen ausgedrückt lautet die magische Grenze 1,5 Meter × 2 Meter – so viel freie Spielfläche sollten VR-Nutzer in ihrer Umgebung für typische Room-scale-Anwendungen zur Verfügung haben. Benötigt ein Spiel mehr Platz, muss dieses ausdrücklich von den Entwicklern gekennzeichnet werden.

Valves Lösung kann bisher überzeugen

Die Hände des VR-Nutzers werden dabei mit Hilfe von zwei kabellosen SteamVR-Controllern in die virtuelle Realität gebracht. Einen Ersteindruck, welche VR-Erlebnisse unter Nutzung des Lighthouse-Systems möglich sind, lieferte ComputerBase aus Seattle vom Steam Developer Showcase sowie im Forum und als Kommentar. Bisher konnte das System überzeugen. Der Frage, wie sich das gesamte SteamVR-Paket im Alltag schlägt, wird ComputerBase in den kommenden Tagen und Wochen auf den Grund gehen.

Ergänzt werden die offiziell unterstützen Steuerungskonzepte auf dem PC von klassischen Eingabemethoden wie Lenkrädern und Joysticks, die sich sowohl bei Oculus Rift als auch SteamVR-Titeln nutzen lassen, sofern es die jeweiligen Spieleentwickler vorgesehen haben. Hinzu kommen eine Handvoll Dritthersteller, die mit innovativen Ideen zur VR-Steuerung kreative Nischen erschließen.

Bewegungssteuerung mittels 360-Grad-Laufband

Ursprünglich 2013 mit über 1 Million US-Dollar auf Kickstarter finanziert, erhielt die Omni-Bewegungssteuerung des VR-Start-ups Virtuix zwischenzeitlich weitere 8 Millionen US-Dollar von privaten und institutionellen Anlegern. Im Rahmen einer Testing-the-waters-Kampagne, die die Entwickler zur Einschätzung der Marktnachfrage auf Seedinvest gestartet haben, beläuft sich das Interesse von potenziellen Investoren mittlerweile auf über 24,7 Millionen US-Dollar. Seit Dezember 2015 werden die ersten 360-Grad-Laufbänder als Pathfinder-Version ausgeliefert: Hinter dem Begriff verbirgt sich ein geschlossenes Betaprogramm, das mit Hilfe von 60 Unterstützern des Projekts etwaige Probleme vor dem Beginn der Massenfertigung aufzeichnen soll.

Virtuix Omni

Die Bewegungsfreiheit in der virtuellen Realität kommt mit einem Preis: Ein Komplett-Set, bestehend aus der Grundplattform, Schuhen und dazugehörigen IMU-Sensoren, Harnisch-Gürtel und der benötigten Software, kostet für Vorbesteller mittlerweile 699 US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Preis damit um 200 US-Dollar gestiegen.

Anhand der eigens für die VR-Steuerung entwickelten Training-Ops-Demo von TRAVR: Shadow Ops demonstrieren die Entwickler die Funktionsweise ihres Produkts zusammen mit der HTC Vive:

Einen ähnlichen Weg gehen die österreichischen Entwickler des Cyberith Virtualizer. Im Gegensatz zum Omni-Prototypen sind jedoch auch Sprünge sowie Ducken möglich. Zudem müssen keine speziellen Schuhe verwendet werden, um sich auf der Lauffläche sicher fortzubewegen. Stattdessen setzt das Unternehmen auf samtähnliche „Überschuhe“, die über den eigenen Schuh gezogen werden und die Reibung zwischen Bodenplatte und Füßen minimieren sollen.

Im Rahmen der gamescom 2015 hatte ComputerBase die Möglichkeit, sich einen Ersteindruck zu verschaffen. Wann der Virtualizer erhältlich sein wird, wird sich noch zeigen: Während zur gamescom noch Vorbestellungen ab einem Preis von 1.499 Euro entgegengenommen wurden, findet sich auf der Webseite von Cyberith kein entsprechender Hinweis mehr.

Der Aufwand wird allerorten unterschätzt

In der Kommentarsektion auf Kickstarter begründen die Entwickler die Funkstille um das verzögerte Produkt mit einer Fehleinschätzung: Man habe den Aufwand, aus einem Prototypen ein Consumer-Produkt mit CE- und FCC-Zertifizierung zu machen, schlichtweg unterschätzt. Im Nachhinein müssen die Entwickler eingestehen, dass das Produkt zu Beginn der Kickstarter-Kampagne nicht „fast fertig“ war, wie damals behauptet.

Statt nun einzelne Virtualizer für Kickstarter-Unterstützer zu fertigen – der Auslieferungszeitpunkt wurde zu Beginn der Kampagne auf März 2015 datiert –, werden die Kickstarter-Virtualizer zusammen mit der Serienproduktion in Auftrag gegeben. Aufgrund der höheren Produktionsmenge soll sich dadurch ein ähnlicher Preis pro Virtualizer-Einheit erzielen lassen, den Kickstarter-Unterstützer 2014 bezahlten: Die Standardversion wurde damals mit 749 US-Dollar veranschlagt, die HT-Variante sollte 999 US-Dollar kosten.

Zwar sollen das „Omni“ als auch der „Virtualizer“ gewährleisten, dass Laufbewegungen in die virtuelle Realität übertragen werden, die einzelnen Gliedmaßen des Körpers werden dabei jedoch nicht erfasst. Um eine möglichst genaue Abbildung der Bewegungen im virtuellen Raum zu erreichen, müssen Spieleentwickler zudem die von Virtuix und Cyberith angebotenen SDKs nutzen. VR-Anwendungen, die nicht mit den 360-Grad-Laufbändern im Hinterkopf entwickelt wurden, sollen sich zwar ebenfalls damit steuern lassen – die Laufbewegung des Spielers wird dabei jedoch näherungsweise in analoge Gamepad-Eingaben umgewandelt. Mittels Bluetooth soll die Kompatibilität zu mobilen VR-Anwendungen bei beiden VR-Steuerungen gegeben sein.