Facebook Paper: Die Soziale Neuerfindung

Frank Hüber
27 Kommentare
Facebook Paper: Die Soziale Neuerfindung

Das andere Facebook Home

Mit Facebooks neuer Paper-App, die vorerst offiziell nur in den USA und nur für iOS gestartet ist, hat Facebook eine Newsreader-Anwendung veröffentlicht, die nicht mehr nur die auf Facebook geteilten Inhalte in den Fokus rückt, sondern auch Nachrichten, Videos und Bilder von Nachrichtenportalen zu unterschiedlichsten Themengebieten.

Paper ist derzeit noch nicht als Ersatz für die herkömmliche Facebook-App gedacht, zeigt allerdings, wohin die Reise bei Facebook in Zukunft gehen könnte und welche Erfahrungen das Unternehmen mit Facebook Home gemacht hat. Mit Facebook Home versuchte das Unternehmen, das Smartphone des Anwenders in eine Facebook-Schaltzentrale zu verwandeln und sich so ins Zentrum des mobilen Lebens der Benutzer zu bringen. Ein Vorhaben, das sich nicht durchsetzen ließ.

Paper verfolgt einen anderen Ansatz und macht dabei vieles besser als Home. Es stellt den individuellen Nachrichtenfeed aus dem Freundeskreis nicht nur in einem ansprechenden Design dar, das zur Interaktion einlädt – Flipboard lässt grüßen –, sondern stellt diesem eine Auswahl vorsortierter, redaktionell bewerteter und anhand eines Algorithmus' ausgewählter Beiträge zur Seite, durch die der Benutzer intuitiv per Wischgesten navigieren kann. Häufig innerhalb von Facebook gelesene, kommentierte und beachtete Inhalte werden dabei höher gewichtet und von mehr Nutzern gesehen.

Wie schon bei Facebook Home erhalten aber auch die Status-Updates von Freunden einen frischen Anstrich und sehen professionell und lesenswert aus. Facebook nimmt sich selbst mit Paper jedoch nicht mehr für so wichtig, die Anwendung nur auf diesen Zweck zu beschränken, sondern greift auf externe Inhalte unzähliger Nachrichtenportale zurück und stellt das eigene Netzwerk und dessen Funktionen auf den ersten Blick zurück.

Facebook Paper

Beim Start der Anwendung kann der Benutzer aus mehreren Kategorien wählen, zu denen er auf eigenen Seiten neben seinem Feed, der dabei nicht einmal die erste Seite darstellen muss, Nachrichten erhalten möchte. Hierzu gehören in der amerikanischen Version der App die Kategorien Tech, Headlines, Score, Pop Life, Enterprise, Creators, Flavor, Exposure, Ideas, Equalize, Planet, All City, Well Lifed, Family Matters, Cute, LOL, Glow, Home und Pride. Die Quellen der jeweiligen Kategorien kann der Benutzer noch nicht individuell festlegen.

Dies führt dazu, dass einige interessante Quellen gar nicht vertreten oder aufgrund einer niedrigen Bekanntheit den individuellen Bedürfnissen entsprechend zu wenig gewichtet werden. Derzeit sind es häufig immer wieder dieselben Nachrichtenquellen, von denen dem Leser Inhalte in Paper angeboten werden. Die Nachrichten innerhalb der Kategorien lassen sich nach einer kurzen Vorschau dabei auch in voller Länge direkt in der Anwendung lesen und natürlich kommentieren, mit dem eigenen Freundeskreis teilen oder „liken“. Der Benutzer bleibt somit immer im Facebook-Universum, Facebook stellt sich aber hinter dem eigentlichen Inhalt hinten an. Natürlich kann der Benutzer über Paper auch eigene Beiträge, Fotos oder Videos auf Facebook teilen.

In Paper offenbart sich auch der Unterschied zwischen Google+, Twitter und Facebook. Wer sich auf Facebook befindet, erwartet nicht mit Neuigkeiten aus aller Welt konfrontiert zu werden, sondern Informationen und Neuigkeiten über und von Freunden und Bekannten. Wer schnell im Rahmen eines Sozialen Netzwerks über Ereignisse aus aller Welt informiert werden und diskutieren möchte, ist auf Twitter oder Google+ unterwegs. In diesem Bereich hatte sich bereits früh ein fundamentaler Unterschied in der Nutzung von Facebook und Google+ gezeigt. Google+ war und ist kein zweites Facebook und wollte es nie sein. Google selbst hatte dies früh erkannt, einigen Nutzern wurde es erst nach und nach bewusst. Facebook scheint dies ändern zu wollen und möchte Teil der schnellen, niemals ruhenden Nachrichtenwelt werden, in der jeder immer über alles informiert sein möchte und auf der Suche nach den neuesten Informationen ist. Mit Paper gelingt dies überraschend gut und schön.

Paper in Deutschland nutzen

Paper wurde bislang nur im amerikanischen Apple App Store veröffentlicht und beinhaltet in den einzelnen Kategorien auch nur Quellen aus amerikanischen Portalen. Wer dennoch bereits jetzt einen Blick auf die App werfen und nicht auf einen Start in Deutschland warten möchte, benötigt einen amerikanischen Apple-Account.

Paper: Nicht mit deutschem Account
Paper: Nicht mit deutschem Account

Dieser lässt sich am einfachsten erstellen, indem man in iTunes in den iTunes Store wechselt und dort am unteren rechten Rand über die runde Flagge die Region „United States“ auswählt. Als nächstes wählt man „Anmelden“ aus und klickt im sich öffnenden Fenster auf „Apple-ID erstellen“. Im Folgenden müssen persönliche Daten angegeben werden, wobei eine E-Mail-Adresse hinterlegt werden muss, die noch nicht mit einem Apple-Account verknüpft ist. Bei der Angabe der Adresse muss eine in sich konsistente US-amerikanische Adresse eingegeben werden, da der Staat zur Postleitzahl und Telefonnummer passen muss. Bei der Auswahl der Zahlungsart kann in iTunes einfach „None“ ausgewählt werden, da Paper kostenlos ist. Ist der Account vollständig angelegt, lässt sich über diesen Account auf dem iPhone Facebooks Paper herunterladen.

Persönlicher Kommentar: Frank Hüber

Facebook versucht sich mit Paper neu zu erfinden, ohne die eigene Herkunft zu vergessen. Kein schlechter Versuch zum 10. Geburtstag, herzlichen Glückwunsch!

Für viele wird Paper in seiner jetzigen Form kein Ersatz für die normale Facebook-App sein, da einige Funktionen zum Verwalten schlicht fehlen. Aber Paper ist nicht einfach nur ein neues Design für die Facebook-App, derer sich Facebook noch nicht entledigen will. Es ist eine neue Auffassung von dem, was Facebook selbst ist und in Zukunft sein möchte. Es ist Facebooks Antwort auf Twitter, Google+ und die unzähligen Newsreader-Apps in den App Stores aller mobilen Plattformen. Facebooks Größe steht dem Unternehmen dabei selbst im Weg, diesen Schritt weltweit ohne Altlasten zu gehen, doch mit Paper ist ein Anfang gemacht, der sich fortsetzen wird.

Bei der Nutzung von Paper vergisst man die normale Facebook-App nämlich zusehends und wünscht sie sich auch nicht zurück. Für alle, die Facebook müde sind – so wie ich – und der temporeichen Newswelt verfallen sind – so wie ich –, ist Paper ein Neuanfang, der die Chance hat, Nutzer, die Facebook selbst wenig nutzen – so wie ich –, wieder für sich zu gewinnen. Paper stellt schon jetzt nicht weniger als die beste Facebook-App aller Zeiten dar.

Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.