Computerspiele, Chirurgen und Killerspiele im TV

Jirko Alex
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Wie eine 2002 durchgeführte und nun veröffentlichte Studie des „Beth Israel Medical Centers“ belegt, verbessert das regelmäßige Spielen von Videospielen die chirurgischen Fähigkeiten bei minimal-invasiven Eingriffen in den menschlichen Körper. Derartige Eingriffe werden mit einem Endoskop vorgenommen und setzen große Koordinationsfähigkeiten voraus.

Zu Studienzwecken wurden insgesamt 33 Teilnehmer eines Weiterbildungskurses für Endoskopie nach ihren Videospielgewohnheiten befragt und, so sie denn derartige spielen, ihre Geschicklichkeit festgestellt. Außerdem wurde alle Teilnehmer zu einer Runde Super Monkey Ball, Star Wars Revenge Racer und Silent Scope gebeten. Es stellte sich heraus, dass diejenigen Teilnehmer, die regelmäßig mehr als drei Stunden in der Woche an dem PC oder der Konsole verbringen, auch die besseren Ergebnisse bei der Simulation eines endoskopischen Eingriffs lieferten. Vor allem die Schnelligkeit und die Präzision im Umgang mit dem Endoskop sei deutlich besser als jene der nichtspielenden Vergleichskandidaten. Begründet wurde der Vorteil der Spieler mit der besseren Hand-Augen-Koordination sowie einer schnelleren Reaktionszeit.

Dennoch muss die im „Archives of Surgery“ veröffentlichte Studie mit Vorsicht betrachtet werden, ist die Teilnehmeranzahl doch äußerst gering. Außerdem lassen die Daten einen direkten Zusammenhang zwischen Training und den chirurgischen Fähigkeiten nur eingeschränkt erkennen. Das „Archives of Surgery“ übt sich in Zurückhaltung und warnt davor, Computerspielen als Allheilmittel zu sehen.

The idea that video game playing improves laparoscopic skills is appealing. Now kids and guilty parents do not have to argue about the electronic babysitter—this is an investment in the children's future! This is a seductive idea that has enormous potential for distortion by the media and public. The most important statement in this article is found near the end: "indiscriminate video game play is not a panacea." We still have to watch our children's video gaming carefully—the number of hours, the types of games, and so on. And will it really improve laparoscopic skills? There are several problems with this article. First, the small sample size leaves significant potential for bias. Second, the authors suggest that we should include video game play for laparoscopic skill training, but their data suggest that past playing is what improves laparoscopic skills.

Archives of Surgery

Trotz alledem erweitert die Studie eine ähnliche Feststellung der Universität von Rochester, die erst jüngst konstatierte, dass das Wahrnehmungsempfinden durch Egoshooter verbessert würde, um einen praktischen Aspekt.

Zu einem Ergebnis ganz anderer Coleur kam einmal mehr eine Berichterstattung zur aktuellen „Killerspiel“-Debatte. So setzte sich auch die „Panorama“-Sendung der ARD mit den Computerspielen auseinander, die allgemein als „Killerspiele“ diffamiert werden. Der Panorama-Bericht kommt dabei nach sechs Minuten zu dem Schluss, dass die aktuelle Gesetzgebung nicht ausreiche, da bisher kaum „Killerspiele“ hätten verboten werden können. Dabei unbeachtet bleibt die Tatsache, dass alle gezeigten Szenen im Bericht aus Spielen stammen, die nicht für Kinder und Jugendliche freigegeben oder in der Form gar nicht in Deutschland erhältlich sind. Die einzigen Repräsentanten der Spielerszene, die in der Meldung zu sehen sind, geben zudem an, die während ihres Interviews eingespielten Szenen nicht gespielt zu haben und sich überhaupt in ihren Aussagen sehr reduziert zu sehen. So wurden parallel zu den Kommentaren von Christian Reininghaus und Ingolf Wichmann, den interviewten Call-of-Duty-Spielern, Szenen aus dem Spiel, das ab 18 Jahren freigegeben ist, eingeblendet, in denen auch auf tote Gegner, die am Boden liegen, noch mehrmals Schüsse abgegeben wurden. Zudem verwies man auf die leichte Modifizierbarkeit eines Computerspiels, die es ermögliche, den Ego-Shooter, der im zweiten Weltkrieg spielt, um verbotene Symbole und Kleidung entsprechender Zeit zu erweitern. Dass dies nicht legal sei, spiele hierbei keine Rolle, da es einfach möglich ist und „jeder“ es „machen könne“.

Entsprechend groß ist die Empörung in den offiziellen Internetforen von Panorama. Das Computerspiele-Magazin GameStar hat mit einem Artikel reagiert und die Gamer bereiten eine Beschwerde beim Deutschen Presserat vor. Auch im ComputerBase-Forum wird bereits heftig diskutiert.

In dem Bericht wurde keinerlei Bezug darauf genommen, dass bisher kein Zusammenhang zwischen der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen und dem Spielen der Killerprogramme festgestellt werden konnte. Zudem wurde außer Acht gelassen, dass der bayerische Gesetzesentwurf zum Verbot der Killerspiele nach der Kritik, beispielsweise aus den Reihen des deutschen Kulturrates, sowie der Drohung deutscher Hersteller, bei einem entsprechenden Gesetz ins Ausland abzuwandern, letztendlich am Bundesrat scheiterte, der sich keinem Aktionismus hingeben wolle, solange keine wissenschaftlichen Grundlagen für die Forderungen aus Bayern vorlägen. Lediglich das in seinen Forderungen wesentlich realistischere Sofortprogamm der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat noch Chancen, zeitnah in die Tat umgesetzt zu werden.

Die Hoffnung auf eine neutrale Berichterstattung, die durchaus auch die negativen Seiten gewalttätiger Computerspiele zeigen kann und soll, stirbt jedoch zuletzt. So wird auch der Bericht von Panorama nicht der letzte seiner Art gewesen sein. Ebenso werden auch zukünftig Studien erscheinen, die versuchen, dem Computerspielen positive oder negative Effekte zu attestieren und mit einer gehörigen Prise Salz genossen werden sollten.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.