Medialer Eiertanz um „Modern Warfare 2“

Andreas Frischholz
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Activision Blizzard kann sich freuen: Das ohnehin lang erwartete und mit ordentlichem Hype versehene „Call of Duty: Modern Warfare 2“ steht kurz vor dem Marktstart und sorgt derzeit für allerlei Wirbel in der fachbezogenen Presselandschaft, angefeuert vom Publisher selbst.

Dieser verkündete etwa, dass die deutsche Version des Spiels ungeschnitten in die Händlerregale gelangen soll. Bereits nach den ersten Meldungen über diese Entscheidung machten Gerüchte die Runde, dass Activision Blizzard entgegen der Ankündigung Änderungen vornehmen wird, weswegen die Kollegen von Schnittberichte.com nochmals explizit beim Publisher nachfragten. Ihnen versicherte man sowohl telefonisch als auch per E-Mail, dass die Gerüchte jeder Grundlage entbehren. Erste Reviews zeigte nun aber das Gegenteil, in dem bereits seit mehreren Wochen viel diskutierten Gewaltlevel ist in der deutschen Version das Spiel vorüber, sobald der Spieler Zivilisten erschießt. Man kann über den Level an sich denken, was man möchte – das grundlegende Problem in diesem Fall ist, dass der Publisher im Vorfeld Verlautbarungen von sich gibt und diese sogar auf Nachfrage bestätigt, obwohl diese schlicht nicht zutreffen. Dass man dieses Vorgehen damit begründet, die „Streichung der Schussmöglichkeit auf Zivilisten“ definiere man selber gar nicht als Einschnitt – man sehe ja sonst alles –, lässt erahnen, wie wenig Respekt man seitens Activision Blizzard gegenüber der Presselandschaft aufbringt.

Das genannte Level wurde vor einiger Zeit via YouTube-Video publik, welches für hitzige Diskussionen sorgt. In der Mission folgt man undercover einer Gruppe von Terroristen in einen Flughafen, wo diese Zivilisten erschießen – als Spieler hat man zumindest der Originalfassung ebenso die Möglichkeit, es ihnen gleich zu tun. Die Entwickler wollen mit dem Level die Schrecken des Terrorismus darstellen, allerdings erscheint es fragwürdig, ob das auf diesem Weg geschehen muss. Immerhin: das Level kann übersprungen werden, sofern man das Massaker nicht selbst erleben will, allerdings fragt sich dann, wie viel inhaltlichen Wert ein solcher Level dann für das Spiel hat – oder ob man es nicht mutwillig auf einen kleinen Skandal angelegt hat. Die Schwestermagazine Gamestar und Gamepro haben im Rahmen eines gemeinsamen Kommentars Stellung bezogen und zeigen sich wenig begeistert von der Design-Entscheidung. Zumindest für das deutsche Spieleumfeld werden richtige Argumente eingebracht, jedoch sollte man bedenken, dass Modern Warfare 2 in erster Linie nicht für den hiesigen Markt entwickelt wird. Verfolgt man die Äußerungen von Activision-Blizzard-Chef Robert Kotick in der Vergangenheit, kann man eher davon ausgehen, dass der Publisher den medialen Rummel als angemessene Inszenierung zum Verkaufsstart ansieht, um zusätzlich den Absatz anzukurbeln, nicht aber einen rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit der deutschen Spielelandschaft im Sinn hat.

Dass man durchaus bereit ist, eingefleischte Käuferschichten vor den Kopf zu stoßen, hat der Publisher bereits in den letzten Wochen bewiesen. Unmissverständlich hat man klar gemacht, dass der neue Teil nicht die beliebten dedizierten Server bietet und auch nicht mehr erhalten wird. Die Vorteile, die der PC als Spieleplattform bietet, werden stetig abgesägt und zugunsten einer einheitlichen Version für Konsolen und den PC geopfert. So fallen auch die Befehlskonsole innerhalb des Spiels, Modding-Möglichkeiten und die Replay-Funktion der Schere zum Opfer, außerdem wurde die Anzahl der Teilnehmer einer Multiplayer-Partie den Konsolenfassungen entsprechend auf 18 Spieler beschränkt. Die Wirkung der Petition, an der immerhin über 100.000 Spieler teilgenommen haben, ist offenbar verpufft.

Davon abgesehen hat Activision Blizzard noch einen Launch-Trailer bereitstellt, der bei all dem Tamtam beinah untergeht – das dürfte den Publisher allerdings nicht weiter stören, mediale Aufmerksamkeit erhält das Spiel derzeit ohnehin mehr als genug, ebenso sieht es mit kaufwilligen Spielern aus. In den vergangenen Tagen machten bereits erste Mutmaßungen die Runde, ob Modern Warfare 2 den Startrekord von GTA IV aus dem vergangenen Jahr einstellen kann. Aber auch in den Reihen der Kritiker kann der Titel den Erwartungen standhalten und kassiert in ersten Tests Topwertungen. Für Activision Blizzard dürfte von daher alles in Ordnung sein, dennoch: ein fader Beigeschmack bleibt.