Experten streiten über Anti-Abmahngesetz

Andreas Frischholz
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Es war ein steiniger Weg, bis CDU/CSU und FDP sich auf einen Kompromiss beim Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken geeinigt hatten, mit dem auch das Abmahnwesen eingedämmt werden soll. Mit dem Entwurf der Bundesregierung sind jedoch weder die Opposition, noch die Verbraucherschützer und Rechteinhaber zufrieden.

Von einer „Bagatellisierung von Urheberrechtsverletzungen“ sprach Sebastian Bergau von Constantin Film, der eine Stellungnahme (PDF-Datei) für das „Forum der Rechteinhaber“ abgab – und argumentiert dabei ähnlich wie die Vertreter der Kreativwirtschaft, die bereits während den Verhandlungen der Bundesregierung gegen den Entwurf gewettert hatten. Durch Abmahnungen, so Bergau, habe man Downloads von Filmen und Musik erfolgreich einschränken können, dieses Jahr sinke die Anzahl verschickter Abmahnungen seiner Produktionsfirma vermutlich um 20 Prozent. Mit der Deckelung von Abmahngebühren auf rund 155,30 Euro sei die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen aber nicht mehr finanzierbar, den Rechteinhabern werde „jede wirtschaftlich realistische Möglichkeit entzogen, zivilrechtlich gegen Rechtsverletzungen vorzugehen“.

Außerdem kritisierte Bergau die Klausel, nach der unberechtigt abgemahnte Nutzer den Anspruch erhalten, dass die Rechtsverteidigungskosten von den Abmahnern erstattet werden. Das erhöhe das wirtschaftliche Risiko für die Rechteinhaber enorm. Zu Unrecht, argumentiert Bergau, immerhin könnten die Abmahner nur auf IP-Adressen zugreifen, die darauf Anschlussinhabern zugeordnet werden. Rechteinhaber handeln demzufolge „rechtmäßig, wenn er den im Rahmen der Auskunft ermittelten Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung in Anspruch nimmt“.

Jan Bernd Nordemann, Fachanwalt für Medien- und Urheberrecht, erklärte, eine Deckelung sei unflexibel, ungerecht und unfair, weil es bei privaten Urheberrechtsverletzungen eine enorme Spannweite gebe – angefangen bei einzelnen Fotos bis zum öffentlichen Bereitstellen erfolgreicher Kinofilme. Zudem kritisierte er die Ausnahmeregelung, nach der die Deckelung der Abmahngebühren nicht gelte, sollten diese „nach den besonderen Umständen des Einzelfalles sowie der Anzahl oder der Schwere der Rechtsverletzungen unbillig“ sein – das kommt etwas überraschend, bislang war diese vor allem Bürgerrechtlern und Verbraucherschützern ein Dorn im Auge. Nordemann geht diese aber nicht weit genug, weil „gefährliche private Verletzungen nicht verfolgt“ werden könnten. Um eine kostengünstige Alternative zu schaffen, bringt er ein Warnsystem für Urheberrechtsverletzungen ins Gespräch – also ein System wie das äußerst umstrittene Three-Strikes-Modell, über dessen Abschaffung respektive Schwächung in Frankreich derzeit diskutiert wird.

Durch Ausnahmeregelung verfehlt das Gesetz das Ziel, warnen Verbraucherschützer

Ob die Ermittlung eines Anschlussinhabers mittels IP-Adresse ausreicht, um die jeweilige Person grundsätzlich für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich zu machen, ist allerdings zunehmend umstritten. Ohnehin bestehe bei dem Auskunftsanspruch der Rechteinhaber ein dringender Anpassungsbedarf, erklärte der Kölner Rechtsanwalt Christinan Solmecke (PDF-Datei). Derzeit würden monatlich etwa 300.000 IP-Adressen abgefragt, wobei es bei der Zuordnung von Identitäten häufiger zu Fehlern käme. Problematisch sind laut Solmecke zudem die Bestimmungen zum „gewerblichen Ausmaß“, weil aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs praktisch alle Filesharing-Nutzer in dieser Kategorie eingeordnet werden, auch wenn diese Filme oder Musikstücke nur privat tauschen.

Ebenso kritisch äußerte sich Lina Ehrig (PDF-Datei), Medienreferentin vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Es entstehe der Eindruck, dass „Rechteinhaber und Rechtsanwälte Abmahnungen als lukratives Geschäftsmodell und Einnahmequelle entdeckt haben und dieses zu Lasten der Verbraucher betreiben“. Deswegen handele es sich bei der Deckelung nicht um eine „Bagatellisierung von Urheberrechtsverletzungen“. Sie unterstützt die Forderung des Bundesrats, den Streitwert bei der ersten Abmahnung von 1.000 Euro auf 500 Euro zu senken, womit die Abmahngebühr auf 70,20 Euro sinkt. Zudem sollte der Bundestag die Ausnahmeregelung streichen.

Bei den „besonderen Umständen des Einzelfalles“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die letztlich Gerichten interpretiert werden. Angesichts der derzeitigen Rechtsprechung befürchten die Verbraucherschützer, dass auf diesem Weg das derzeitige Abmahnwesen weitestgehend bestehen bleibt. Ein vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass die Ausnahmeregelung in „78 Prozent der aktuell wichtigsten Abmahnkonstellationen“ greife – womit das Gesetz sein Ziel verfehlt.

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