Gutachten: EuGH könnte deutsches Datenschutzrecht schwächen

Daniel Kurbjuhn
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Gutachten: EuGH könnte deutsches Datenschutzrecht schwächen
Bild: Rock Cohen | CC BY 2.0

Im Streit um die Speicherung von IP-Adressen steht der Europäische Gerichtshof (EuGH) kurz vor einem Urteil. Ein Gutachten weist dabei bereits die grobe Richtung und sagt, dass IP-Adressen durchaus Bestandteil der persönlichen Daten sind, aber dennoch unter Umständen gespeichert werden dürfen.

Die Frage der Abgrenzung seit Jahren ungeklärt

Beim Streit um den Datenschutz geht es immer wieder um die Frage, welche Daten dazu geeignet sind, eine Person zu bestimmen. Dies lässt sich bei manchen Angaben sehr schnell beantworten, denn der Name, das Geburtsdatum oder gar die Personalausweisnummer erfüllen dieses Kriterium unzweifelhaft. Problematisch wird die Frage aber beispielsweise bei den dynamischen IPv4-Adressen. Diese vergibt der Provider seinen Kunden für einen gewissen Zeitraum, bis er dann eine neue zugewiesen bekommt.

Theoretisch lässt sich also auch mit Hilfe der IP-Adresse eine Person bestimmen, allerdings wird dazu dann die Hilfe eines Dritten benötigt. Diese zur Hilfenahme einer dritten Person kann aber nach Auffassung einiger Datenschützer jedoch ausreichen, um eine absolute Beziehbarkeit zu begründen, also die Möglichkeit eine Information als ein personenbeziehbares Datum zu nutzen. Andere sehen diese Auffassung jedoch kritisch und befürchten, dass damit der Datenschutz ins uferlose getrieben werden kann.

Ein Mittelweg soll die Lösung sein

Diese Ungewissheit ist dem Kieler Patrick Breyer, Landtagsabgeordneter der Piraten Partei, schon seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge. Deshalb klagt er sich durch die Instanzen, mit der Folge, dass zuletzt der Bundesgerichtshof die Frage dem EuGH zur Klärung vorlegte. Hier weckt nun der Schlussantrag des Generalanwalts Manuel Campos Sánchez-Bordona das Interesse, denn dieser versucht einen Mittelweg zu gehen.

Grundsätzlich stuft dieser eine IP-Adresse als geeignet ein, um damit eine Person zu bestimmen. Dabei orientiert er sich an Erwägungsgrund 26 der Richtlinie 95/46/EG, wonach „alle Mittel berücksichtigt werden, die vernünftigerweise entweder von dem Verantwortlichen für die Verarbeitung oder von einem Dritten eingesetzt werden könnten, um die betreffende Person zu bestimmen." Nach Ansicht von Sánchez-Bordona ist dieser Dritter, also der Provider, nicht hypothetisch, sondern sehr gut zu erreichen und auch die vernünftigen Mittel seien vorhanden, auch wenn diese durch Gesetze geschützt werden.

Gleichzeitig unterstreicht er aber auch, dass die Speicherung der IP-Adressen dennoch gerechtfertigt sein kann und deshalb auch über Abrechnungszwecke hinaus von den Betreibern von Websites gespeichert werden dürfen. Dieses Interesse kann beispielsweise sein, dass der Betreiber Cyber-Attacken abwehren möchte. Da die Abgrenzung schwierig ist, muss die Einstufung am Einzelfall entschieden werden.

Zahlreiche nationale Regelung unzulässig

Mit dieser Abgrenzung versucht Sánchez-Bordona den uferlosen Datenschutz zu vermeiden, der dazu führt, dass nahezu sämtliche Daten, die letztlich auf eine Person zurück zu führen sind, als bestimmbares Datum eingestuft werden müssen und somit dem Datenschutz unterliegen. Für die EU-Länder hätte eine solche Einschätzung allerdings schwere Konsequenzen, denn damit wären einige nationale Vorschriften unzulässig, die den Datenschutz zur Zeit über die europäischen Richtlinien hinaus stärken.

So zum Beispiels auch § 15 des Telemediengesetzes, der die Speicherung von IP-Adressen nur zu Abrechnungszwecken zulässt. Hier fehlt es nach Ansicht von Sánchez-Bordona an einer Interessenabwägung, die es erlaubt den Einzelfall zu betrachten und danach eine Entscheidung zu treffen.

Nicht das gewünschte Ziel von Breyer

Damit zerschlägt Sánchez-Bordona die Interessen von Breyer, der eigentlich eine eindeutige Klärung im Sinn hatte. Doch sollte das Urteil nach der Maßgabe des Gutachtens erfolgen, wird der Deutsche Datenschutz ausgehebelt und das klare Verbot der Speicherung des Surfverhaltens abgeschafft. Damit dürfte jeder Betreiber einer Website Daten wie die IP-Adresse solange speichern, bis ein Gericht zu einem anderen Urteil gelangt.

Ob es wirklich soweit kommt, steht zur Zeit noch nicht fest. Grundsätzlich ist der EuGH nicht an das Gutachten gebunden, doch in den meisten Fällen folgen die Richter der Auffassung. Mit einer Entscheidung wird in den kommenden Monaten gerechnet.