Musikindustrie warnt vor „sorglosem Filesharing“

Andreas Frischholz
135 Kommentare

Eltern haften nicht für illegales Filesharing ihrer Kinder, hat der Bundesgerichtshof entschieden, und sorgte mit dem Urteil für Wirbel. Die Netzgemeinde erhofft sich ein Ende der Abmahnwellen, während der Bundesverband der Musikindustrie darin keinen „Freifahrtschein für sorgloses Filesharing“ sieht.

Die Urteilsinterpretation der Musikindustrie wird aber von Äußerungen ihres Anwalts Hermann Büttner überschattet. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP und FAZ erklärte Büttner bei der mündlichen Verhandlung, der Fall werfe „ein grelles Licht“ auf heutige Eltern, für die der Begriff Erziehungsaufgabe ein Fremdwort sei. Früher habe „auch mal eine Ohrfeige nicht geschadet“, während Kinder heute an der langen Leine erzogen werden. Mit dieser Äußerung zementiert Büttner den ohnehin miesen Ruf der Musikindustrie, den diese in weiten Teilen der Netzgemeinde inne hat.

Diese ist ohnehin begeistert über das Urteil. Fundiert analysierte der Lawblogger Udo Vetter die Entscheidung des Bundesgerichtshof, die er als „Ende der Online-Sippenhaft“ bezeichnete. Seiner Ansicht nach zeige das Urteil deutlich: „Anschlussinhaber müssen ihren Internetzugang nicht übertrieben abschotten oder Mitnutzern gar hinterher schnüffeln.“ Für Abmahner ein gravierender Einschnitt. Hinzu komme, dass Staatsanwaltschaften in Filesharing-Fällen keine Hausdurchsuchungen mehr veranlassen, weswegen es bei Familien praktisch nicht möglich ist zu belegen, welches Familienmitglied die entsprechenden Dateien heruntergeladen habe.

Nach dem bisherigen Stand ist es für Eltern ausreichend, wenn sie dem Kind die illegale Tauschbörsennutzung untersagen. Die Anschlussüberwachung sei erst erforderlich, wenn „konkrete Anhaltspunkte“ bestehen. Eltern könnten demzufolge zukünftig behaupten, der Nachwuchs habe Musik, Filme oder Spiele illegal heruntergeladen – trotz sorgfältiger Belehrung. Ob das wirklich ausreicht, bleibt allerdings offen, zumindest bis die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs vorliegt. Darin werde möglicherweise noch konkretisiert, wie die Belehrungspflicht der Eltern im Detail auszusehen hat.

An diesem Punkt setzt der Bundesverband der Musikindustrie an. Man dürfe die bisherigen Aussagen des Bundesgerichtshofs nicht dahingehend interpretieren, dass „Eltern nach einmaliger Belehrung sich nun nicht mehr um das Surfverhalten ihrer Kinder kümmern müssen“, erklärt Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie. Das Urteil sei kein „Freifahrtschein“ für Eltern und ihre Kinder zum „sorglosen Filesharing“. Wie konkrete Maßnahmen aussehen, werde sich aber wohl erst aus der schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesgerichtshof ergeben. Davon abgesehen, spricht sich der Verband nicht für eine rigorose Überwachung von Internetzugängen der Kinder aus, sondern wirbt erneut für das umstrittene Warnhinweis-Modell.

Deswegen fordere der Bundesverband der Musikindustrie „seit Jahren ein Warnhinweismodell, bei dem im Fall einer Urheberrechtsverletzung zunächst eine Warnung durch den Internet-Service-Provider an den Anschlussinhaber versendet wird“. Nachdem eine Familie eine Warnung erhalten habe, könne der Vorgang innerhalb der Familie diskutiert werden und „einer erneuten Rechtsverletzung vorbeugen“. Die Umsetzung scheitere aber am Widerstand des Justizministeriums sowie der Provider, die bei einem Warnhinweis-Modell mit den Rechteverwertern kooperieren müssten.