Auch wenn das Thema inzwischen abgeflaut ist, möchte ich auch mal meinen Senf dazu geben.
Das Argument, dass das ganze einfach "solidarisch" finanziert werden muss, halte ich wenigstens in der derzeitigen Form für sehr zweifelhaft. Wie Madman schon sagte (und auf dessen Argument von den zwei größten Befürwortern gar nicht eingegangen wurde), ist Fernsehen eine ganz andere Kategorie als eine allgemeine Vorsorge vor potenziell existenzbedrohenden Ereignissen gemeinschaftlich zu treffen. Genau dasselbe mit Infrastrukturen. Womit sich der öffentliche Rundfunk noch am ehesten vergleichen lässt, ist sowas wie Zuschüsse für Kultur, Unterhalt von Museen usw. Kann man machen, darf aber IMHO nicht exorbitant teuer sein. Und Tomislav: ja, es gibt mehrere Leichen im Keller. Dass man gegen die Finanzierung der Kirchen aus Steuermitteln ist, kann ich sehr gut nachvollziehen und auch dort sollte man ansetzen. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch an anderer Stelle kritisieren darf.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich die öffentlichen Sender viel zu sehr an die Politik gebunden halte und sie meiner Meinung nach dem wichtigsten Auftrag (hochwertige Informationen und Bildung) sehr stark vernachlässigen und schlecht erledigen*, ist die Art und Weise der Einführung der Zwangsgebühr objektiv betrachtet einfach grober Unfug.
Die Situation ist: die Zahl der Fernsehminuten pro Kopf nimmt seit einigen Jahren langsam, aber stetig ab. Was machen die Rundfunkanstalten? Das wollen wir nicht und so deklarieren wir andere Geräte als "neuwertige Empfangsgeräte". Das reicht natürlich auch nicht und deswegen soll gleich jeder zahlen. Und weil wir gleich dabei sind, bauen wir ein System auf, welches an Ungerechtigkeit nicht zu überbieten ist: sehr sehr enge Möglichkeiten zur Befreiung, komplett unabhängig vom Einkommen, kein sachlicher Zusammenhang zwischen Fernsehabgabe und Haushalt (die Anzahl der Köpfe im Haushalt ist komplett egal, Wohngemeinschaften zahlen theoretisch nur einmal, aber in Studentenwohnheimen darf jeder zahlen usw., Beschäftigte einzelne Filialen vs. Zentrale etc.).
Die einzige richtige Antwort wäre, den Wasserkopf der öffentlichen Sender langsam abzubauen und zu vernünftigen Wirtschaften zu zwingen. Angenommen, die Fernsehminuten pro Kopf in 10 Jahren liegen nur noch bei der Hälfte im Vgl. zu 2010. Ich halte es für gut möglich, dass dies a) eintritt und b) die Akzeptanz für den öffentlichen Rundfunk noch mehr sinkt. Irgendwann ist das System vielleicht nicht mehr haltbar und spätestens dann fängt ein noch größeres Gejammer an.
Was meine Meinung nach gemacht werden müsste, ist eine öffentliche Diskussion, ob wir öffentlichen Rundfunk überhaupt noch brauchen, und wenn ja, wie dieser genau aussehen soll (um mal Ordnung in den Wildwuchs zu bringen).
Meiner Meinung nach gehört das ganze in der aktuellen Form abgeschafft. Die öffentlichen Rundfunkanstalten haben ihre Existenzberechtigung meine Meinung nach ausschließlich dort, wo private Unternehmen nicht wirtschaftlich eine Abdeckung erbringen können. Dort wo ich derzeit die Existenzberechtigung sehe (Informationen), machen die einen zusätlich einen immer schlechter werdenden Job.
Bevor jetzt jemand ankommt und sagt: "na, dann guck Dir halt den Schwachsinn von den Privaten an". Neine, danke. Auch wenn sich das einige nicht vorstellen können, habe ich seit ca. 6 Jahren keinen Fernseher und Radio mehr. Schon als Kind hatte ich wenig Kontakt mit Fernsehen und als ich dann später mal einen Fernseher hatte, dachte ich mir nach ein paar Jahren: mann, Du schaltest um eine bestimmte Uhrzeit ein und zappst blöd rum, in der Hoffnung, dass was einigermaßen Gutes läuft. Irgendwann beschloß ich, dass die Rate des Blödsinnkonsums zu hoch sei, stellte den Fernseher auf die Seite (für den Fall, dass ich rückfällig werden würde
) und wurde danach von mir entsorgt. Meinen bewussten Fernsehkonsum pro Jahr kann man in Stunden an einer Hand abzählen.
Und noch was: inzwischen bin ich soweit, dass ich die Abgabe lieber einem gemeinnützigen Projekt zukommen lassen würde, als das Geld in den Rundfunkanstalten versickern zu lassen. Der Effekt ("Kohle ist weg") wäre zwar bei beiden gleich, aber bei ersterem hätte ich wenigstens das gute Gefühl, etwas Positives getan zu haben.
TL;DR: Auch wenn es sicher Positivpunkte gibt, die für den öffentl. Rundfunk sprechen, bedarf es dringend Diskussionbedarf, was gebraucht wird, wie das Ziel möglichst effizient erreicht wird, und wie die Ausgestaltung am gerechtesten für die Allgemeinheit ist. Den Wildwuchs, der sich da über mehr als 50 Jahre angesammelt hat, kann keiner wollen. Und ich weiß auch nicht, warum gerade Fernsehen der heilige Gral sein soll, den man auf keinen Fall überarbeiten darf.
Auf jeden Fall tragen Argumente wie "Du wirst irgendwann auch mal 60 sein!" nicht dazu bei, den öffentlichen Rundfunk zu verbessern und auf solide Beine für die Zukunft zu stellen. Eher das Gegenteil ist der Fall.
* Scripted Reality ist ja schon länger bei dem ÖR angekommen. Und der Umgang mit kontroversen Themen wie Ukraine und vor allem die (nicht vorhandene) objektive Eigenkritik was z.B. die Rundfunkgebühr angeht, lässt tief blicken.