Kommentar: Von einem, der auszog, eine AGP-Grafikkarte zu kaufen

Volker Rißka
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Volker Rißka

Fortschritt? Nichts für mich!

So denkt man dieser Tage doch immer wieder als aufrüstwilliger PC-Nutzer mit kleinem Geldbeutel. Da begibt man sich auf die Suche nach einem ganz seltenen, vom Aussterben bedrohten Exemplar, und dann wird man letztendlich doch leider immer wieder enttäuscht. Sie ist zwar fast ausgerottet, dennoch erinnert sich jeder gerne an sie: die gute alte AGP-Grafikkarte. Ach, was waren das für Zeiten? PCI war als Grafikschnittstelle Schnee von gestern, es gab nur noch AGP. Doch dann kam er erneut, der „Fortschritt“, und er hat die AGP-Karten so schnell dahingerafft, dass viele PC-Besitzer es noch immer nicht wahr haben wollen und mit weinenden Auge ungläubig in die leeren Händlerregale blicken.

Schaut man sich aufmerksam um oder befragt Familie, Freunde, Bekannte und Kollegen, so gibt es natürlich jede Menge ältere Rechenknechte. Alt heißt hierbei bei Weitem nicht Intel Pentium II oder AMD K6. Nein, die Rede ist beispielsweise von einem guten Pentium-4-System auf Basis eines i875-Chipsatzes oder vom Athlon XP 3200+ mit einem soliden nForce-2-Mainboard. Natürlich sieht man sich als Besitzer eines solchen, in Sachen Prozessorleistung doch noch ordentlich bestückten Systems irgendwann in der Lage, sich für eine potentere Grafikkarte entscheiden zu müssen. In den meisten Fällen werkelt wohl noch eine Radeon 9800 oder GeForce FX 5900, eventuell auch noch eine GeForce 4 oder vergleichbare ATi-Karte im Rechner, die langsam aber sicher an ihre Leistungsgrenzen geraten ist. Da denkt der aufrüstwillige Kunde mit dem nicht so großen Geldbeutel natürlich übers Aufrüsten nach. Ein schönes Wort. Nur woher nehmen, wenn nicht stehlen?

AGP
AGP

Gute Frage! Der Blick auf den Markt ist erschreckend und ein Blick in die Geldbörse verrät: Rund 200 Euro will man ausgeben, denn alles andere wäre wohl übertrieben. Von einer Radeon 9800/FX 5900 auf eine GeForce 6600 oder eine X600 aufzurüsten? Sinnlos! Da könnte man das Geld für die paar Prozent mehr Leistung gleich in den Wind blasen. Doch was dann? Nun, wer mehr Leistung für ein Budget von um die 200 Euro will, der steht quasi auf dem Schlauch.

Da gibt es ein Modell, Radeon X800 genannt. Sieht ja erstmal nicht so schlecht aus. Euphorie macht sich breit. Doch, denkste! Da gibt es mit XL, Pro, SE, XT, GTO und Co. rund ein Dutzend Versionen – wer soll da bitte durchsehen? Gäbe es doch wenigstens eine einheitliche Regelung darüber, was das Anhängsel überhaupt bedeutet. Was bei ATi die schnelle Karte ausmacht, symbolisiert bei nVidia den beschnittenen Low-Cost-Vertreter. Ein Graus, schrecklich! Da gibt es zum Einen kastrierte Versionen, die setzen auf geringere Taktraten und Speicherbandbreiten. Da gibt es die anderen Exemplare mit hohen Taktraten und fehlender Ausstattung (Pixel-Pipelines etc.). Und natürlich gibt es noch die Kombination aus beiden Spezies: Wenig Takt und wenig Ausstattung – Super! Hohe Taktraten und gute Ausstattung, das wäre es und gibt es auch. Sprengt nur leider das Budget. Tada – wir sind wieder am Anfang! Alternativen? Nicht wirklich.

Ja, was hat man für schöne Tests gelesen von einer Karte namens GeForce 6800. Richtig schnell und für AGP. Doch was ein Jahr im Leben des Fortschritts bedeutet, das sieht man diesem Modell wohl besonders deutlich an. Im AGP-Bereich ist das Modell quasi nicht mehr existent. Hier und da ein Aufflammen eines Restbestandes aus einem dunklen Lagerhaus, doch richtigen Nachschub wird es nicht mehr geben. Leider helfen die monatlichen Gerüchte rund um neue, top-aktuelle AGP-Modelle der aufrüstwilligen Kundschaft auch nicht weiter. Man wird wohl die Wahrheit akzeptieren müssen. Nur ein flüchtiger Blick zu den PCIe-Grafikkarten... Ach, was würde es da alles geben! Kastrierte X800 ab 140 Euro. Die eine oder andere GeForce 6800 für ein paar Euro mehr! Schnell weg da, es deprimiert nur. So schnappt man sich letztendlich die 200 Euro und stopft sie wieder in den Sparstrumpf, auf dass er irgendwann die 400-Euro-Marke durchbricht und man sich so einen neuen Prozessor samt Board und „Fortschritt“-PCIe-Grafikkarte kaufen kann. Schöne neue Welt.

Leider betrifft das Thema nicht nur die Neuanschaffungen. Wenn derzeit eine Grafikkarte vom Typ 6800 GT mit AGP-Steckplatz das Zeitliche segnet, bekommt man in diversen Shops bereits sein Geld zurück, denn eine neue, alte Karte gibt es in vielen Fällen nicht mehr. Daran können die Shops natürlich auch nichts ändern. Und so müssen sie für eine rund ein Jahr alte Grafikkarte, die mit dem kompletten Lieferumfang aufgrund eines Defektes eingeschickt wird, knapp 400 Euro an den Kunden zurückzahlen – ein Austauschmodell ist schlichtweg nicht mehr zu bekommen. Das wurmt den Händler genauso wie den Kunden. Der hat, so widersprüchlich es auch klingen mag, mit den 400 Euro aber wenigstens die Chance „zu arbeiten“. Denn setzt er zum Beispiel bereits auf eine Sockel-939-CPU von AMD, so gilt es lediglich für um die 100 Euro ein schnelles nForce-4-Mainboard mit PCIe zu kaufen und es bleiben noch 300 Euro für die Grafikkarte übrig. Da steht selbst dem Griff nach einer top-aktuellen GeForce 7800 GT nichts im Wege. Klingt doch nach einem richtig guten Geschäft? Nur leider wird dies die wenigsten Leute betreffen, so dass diese Theorie nur in den seltensten Fällen zu einem glücklichen Ausweg aus der AGP-Sackgasse führen dürfte.

Betrachtet man die Thematik nun von der anderen Seite, so kommen die Beweggründe der Industrie ans Tageslicht. Da heißt es seitens der herstellenden Firmen nämlich: „Wer lebt denn bitte in der Vergangenheit und braucht noch AGP?“ Verständlich, wird doch jeder Komplett-PC, und ist er auch noch so preiswert, mittlerweile mit einer PCIe-Grafikkarte ausgestattet. Und genau diese OEM-PCs sind die geldbringende Kundschaft für alle Hersteller. Ein Firmenbesitzer kauft nach zwei Jahren keine Grafikkarte nach. Nein, er kauft einen neuen PC und vertickt die alten Modelle. Ihm ist auch völlig egal, was da für eine Grafikkarte drinsteckt. Er kauft 50 Stück, dann ist er glücklich über neue Hardware. Das freut alle Zwischenhändler und letztendlich auch die Hersteller. So wird Fortschritt gemacht. Der kleine Kunde interessiert nicht (wirklich), er muss sich so oder so anpassen. Und genau das wird er auch: Sich anpassen, sich fügen – das ist so, war so und wird immer so sein. Klingt vielleicht blöd, ändert aber nichts an der Tatsache, dass man sich sich damit abfinden muss.

Und die Moral von Geschicht'? Es gibt sie nicht! Fortschritt gab es und wird es immer geben und einige Interessengruppen bleiben immer auf der Strecke, so hart es auch klingt. Um diesem Schicksal zu entkommen, sind finanzielle Anstrengungen von Nöten. Doch nichts ist in diesen Tagen knapper als das Geld. Also lebt man wohl oder übel mit seinem Status Quo noch etwas weiter, denn irgendwann kommt man schon wieder einen Schritt nach vorn, auch wenn es nur ein kleiner ist. Und dann wird das Kapitel AGP wohl endgültig abgeschlossen, auch wenn dem einige oder gar einige mehr nachtrauern werden: Es heißt Abschied nehmen.

Hinweis: Der Inhalt dieses Kommentars gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Diese Meinung wird nicht notwendigerweise von der gesamten Redaktion geteilt.

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