Französisches „Three-strikes-Gesetz“ aktiv

Benjamin Beckmann
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In Frankreich ist mit dem Jahreswechsel das in der Öffentlichkeit „Loi Hadopi“ genannte Gesetz zur Verbreitung und zum Schutz kreativer Inhalte im Internet wirksam geworden. Das ebenso umstrittene wie gerichtlich umkämpfte Gesetz sieht nun drei Stufen der Bestrafung für Urheberrechtsverletzungen durch Internetbenutzer vor.

Die sogenannten „Three strikes“ waren schon seit langer Zeit von der französischen Unterhaltungsindustrie und der Regierung des Ministerpräsidenten Nicolas Sarkozy gefordert worden und finden sich nun in der aktuellen Reform wieder. Die ersten beiden „Treffer“ erreichen ihren Empfänger in Form einer Verwarnung per E-Mail oder Briefpost. Erfolgt ein dritter Verstoß gegen die festgelegten Normen, die urheberrechtlich geschütztes Material unter strengen Schutz stellen, kann dies zur einjährigen Sperrung des hierzu verwendeten Internetanschlusses führen. Darüber hinaus sind laut des französischen Gesetzbuchs des geistigen Eigentums (Code de la propriété intellectuelle) weiterhin Geldstrafen bis zu einer Höhe von 300.000 Euro sowie Freiheitsstrafen von bis zu dreijähriger Dauer möglich.

Im Artikel L335-7 (frz.) unter Absatz 1 heißt es dazu:

Wird die strafbare Handlung mittels eines Online-Kommunikationsdienstes begangen, können die Personen, welche die nach Artikel L. 335-2, L. 335-3 und L. 335-4 strafbaren Handlungen begangen haben, im übrigen zu einer Nebenstrafe verurteilt werden, gemäß welcher ihr Zugang zu einem Online-Kommunikationsdienst für die Dauer von höchstens einem Jahr gesperrt wird und es ihnen verwehrt ist, während dieser Frist einen Vertrag mit einem anderen Anbieter solcher Dienstleistungen abzuschließen.

Andere Dienstleistungen eines möglichen Dual- oder Triple-Play-Angebots – wie beispielsweise die Festnetztelefonie – bleiben davon zwar unberührt (Absatz 2), es stellt sich aber dennoch die Frage, ob eine solche Maßnahme überhaupt umsetzbar ist. Zunächst sollte es für technisch versierte Personen ein Leichtes sein, sich anderweitig ins Internet einzuklinken. Des Weiteren würde im Falle einer Sperre der gesamte Haushalt, nicht der Täter allein bestraft werden.

In der Kritik stand bis vor einigen Wochen auch die neue und namensgebende Regierungsbehörde „Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protection des Droits sur Internet“ (HADOPI), welche die jeweiligen Fälle beurteilen und Sperren verhängen können sollte. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde hat die Sozialistische Partei (Parti socialiste) allerdings erreicht, dass solche Maßnahmen nur von einem ordentlichen Gericht verhängt werden dürfen – allerdings im Schnellverfahren.

Der Senator und Mitglied des HADOPI-Gremiums Michel Thiollière sagte der BBC in einem Interview, dass bereits zunächst ausgesprochenen Verwarnungen ihre abschreckende Wirkung entfalten werden. Er erwartet, dass nach der ersten Ermahnung rund zwei Drittel der Empfänger die „illegale Nutzung des Internets beenden werden“. Die zweite Verwarnung wird diese Quote seiner Meinung nach auf über 95 Prozent erhöhen.

In Deutschland haben CDU, CSU und FDP solche Maßnahmen in ihrer Koalitionsvereinbarung aus datenschutzrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Noch im Juni 2009 enthielten die Entwürfe für das Wahlprogramm der Union andere Pläne. Dort war explizit vom „britischen und französischen Vorbild“ die Rede, obwohl der erste Entwurf des HADOPI-Gesetzes kurz zuvor vom französischen Verfassungsgericht gestoppt wurde. Laut Heise Online äußerte sich der Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) im Rahmen eines Interviews mit der Zeitschrift Promedia im November des letzten Jahres solchen Zugangssperren gegenüber sehr aufgeschlossen. „Wir werden sehen, wie sich die Praxis in Frankreich entwickelt“, so Neumann damals. Man habe zwar „im Koalitionsvertrag […] vereinbart“, dass „keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen“ ergriffen werden, man wolle aber die „Möglichkeiten der Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern und Internetserviceprovidern fördern“. In dieser Legislaturperiode sind entsprechende Vorstöße, wie sie auch in Großbritannien und Neuseeland gemacht wurden, also nicht zu erwarten.

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