Intel G35-Chipsatz unangekündigt eingeführt

Thomas Hübner
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Ohne offizielle Ankündigung hat Intel in der vergangenen Woche den G35 Express Chipset, ehemals Codename Bearlake-G+ vom Stapel laufen lassen. Daneben wurde das Produktportfolio um die Chipsätze P31 und G31 erweitert.

Dass der Startschuss für den G35 gefallen ist, erfährt man eher beiläufig, denn es hat weniger einen Knall noch irgendeine Ankündigung gegeben. Heimlich, still und leise hat der Halbleiterriese die Datenblätter auf seiner Webseite platziert. Dafür, dass es sich um den weltweit ersten Chipsatz mit einer integrierten DirectX-10-Grafikeinheit handelt, der entsprechende Werbung verdient hätte, misst Intel mit seiner Informationspolitik diesem Produkt eher die Bedeutung eines umgefallenen Sacks Reis bei.

Intel G35 Express Chipset – Bearlake-G+ Produktbild
Intel G35 Express Chipset – Bearlake-G+ Produktbild

Der G35 Express Chipset (Bearlake-G+) ist der Nachfolger des im letzten Jahr präsentierten G965-Chipsatzes (Broadwater) und wartet im Detail mit einigen Verbesserungen auf. So unterstützt er offiziell die kommenden Mikroprozessoren auf Basis der Penryn-Produktfamilie, die die Codenamen Wolfdale (Dual-Core) und Yorkfield (Quad-Core) tragen. Einhergehend damit wird auch ein 1333 MHz schneller Frontside-Bus unterstützt. Die integrierte Grafik trägt nun den Namen Intel Graphics Media Accelerator X3500 und wartet unter anderem mit Support für DirectX 10 und OpenGL 2.0 auf.

Soviel der guten Nachrichten, denn es gibt auch Schattenseiten. Während der im zweiten Quartal vorgestellte G33-Chipsatz (Bearlake-G) die Unterstützung für DDR3-1066-Speicher mitbringt, fehlt dem G35 dieses Feature. Gerade für integrierte Grafiklösungen ist Speicherbandbreite unheimlich wichtig, da sie nicht über einen dedizierten VRAM verfügen und sich deshalb vom Arbeitsspeicher bedienen müssen. Hier hat der G33 die besseren Karten. Beim verbauten ICH (Input/Output Controller Hub) sieht es nicht besser aus. Während P35 und G33 mit dem neuen ICH9 ausgeliefert werden, wird das Topprodukt mit dem ICH8 gebündelt, welches zusammen mit Broadwater vorgestellt wurde. Es stellt sich unweigerlich die Frage, warum der G35 auf zwei zusätzliche USB-2.0-Ports und die Unterstützung der Intel Turbo Memory Technology (Robson) ebenso verzichten muss wie Intel Rapid Recover Technology und Support für Command Based Port Multiplier am eSata-Anschluss (siehe Blockdiagramm).

Intel G35 Express Chipset – Bearlake-G+ Blockdiagramm
Intel G35 Express Chipset – Bearlake-G+ Blockdiagramm

Die Erklärung scheint leicht. Intel hat Anfang 2007 seine Pläne für den G35 geändert. Die ursprüngliche Version hätte tatsächlich mit ICH9 und Support für DDR3-Speicher erscheinen sollen. Und nicht nur das. Auch native Unterstützung für HDMI und DVI waren geplant. Die nun vorgestellte Version ist dagegen wieder auf über Serial Digital Video Out (SVDO) angebundene Wandlerchips angewiesen. Intel habe seinerzeit den Schritt mit Abwärtskompatibilität begründet. Mit den verworfenen Features konnte der Chipsatz in das Package des Broadwater-Chipsatzes verfrachtet werden und wird dadurch ohne Änderungen vom alten Platinenlayout unterstützt.

Realistisch gesehen ist der G35 nicht viel mehr, als ein minimal verbesserter G965. Einen 1333 MHz schnellen Frontside-Bus haben nahezu alle Chipsätze der Broadwater-Familie durch Overclocking spielend (und auf vielen Mainboards durch BIOS-Updates auch mit offizieller Freigabe) erreicht und auch der Support für Penryn scheint eher eine formale Angelegenheit zu sein. Es muss letztendlich nur sichergestellt werden, dass der Frontside-Bus-Puffer mit der bei Penryn abgesenkten I/O-Spannung zurechtkommt.

Was dem G35 dann noch als Feature bleibt, ist die DirectX-10-taugliche Grafiklösung – und auch diese bietet genügend Anlass zur Kritik. Dass der alte Intel Graphics Media Accelerator X3000 prinzipiell DirectX 10 könnte, wurde schon zur CeBIT 2006 immer gerne ins Feld geführt und wurde unter der Hand auch auf dem Intel Developer Forum Fall 2006 bestätigt. Bereits damals kamen wir zur der Einschätzung:

Zu den Features, die Intels GMA X3000 nach aktuellen Informationen nicht erhalten wird, gehören hardwarebeschleunigtes H.264 und Support von DirectX 10. H.264-Beschleunigung ist laut Intel nur mit zusätzlichen Transistoren im Chip möglich. Das mit Windows Vista eingeführte DirectX 10 könnte die GMA X3000 im G965 zwar unterstützten (entsprechende Pläne gab es zur CeBIT 2006 noch), um jedoch den Verkauf des Nachfolgers Bearlake-G+ anzukurbeln, scheint man dem aktuellen Chipsatz dieses Feature verwehren zu wollen.

Mit Bearlake-G+ wird Intel die Anzahl der Unified-Shader-Einheiten von derzeit 8 auf 16 verdoppeln. H.264-Beschleunigung soll Einzug halten (Santa Rosa wird dieses Feature ebenfalls bieten) und der Takt des Grafik-Chips unverändert bei 667 MHz bleiben. Beim Namen der Bearlake-G+-Grafikeinheit möchten wir mit Graphics Media Accelerator X3500 (GMA X3500) einen Schuss ins Blaue wagen.

ComputerBase, Oktober 2006

Entgegen der Erwartungen fehlt dem Graphics Media Accelerator X3500 des G35 die H.264-Beschleunigung und von der auf 16 Stück verdoppelten Anzahl von Unified-Shader-Einheiten fehlt laut Datenblatt jede Spur. Sollte sich diese Vermutung bewahrheiten, hat sich Intel in einem Jahr im Bereich der integrierten Grafik nicht von der Stelle bewegt. Mit der vom Unternehmen vor zwei Jahren noch offiziell bestätigten DirectX10-Unterstützung des G965, gleichen die Produktbeschreibungen von GMA X3000 und X3500 einander auffallend stark:

The Intel G965 Express Chipset delivers a new generation of graphics with the Intel Graphics Media Accelerator X3000 (Intel GMA X3000). With 667 MHz performance and support for Microsoft DirectX 9.0c Shader Model 3.0 and OpenGL 1.5, Intel Intel GMA X3000 delivers spectacular 3D graphics and remarkable graphics responsiveness. (Product Brief)

The Intel G35 Express Chipset delivers a new generation of graphics capabilities with the Intel Graphics Media Accelerator X3500 (Intel GMA X3500). With 667 MHz core performance and support for Microsoft DirectX 10.0, Shader Model 4.0, and OpenGL 1.5, Intel GMA X3500 delivers enhanced game compatibility and spectacular 3D graphics. (Product Brief)

Intel G35 und G965 Produktbeschreibung

Auch der DirectX-10-Support des Mobile Graphics Media Accelerator X3100, der integrierten Grafiklösung des auf Broadwater basierten GM965-Chipsatzes, unterstützt die Behauptung. Doch selbst wenn dem G965 tatsächlich einige Transistoren für DirectX 10 fehlen würden, bei der aktuellen Treibersituation sind sie doch alle gleich.

Die folgende Tabelle zeigt die Anforderungen an die Grafikhardware, um ein gewisse DirectX-Einstufung zu erhalten. Hierbei gilt es, ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass G965 mit Support für DirectX 9.0c und G35 mit Support für DirectX 10 umworben werden.

DirectX und die Shader-Einheiten
DirectX Anforderungen an Pixel- und Vertex-Shader
DX10 Shader-Modell 4.0 + Geometrie Shader
DX9.0c Shader-Model 3.0
DX9.0 Shader-Model 2.0
DX9.0a Shader-Model 2.0 + Extensions von Nvidia für NV3x bis Ps2.0a
DX9.0b Shader-Model 2.0 + Extensions für ATi R4x0 bis Ps2.0b
DX8.1 Shader Model 1 bis max Pixel-Shader 1.4 und Vertex-Shader 1.1
DX8 Shader Model 1 bis max Pixel-Shader 1.3 und Vertex-Shader 1.1

Bis Mitte Juni 2007 waren Intels mit DirectX 9.0c angekündigten Produkte nur zu DirectX 8.1 oder 8.0 fähig und sind es offiziell, insbesondere unter Windows Vista, eigentlich immer noch, wenn man die softwareseitige Emulation über den Hauptprozessor nicht wertet. Das Unternehmen hat im Juni einen Beta-Treiber veröffentlicht, der für hardwareseitiges Vertex Shading 2.0 und Transforming und Lighting (T&L) sorgt. Die Hardware hätte aktuell somit die Einstufung DirectX 9.0 verdient. Dass der Treiber dabei noch alles andere als eine gute Figur macht, wie MisterH aus unserem Forum anhand von Vergleichsmessungen zeigt, ist eine zusätzliche Enttäuschung. Für Windows XP steht mit Treiberversion 14.31.0.4859 seit 10. August nun auch Hardware-Vertex-Shader 3.0 zur Verfügung. Die Tatsache, dass es eine Möglichkeit gibt diese zu deaktivieren, ist in Anbetracht der Performance der Beta-Version nicht verwunderlich – ein moderner Prozessor kann die Vertex-Shader in Software derzeit zum Teil besser emulieren, als die speziell dafür entworfene Grafiklösung von Intel.

Noch in diesem Monat soll auch für Windows Vista ein Treiber mit Hardware-T&L- und Vertex-Shader-3.0-Unterstützung sowie Videobeschleunigung für WMV9b/VC-1 folgen. Die DirectX-10-Treiber, so verrät Intel in einem Datenblatt, sollen erst im ersten Quartal 2008 bereitstehen. Bis dahin kann der GMA X3500 nur auf dem Papier mehr als die vor einem Jahr präsentierte GMA X3000-Lösung.

Die Vorstellung des G35-Chipsatzes möchten wir mit einem Vergleich der Stromaufnahme abschließen, die wir den Datenblättern entnommen haben. Ein Blick auf die Chipsätze der vergangenen vier Jahre zeigt, dass sich der Stromverbrauch, trotz des Wechsels auf moderne Prozesstechnologien kontinuierlich gesteigert hat. Insbesondere die Modelle mit integrierter Grafik setzten sich immer stärker von den normalen Modellen ab. (siehe Diagramm)

Stromverbrauch Northbridge
    • G35 (Bearlake-G+) – 90 nm
      28,0
    • G33 (Bearlake-G) – 90 nm
      14,5
    • G31 (Bearlake-G) – 90 nm
      15,5
    • P35 (Bearlake-P) – 90 nm
      16,0
    • P31 (Bearlake) – 90 nm
      15,5
    • G965 (Broadwater-G) – 90 nm
      28,0
    • P965 (Broadwater-P) – 90 nm
      19,0
    • 975X (Glenwood?) – 0,13 µm
      13,5
    • 955X (Glenwood) – 0,13 µm
      13,5
    • 945G (Lakeport-G) – 0,13 µm
      22,2
    • 945P (Lakeport-P) – 0,13 µm
      15,2
    • 925XE (Alderwood) – 0,13 µm
      13,3
    • 925X (Alderwood) – 0,13 µm
      12,3
    • 915G (Grantsdale-G) – 0,13 µm
      16,3
    • 915P (Grantsdale-P) – 0,13 µm
      15,2
    • 875P (Canterwood) – 0,18 µm
      10,0
    • 865G (Springdale-G)– 0,18 µm
      12,9
    • 865P (Springdale-P) – 0,18 µm
      10,3
Einheit: Watt (W)
Stromverbrauch Southbridge
    • ICH5 – 0,18 µm
      2,4
    • ICH7 – 0,13 µm
      3,3
    • ICH6 – 0,18 µm
      3,8
    • ICH8 – 0,13 µm
      4,1
    • ICH9 – 0,13 µm
      4,3
Einheit: Watt (W)

(Prozesstechnologie bei allen Chipsätzen außer
Broadwater und Bearlake geschätzt)

Von Generation zu Generation hat sich die Stromaufnahme (bzw. die Thermal Design Power, für die die Kühllösungen ausgelegt werden müssen) der Chipsätze mit Grafik kontinuierlich erhöht. Die einzige Ausnahme bildet der G35, ein Chipsatz, der die selben Features wie der G965 bietet, mit der selben Southbridge daher kommt, ohne Änderung am Boardlayout den G965 ersetzen kann und in der vergangenen Woche ohne jegliche Produktankündigung in das Portfolio von Intel aufgenommen wurde – ein innovatives Produkt, das nur noch von der Grafiktreiberentwicklung in den Schatten gestellt wird.

Randnotiz: Je nach Datenblatt, spricht Intel dem GMA X3500 Support bis maximal OpenGL 2.0 oder OpenGL 1.5 zu. Außerdem lohnt sich ein Blick in den von Intel als PDF-Dokument zur Verfügung gestellten Feature-Vergleich von GMA 3000, X3000, 3100, X3100 und X3500.