Kommentar: Ist das Athlon-XP-Rating nur die halbe Wahrheit?

Jan-Frederik Timm
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Jan-Frederik Timm

Vorwort

Nicht nur, dass AMD am heutigen Tag zwei überarbeitete und schnellere Athlon XP Modelle auf den Markt geworfen hat. Auch das so genannte 'Rating', das zur Klassifizierung der CPUs herangezogen wird, verließ alte Normen und erfuhr ein Update. Doch warum? Wir haben uns ein paar Gedanken gemacht.

Rückblick

Eingeführt wurde das Model Rating bei AMD mit dem Athlon XP Prozessor auf 'Palomino' Basis. Schon einige Monate zuvor hatten sich Intels und AMDs Strategien weit voneinander entfernt und für AMD war es Zeit zu handeln. Während Intel den Pentium 4 durch weniger Leistung pro Takt für hohe Frequenzen ausgelegt hatte und unaufhaltsam die 2.0 GHz ansteuerte, wählte AMD den Weg der Effizienz pro Takt. Der Athlon XP, der dank einer Reihe von Optimierungen schneller arbeitete als sein Vorgänger, der Athlon C auf Basis des Thunderbirds, konnte im Vergleich nur mit mageren Megahertz-Beträgen aufwarten, obwohl die Performance wesentlich höher lag.

Um den Käufer auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, entschloss sich AMD, das einst von Cyrix verwendete P-Rating auferstehen zu lassen. Cyrix hatte dieses 'Pentium-Rating' vor Jahren dazu benutzt, um Kunden darüber zu informieren, dass beispielsweise ihre 133MHz CPU "Cyrix 166+" in vielen Anwendungen die Leistung eines Pentium 166MHz erreichte. Dass dies in den meisten Fällen stark übertrieben war, soll hier nicht weiter von Bedeutung sein.

Das 'alte' Rating

Der Athlon XP führte ab sofort nicht mehr seine reale Taktrate sondern eine relative "Performance-Angabe" in seinem Namen. Allerdings legte AMD großen Wert darauf, festzustellen, dass es sich bei dem Rating nicht um einen Vergleich mit Intels Pentium 4 (Pentium-Rating) sondern um eine Art "Performance-Rating" in Relation zum alten Athlon Thunderbird handelt. Die Prozessor-Klassifizierung errechnete sich ab sofort mit folgender Formel:

Takt * 1,5 - 500

Daraus ergaben sich folgende Prozessoren und ihre entsprechenden Taktraten.

Takt und Model Rating
Athlon XP 2200+ (1.80 GHz)
Athlon XP 2100+ (1.73 GHz)
Athlon XP 2000+ (1.66 GHz)
Athlon XP 1900+ (1.60 GHz)
Athlon XP 1800+ (1.53 GHz)
Athlon XP 1700+ (1.46 GHz)
Athlon XP 1600+ (1.40 GHz)
Athlon XP 1500+ (1.33 GHz)

Doch das Rating schien seltsamerweise nicht nur den Vergleich zu fiktiven Thunderbird CPUs zu ziehen, auch in der Relation zum Pentium 4 ergaben sich oftmals erstaunliche Parallelen. Zwar hatten und haben beide Prozessoren ihre ganz besonderen Lieblingsdisziplinen, insgesamt betrachtet schien der Vergleich eines Pentium 4 2.0 GHz mit einem Athlon XP 2000+ jedoch oftmals als gerechtfertigt. Auch der erste Athlon auf Basis des Thoroughbred, der einen reinen DIE-Shrink bedeutete und keine neuen Features bot, änderte nichts an dieser Tatsache.

Das 'neue' Rating

Doch nun zurück zu den Modellen 2400+ und 2600+. Hier hat AMD überraschend das Model Rating nach unten korrigiert und berechnet dieses ab sofort mit folgender Formel:

Takt * 1,5 - 600

Takt und Rating
Athlon XP 2600+ (2.13 GHz)
Athlon XP 2400+ (2.00 GHz)

Aus den subtrahierten 500 "Rating Punkten" sind demnach 600 geworden, was bewirkt, dass der neue 2600+ nicht die nach der alten Berechnung fällige Bezeichnung 2700+ trägt. Doch wie kann dies sein? Der Kern der neuen CPUs wurde zwar überarbeitet (Thoroughbred "B"), allerdings im Endeffekt nur, um die hohen Taktraten stabil zu ermöglichen. Die Korrektur nach unten müßte jedoch eine Herabsetzung der 'Pro-Takt-Leistung' als Ursache haben, um den relativen "Rückschritt" gegenüber dem Athlon Thunderbird zu verdeutlichen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Gibt es eine plausible Erklärung?

Schlussfolgerung

Zieht man an dieser Stelle noch mal den Vergleich AMD:Intel heran, den AMD mit dem Model Rating nach eigenen Angaben nicht verfolgt, fällt ein logischer Zusammenhang auf. Der Pentium 4 setzt ab der Version mit 2,26GHz auf eine FSB von 533MHz (Ausnahme P4 2,4GHz mit 533 oder 400Mhz). Das heißt, dass nicht nur der gestiegene Takt sondern auch die Anbindung an den Speicher und den Rest des Systems für einen deutlichen Leistungsschub gesorgt hat. Die Leistung des P4s hat in diesen Takt-Regionen somit relativ zum Athlon, der weiterhin auf einen FSB von 133 setzt, zugenommen.

Und auch die Benchmarks des Athlon XP 2600+ verdeutlichen, dass er sich im harten In-Fight mit Intels 2533MHz CPU befindet, die gewählte Bezeichnung also zutreffend ist. Hätte man dem neuen XP demnach das alte Rating beschert, würde der Prozessor für seine Bezeichnung 2700+ ziemlich alt aussehen und sich von einem '2500MHz Prozessor' teilweise abhängen lassen. Und auch der Blick in die Zukunft scheint unsere Vermutung logisch zu stützen. Der Athlon XP 2800+, der dem älteren Rating zu Folge eine Bezeichnung von 2900+ tragen müßte, würde wieder von dem vermeintlich langsameren Modell 'Pentium4 2800MHz' gejagt werden. Für den unwissenden Käufer ein Zeichen für eine schlechte CPU.

Wir sind demnach der Meinung, dass das Rating schon von Anfang an - trotz einer Reihe von Dementis - an den Pentium 4 angelehnt war und nun an die neuen Begebenheiten (P4 mit 533MHz FSB) angepasst wurde. Bis zum Athlon XP 2200+ war dieser Schritt nicht nötig, da die Klassifizierung nach P-Rating eher konservativ als übertrieben gewählt und somit mehr als gerechtfertigt war. Doch die Veröffentlichung der P4s mit 533MHz FSB hat dieses Bild umgekehrt. Die Behauptung, das Rating wäre auf den Thunderbird ausgelegt, kann hingegen seit der Änderung nicht mehr als wahrheitsgemäß angesehen werden. Dagegen spricht noch ein Argument: Da es keine Prozessoren dieses Typs mit 2700MHz gibt, hätte eine Beschwerde, der XP2700+ sei nicht auf dem Niveau eines Thunderbirds mit 2700MHz, AMD wohl sicherlich nicht dazu bewogen, die eigene CPU auf dem Papier "um 100MHz abzuwerten".

Update

Nachdem nun die ersten, zahlreichen Reaktionen auf diese Kolumne eingetroffen sind, will ich auf einen oft angebrachten Aspekt nochmals eingehen:

  • "Da das Rating pro 66MHz um 100 Punkte gestiegen ist, haben sich Takt und Model Rating immer weiter voneinander entfernt. Die Änderung soll diesen mathematischen Effekt ausgleichen."

    • Gehen wir einmal davon aus, das Rating gibt die Geschwindigkeit des Athlon XP in Relation zum alten Thunderbird an, verwundert es doch, dass man zur Einführung des XP aus zwei festen Architekturen (T-Bird, XP) keine Rechnung erstellen konnte, die auch in die Zukunft ein korrektes Rating 'liefert'. Und schliesslich scheint es bis zum Athlon XP 2200+ auch perfekt funktioniert zu haben. Warum jetzt die Wende?
    • Gehen wir jedoch einmal davon aus, das Rating war von Anfang an etwas ungenau und soll erneut nach dem T-Bird ausgerichtet werden. Wie bereits erwähnt, ist kein Thunderbird der Welt in derart hohen Taktregionen lauffähig und AMD nachzuweisen, ein XP2700+ hätte nicht die Geschwindigkeit eines T-Birds mit 2700MHz, dürfte somit unmöglich sein und demnach sicherlich nicht das den Verkauf schädigende Herabsetzen des Ratings notwendig machen.
    • Dass AMD das Rating nicht vollkommen ohne Grund herabgesetzt hat, um selbstlos die Schere aus Model Rating und Takt zu reduzieren, dürfte hingegen klar sein. Kein Hersteller der Welt würde ohne Grund auf eine vorteilhaftere Bezeichnung seiner Produkte verzichten.

Somit wären wir wieder am Anfang angelangt: Der Suche nach einem "warum?". Und genau hier sollte diese Kolumne ansetzen.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung am Rande: Auch wenn der Text teilweise falsch verstanden worden ist, geht es hier weder darum AMD oder den Athlon noch die Idee des Model Ratings anzugreifen und ich denke, dass habe ich klar herausgestellt. Das Rating ist in Zeiten der derart unterschiedlichen Ansätze bei der Realisierung einer CPU zur Käuferinformation dringend notwendig. Es ging lediglich darum, festzustellen, was die meisten AMD User entweder selber vermuten oder schon immer gedacht haben: Dass das Rating auf den Pentium und nicht den eigenen Vorgänger ausgerichtet ist. AMD hat dies bis zum heutigen Tag nicht bestätigen wollen.

Seit kurzem kursieren übrigens Meldungen im Netz, nachdem AMD in Zusammenarbeit mit einer ganzen Reihe anderer Firmen in einer Art Konsortium eine objektive Methode zur Bewertung der Leistungsfähigkeit einer CPU entwickeln will. Dieses Rating auf Basis einer Anwendung dürfte sicherlich die beste Lösung sein. Allerdings funktioniert dies nur, wenn sich schlussendlich alle Hersteller an der Entwicklung und deren Umsetzung beteiligen. Schließlich bringt ein derartiges Rating nichts, wenn beispielsweise Intel auch in Zukunft weiter auf GHz-Kundenfang geht.

Hinweis: Der Inhalt dieses Kommentars gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Diese Meinung wird nicht notwendigerweise von der gesamten Redaktion geteilt.

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