Kommentar: Die jährliche Mär vom Billig-iPhone

Update Volker Rißka
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Volker Rißka

Eine taiwanische Seite streut ein Gerücht, ein US-Medium nimmt es auf – prompt sind angebliche Fakten geboren und verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Doch wenn es um das Thema günstiges iPhone von Apple geht, wiederholt sich die Geschichte letztlich einfach nur jedes Jahr.

Gestern kam einmal mehr die DigiTimes mit dem wilden Gerücht auf, es werde bald ein günstiges iPhone von Apple geben. Dieses soll über ein 5-Zoll-Display verfügen, aber eben nicht mehr ganz so edel ausfallen, Stichwort: Plastik-Gehäuse. Auf diese Gerüchte sprang das Wall Street Journal auf, gefolgt von der Nachrichtenagentur Bloomberg. Und jeder möchte dabei natürlich etwas mehr wissen als der andere, sogar der Preis, beginnend bei 99 US-Dollar, soll schon feststehen. Der Termin für die Markteinführung auch, Ende 2013. Beim Wortlaut und Inhalt ähneln die Beiträge der beiden großen US-Medien jedoch sehr dem Ursprung, dem Bericht der DigiTimes.

Die ganzen Gerüchte haben letztlich eines gemeinsam: Sie tauchen jedes Jahr wieder auf. Natürlich ist es nicht schwer, angesichts eines günstigen iPads, welches Ende 2012 vorgestellt wurde, auch zu behaupten, es gäbe bald ein günstiges iPhone. Und wenn man diese Geschichte nur oft genug bringt, dann wird sie sich auch irgendwann – zumindest teilweise – bewahrheiten.

Problematisch wird es dann jedoch, wenn man DigiTimes als Quelle hinsichtlich Apple-Gerüchten etwas näher beleuchtet. Die Fehlerquote dort gestreuter Gerüchte ist in dieser Hinsicht äußerst hoch, auch im neuen Fall werden mehr Fragen als Antworten aufgeworfen. Snapdragons von Qualcomm in iPhones – warum nicht die älteren eigenen Apple-Chips, wie man es beim günstigen iPad macht!? Schon dieser Punkt passt nicht zu Apples aktuellen Strategie. Und es gibt viele weitere.

Am unglaubwürdigsten macht es aber die angebliche Preisgestaltung, beginnend laut Bloomberg bei 99 bis maximal 149 US-Dollar – das aktuelle iPhone 5 startet bei 649 US-Dollar und 99 oder weniger US-Dollar mit Vertrag (hierzulande ab 1 Euro mit Vertrag). Nur 99 bis 149 US-Dollar für ein 5-Zoll-Gerät aus dem Hause Apple ohne Vertrag, deren Geräte bisher immer darauf ausgelegt sind, hohe Margen jenseits der 50 bis 60 Prozent zu produzieren!? Dementsprechend müsste ein völliger Bruch bei Apple anstehen, denn ein 5-Zoll-Handy für Herstellungskosten von entsprechend rund 50 bis maximal 80 US-Dollar zu fertigen, an dem man auch noch etwas verdienen würde, dürfte auch im Jahr 2013 eine kaum machbare Herausforderung sein. Hier müsste man deshalb wie Google, Amazon & Co. den Weg über die Quersubventionierung durch Apps gehen, da mit der Hardware selbst kein Gewinn erwirtschaftet werden könnte. Dies hat Apple bisher stets kategorisch vermieden. Andere Quellen sehen deshalb mindestens 199 US-Dollar als realistisch an, bei einer Gewinnmarge für Apple von noch 30 Prozent.

Ein günstiges iPhone ist in den kommenden Jahren aber natürlich nicht vom Tisch. Es wird als Retorten-News immer und immer wieder in den Gerüchten auftauchen, bis es dann tatsächlich erscheint. Doch ob günstiger dann wirklich nur noch ein kleiner Prozentsatz des Originals bedeutet, ist aktuell reine Spekulation. Um es halbwegs realistisch erscheinen zu lassen, sollte man sich hingegen die aktuellen Gegebenheiten ansehen, wie beispielsweise den Unterschied vom iPad mini zum normalen iPad, sowohl was die Ausstattung als auch den Preis angeht. Und exakt dort zeigen sich dann bereits die Probleme eines vermeintlich günstigen Smartphones auf: So preiswert, wie vermutet, wird es von Apple nicht werden, denn dazu müsste die Ausstattung vermutlich deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zur Konkurrenz ausfallen, sowohl aus dem eigenen Haus als auch externer Natur. Alles andere sind Wünsche und Träume, geschürt in erster Linie durch die Medien selbst, die auch immer wieder bei eigentlich Apple-fremden Themen durch die bloße Nennung des Herstellers aus Cupertino nach Aufmerksamkeit haschen.

Hinweis: Der Inhalt dieses Kommentars gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Diese Meinung wird nicht notwendigerweise von der gesamten Redaktion geteilt.

Update

Apples SVP und Marketing-Chef Phil Schiller hat sich während einer Asienreise zu Wort gemeldet. Gegenüber einer chinesischen Tageszeitung betonte er in einem Interview, dass ein günstiges iPhone „never be the future of Apple products“ sei.

Wie bereits im ursprünglichen Kommentar angerissen aber auch von vielen Lesern in ihren Meinungen geteilt, bestätigt Apple, dass man die hohen Margen und Gewinne keinesfalls aufgeben will: „In fact, although Apple’s market share of smartphones is just about 20%, we own the 75% of the profit.“. Dies soll auch in Zukunft so bleiben, weshalb man sich nicht auf günstige Produkte und zwangsweise auch günstige Komponenten verlassen will: „Every product that Apple creates, we consider using only the best technology available. This includes the production pipeline, the Retina display, the unibody design, to provide the best product to the market.”

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