US-Rechnungshof: Filesharing-Schaden überschätzt

Jirko Alex
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Der US-Rechnungshof hat sich in einem Bericht mit den Auswirkungen durch Produktpiraterie befasst. Dies geschah, um ein bereits unter US-Präsident Bush verabschiedetes Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums (PRO-IP Act) auf eine solide Basis zu stellen. Eine solche Grundlage konnte jedoch nicht gefunden werden.

Nicht nur in den USA sondern weltweit versucht sich die Musik- und Filmindustrie gegen den Schaden zu wehren, der ihr durch das illegale Herunterladen oder Tauschen von Kreativinhalten entsteht. In den USA wurde zu diesem Zweck 2008 allerdings ein umstrittenes Gesetz auf den Weg gebracht – der PRO-IP Act. Neben der Schaffung eines eigenen Amtes im Weißen Haus, dem Beauftragten für Urheberrechtsverletzungen, wurden auch die Strafen für Produktpiraterie angezogen. Der Bericht des US-Rechnungshofes sollte eine Datenbasis für die Arbeit gemäß des PRO-IP Acts schaffen und Zahlen etwa zum Umfang und den Auswirkungen von Produktpiraterie erstellen. Bis dahin galten vor allem jene Werte, welche die geschädigte Industrie selbst verkündete. Für den US-amerikanischen Raum bedeutete dies einen Verlust von 250 Milliarden US-Dollar sowie einen Jobabbau von 750.000 Stellen.

Dass diese Zahlen in dem Umfang nicht stimmen, wird der Industrie bereits seit Jahren vorgeworfen. Es fehle insbesondere an Transparenz bezüglich der Berechnungsmethoden. Auch stellt sich bei genauer Betrachtung schnell die Frage, wer Urheber dieser Daten ist und für welchen Zeitraum sie überhaupt gelten sollen. Der US-Rechnungshof äußerte in seinem Bericht nun ganz offiziell Zweifel an diesen Zahlen. Er fand in seiner Untersuchung keinerlei Datenbasis für eine korrekte Berechnung. Das sei vor allem deshalb nicht möglich, weil die wirklichen Auswirkungen des Filesharings nur geschätzt werden können und hierbei vor allem zwei Probleme auftreten: Weder über die Substitutionsrate der Downloader noch über den eigentlichen Wert der kopierten Inhalte herrsche Einigkeit. Bei der Substitutionsrate handelt es sich um den Anteil an Produkten, die ein Produktpirat kaufen würde, wenn er nicht anderweitig an das Objekt seiner Begierde gelangen könnte. Es dürfte hierbei klar sein, dass nicht jeder heruntergeladene Film auch gekauft würde, wenn man ihn nicht illegal über das Internet beziehen könnte. Von welchem Anteil hier jedoch ausgegangen werden muss, lässt sich nicht bestimmen.

Zum Wert des eigentlichen Produktes lässt sich auch mehr philosophieren als Tatsachen schaffen. So lassen sich kopierte Güter nicht anhand einer Preistabelle abschätzen und ebenso wenig gegen ihre Originale aufrechnen. Zum einen müsste stets eine qualitative Vergleichbarkeit bestehen, was bei kopierter Musik oder bei Filmen nicht immer der Fall ist, zum anderen lässt sich der Wert des originalen Gutes schon nicht eindeutig bestimmen. Neben den Herstellungskosten könnten hierfür auch der anvisierte Verkaufspreis oder die Selbstkosten des Produkts in Frage kommen. Diese Unbekannten müssten mit Annahmen gefüllt werden, die das Endergebnis stark beeinflussen. Da es für derlei Annahmen jedoch keine sinnvollen Vorgaben gibt, können die Aussagen der Musik- und Filmindustrie nicht vom Rechnungshof gestützt werden.

Er erinnerte in dem Bericht zudem daran, dass es auch positive Effekte durch Produktpiraterie geben könne, die allerdings ebenso schwer abzuschätzen sind wie negative. Gemeinhin werden positive Effekte im Vergleich zu negativen als unbedeutend gering bezeichnet, was aber nicht bestätigt werden könne, da es zu beiden keine verlässliche Datenbasis gebe und die negativen Effekte zumeist überschätzt würden. Positive Effekte der Produktpiraterie können dabei eine stärkere Marke und damit erhöhte Merchandising-Verkäufe sein sowie ein Wachstum in anderen Wirtschaftsbereichen, etwa bei Herstellern von Speicherprodukten oder Anbietern von Infrastrukturlösungen für Internetverbindungen.