„Killerspiele“: Expertenrat skeptisch

Update Jirko Alex
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Am gestrigen 26. April, dem fünften Jahrestag des Schulmassakers in Erfurt, versuchte ein Expertengremium des „Unterausschusses Neue Medien“ des Bundestages zu klären, inwieweit Kinder und Jugendliche durch gewalthaltige Spiele gefährdet sind und welcher gesetzliche Schutz daran etwas ändern könnte.

Die Diskussion ist nötig, da der Bundesrat seinerzeit einen Gesetzesetwurf aus Bayern ablehnte, der die Verschärfung des Paragraphen 131 StGB forderte, um auf diesem Wege den Verkauf von als gefährdend eingestuften Actionspielen unter Strafe zu stellen. Neben altbekannten Theorien und Spielen wurden dem Expertengremium jedoch auch neue Aspekte vorgetragen, die ein düsteres Bild um die Auswirkungen von so genannten „Killerspielen“ auf Jugendliche zeichnen. So klagte Prof. Dr. Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen gewalthaltige Computerspiele umfangreich an. Er begann seinen Vortrag mit Szenen aus den Computerspielen GTA: San Andreas und Der Pate. Speziell anhand des Grand-Theft-Auto-Teils demonstrierte er, wie es Belohnungen für besonders brutale Morde gäbe. Die zu diesem Zwecke gezeigten Szenen wurden zwar kurzerhand von Prof. Dr. Hartmut Warkus vom Zentrum für Medien und Kommunikation der Universität Leipzig relativiert, indem dieser anmerkte, dass man besser ihn die Szenen hätte vorführen lassen sollen, da sie so komprimiert in dem Spiel gar nicht vorhanden seien – aber dann wäre es sicherlich sehr viel langweiliger gewesen.

Nichtsdestotrotz verwies Prof. Dr. Christian Pfeiffer auf eine Studie, laut der von 6500 befragten Zehnjährigen etwa 20 Prozent bereits Spiele spielten, die erst ab 16 freigegeben sind – wie es auch GTA: San Andreas in Deutschland ist. Dies belege, dass der Jugendschutz nicht funktioniere. Er zog in diesem Zusammenhang einen Vergleich mit Hardcore-Pornografie und verwies darauf, dass „Killerspiele“ besonders zu bewerten seien, da man in ihnen selbst Akteur sei. Dies führe zu einer Desensibilisierung der Jugendlichen. Zwar merkte auch Prof. Dr. Christian Pfeiffer an, dass man dies nicht pauschal auf alle Kinder übertragen könne, es aber bei einer kleinen Gruppe der Spieler als gegeben angesehen werden kann, dass die bei ihnen festgestellte Gewaltbereitschaft bereits in der Persönlichkeit verankert war und durch übermäßigen Medienkonsum besonders gewalthaltiger Spiele verstärkt wurde.

Einen weiteren Aspekt der Actionspiele bezog der Kriminologe speziell auf Jungen, die er als besonders gefährdet einstuft, da sie nach einer Studie besonders häufig Spiele spielten, die nicht für ihr Alter freigegeben wurden. So erklärte er die rückläufigen Leistungen der Jungen in den vergangen 15 Jahren in der Schule mit dem steigenden Konsum von Computerspielen, die den Spieler teilweise in ein Suchtverhalten drängen. So liegt der Anteil der männlichen Schulabbrecher mittlerweile bei etwa 66% Prozent, obgleich sich dieser vor Jahrzehnten relativ konstant bei 50:50 gehalten hat. Prof. Dr. Hartmut Warkus hält hingegen eine derartige Suche nach Zusammenhängen für zu stereotyp, die Ursachen für schulische Leistungseinbrüche seien vielschichtiger.

Schuld an dem mangelhaften Jugendschutz sei nach der Meinung Prof. Dr. Christian Pfeiffers unter anderem die USK. Diese käme mitunter zu nicht nachvollziehbaren Ergebnisse bei der Alterseinstufung und sei zudem voreingenommen, da sie Firmen vor der Fertigstellung des Computerspieles hinsichtlich der Gewaltinhalte berate und so eine Anpassung an den deutschen Markt erreicht, indem bestimmte Elemente des Spiels gestrichen oder modifiziert werden, der eigentliche gewaltfördernde Inhalt jedoch bestehen bleibe. Die Arbeit der BPjM sei hingegen vorbildlich, hänge aber zu sehr von den Ergebnissen der USK ab, da Spiele mit einer Jugendfreigabe nicht mehr indiziert werden könnten.

Die Lösung für das Problem des mangelnden Jugendschutzes sieht Prof. Dr. Christian Pfeiffer in einer Kombination des bayerischen Gesetzesentwurfs und des Sofortprogramms von Familienministerin Ursula von der Leyen. So seien die Verbotsforderungen für „Killerspiele“, wie sie in Günther Becksteins Gesetzesentwurf im Zuge der Verschärfung des § 131 StGB geäußert wurden, zu begrüßen. Zudem sei es sinnvoll, die Definition gefährlicher Computerspiele zu überdenken und nicht nur gewaltverherrlichende Spiele sondern auch, wie von Ursula von der Leyen angestrebt, gewalthaltige Spiele zu überprüfen und für Jugendliche zu verbieten. Das Verkaufsverbot richte sich dabei laut Prof. Dr. Christian Pfeiffer nicht gegen den Spieler, dem das Spielen untersagt werden soll, sondern gegen die Industrie, die fragliche Software besser gar nicht erst herstellen sollte.

Ihm widersprach auch in diesem Fall Prof. Dr. Hartmut Warkus, der unter anderem das Szenario der Abstumpfung von Jugendlichen als zu sehr überzogen empfindet. Er selbst habe über 50 Partien Counterstrike gespielt, bis ihm auf Nachfrage aufgefallen sei, dass in dem Spiel Blut existiere. Es sei viel mehr nötig, die Eltern zu sensibilisieren, sodass sich diese um den Medienkonsum ihrer Kinder ähnlich stark kümmerten wie um die Verkehrserziehung oder den Gesundheitszustand. Dafür bedarf es aber auch einer weiteren Auflärung der Nicht-Spieler, da diese nur allzu oft zu beurteilen versuchen, was sie selbst nie gespielt und damit erlebt hätten. Prof. Dr. Hartmut Werker empfiehlt daher, dass Eltern auch mal mit ihren Kindern spielen.

Zudem sei es zwar richtig, dass viele Kinder gewalthaltige Spiele spielten, dies ist aber auch nach geltendem Recht illegal, weshalb nicht an der Gesetzgebung selbst, sondern an deren Umsetzung gearbeitet werden müsse. Eine Verschärfung und Verbote träfen in dem Falle also all' jene, die bisher legal an Actionspiele gelangen können und damit zumindest 16 Jahre alt sind. Ein wirksamer Jugendschutz sollte jedoch schon vorher greifen. Wohl auch deswegen fiel die Zustimmung zu einer Verbotsforderung für „Killerspiele“ parteiübergreifend verhalten aus. So sahen Vertreter der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Verschärfung der Gesetzeslage als nicht sinnvoll an, die SPD sehe das Problem ebenfalls im Bereich der Umsetzung bestehender Gesetze und auch der Tenor der Grünen und Linken war von Skepsis geprägt. Die FDP spricht gar von einer „Verteufelung“ und „pauschalen Urteilen“, die wenig hilfreich für eine Lösungsfindung seien.

Da wundert auch das Fazit von Christoph Waitz (FDP) nicht, der feststellen muss, dass man eher an Symptomen herumdoktort, obwohl das Problem die soziale Verwahrlosung unserer Gesellschaft sei, an der man ansetzen müsste.

Update

Nachdem das Expertengespräch des vergangenen Donnerstags zum Ergebnis hatte, dass sich die Koalitionsvertreter und die geladenen Experten, mit Ausnahme von Prof. Dr. Christian Pfeiffer, gegen eine Verschärfung des Jugendschutzgesetzes und gegen ein Verbot von Gewaltspielen aussprachen, scheint dies den Kritikern der so genannten „Killerspiele“ nicht zu genügen. Allen voran springt nun wieder Günther Beckstein in die Bresche, der vor wenigen Monaten bereits den Gesetzesentwurf aus Bayern zur Verschärfung des § 131 StGB forcierte.

Bayerns Innenminister verwies in Anbetracht des für ihn ungenügenden Ergebnisses der Expertenrunde darauf, dass das Verbot von „Killerspielen“ bereits im Koalitionsvertrag der Regierung festgeschrieben sei:

„Das Verbot von Killerspielen ist Bestandteil des Koalitionsvertrags. Dessen Inhalt kann nicht von einzelnen Koalitionsvertretern nach einem einzigen Expertengespräch ausgehebelt werden. Ich lege großen Wert darauf, dass der Koalitionsvertrag auch in diesem Punkt eingehalten wird.“

Günther Beckstein

In der Tat heißt es in dem entsprechenden Passus des Koaltionsvertrages: (VI. Familienfreundliche Gesellschaft – 6.3 Aufwachsen ohne Gewalt)

Die Neuregelungen im Jugendschutz werden schnellstmöglich – und deutlich vor dem für März 2008 verabredeten Zeitpunkt – evaluiert, um notwendige Konsequenzen rechtzeitig ziehen zu können. Wir wollen hierzu unverzüglich in einen zielorientierten Dialog mit den Ländern eintreten. Folgende Eckpunkte sollen vorrangig erörtert werden:

  • Wirksamkeit des Konstrukts „Regulierte Selbstkontrolle“
  • Altersgrenzen für die Freigabe von Filmen und Spielen/Alterskennzeichnung von Computerspielen
  • Verlässliche Kontroll- und Sicherheitsstandards für Videoverleihautomaten
  • Verbot von „Killerspielen“
Koalitionsvertrag

Unverständlich scheint dieser Angriff auf die Expertenrunde dennoch: Während im Koalitionsvertrag festgelegt ist, dass ein Verbot erörtert werden solle, wurde eben dieses nach der Ablehnung des Gesetzesentwurfes aus Bayern vor gut zwei Monaten im „Unterausschuss Neue Medien“ getan. Es drängt sich viel eher der Verdacht auf, dass diskutiert werden soll, bis sich ein für Kritiker geeignetes Ergebnis ergibt.