EU-Rat winkt Software-Patente durch

Steffen Weber
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Der EU-Rat hat die Richtlinie bezüglich „computerimplementierter Erfindungen“ am heutigen Montag durchgewunken, nachdem dies bisher mehrfach von diversen Mitgliedsstaaten verzögert worden war. Die Kampagne NoSoftwarePatents hat das Verfahren für antidemokratisch erklärt und setzt nun alles auf die zweite Lesung im Parlament.

In der Pressemitteilung der genannten Kampagne, die von Firmen wie 1&1, GMX, Schlund + Partner, Red Hat und MySQL AB finanziert wird, heißt es dazu:

Der EU-Rat hat heute seinen "gemeinsamen Standpunkt" zur Softwarepatent-Richtlinie gegen den erklärten Willen verschiedener Mitgliedsländer formal beschlossen. Der Text, der nach Ansicht von Kritikern per heute nur noch die Vorstellung einer Minderheit widerspiegelt, war zuvor am 18. Mai 2004 vereinbart worden. Aufgrund starken Widerstandes einzelner Länder und nationaler Parlamente war seine Verabschiedung mehrfach gescheitert. Der luxemburgische Minister, der die Ratssitzung leitete, sagte dazu: "Wir nehmen heute diesen gemeinsamen Standpunkt aus institutionellen Gründen an, um keinen Präzedenzfall zu schaffen", der Auswirkungen auf andere Verfahren im Rat hätte.

Die somit zumindest höchst fragwürdigen Gründe für Annahme der Richtlinie hätten daher „keinerlei demokratische Legitimation“, was auch der Sitzungsleiter mit seiner im obigen Zitat genannten Aussage zugegeben habe. Um das Absegnen der Richtlinie in einer zweiten Lesung im Europa-Parlament noch zu verhindern, muss dort eine absolute Mehrheit ungeachtet der Abwesenheit diverser Parlamentarier zustande kommen.

"Wir haben eine Reihe von psychologischen und politischen Erfolgsfaktoren auf unserer Seite. Dennoch ist die Hürde in einer zweiten Lesung sehr hoch. Als Vorsichtsmaßnahme müssen wir deshalb parallel zu tiefgreifenden Änderungen am Text auch auf die mögliche Ablehnung der Vorlage hinarbeiten." Das Europaparlament hat nun bis zu vier Gelegenheiten dazu, den Richtlinientext abzuschmettern: zweimal in der zweiten Lesung (erst vor und dann nochmal nach den Änderungsanträgen), ein drittes Mal im Vermittlungsverfahren und ein viertes und letztes Mal in einer etwaigen dritten Lesung.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat derweil ein Statement veröffentlicht, in dem auf Unzulänglichkeiten bei dem Verfahren hingewiesen wird. Unter anderem Polen, Dänemark und Portugal hätten beantragt, die umstrittene Richtlinie als Punkt auf die B- anstatt A-Liste zu setzen, was eine weitere Diskussion zur Folge gehabt hätte. Dies sei jedoch vom luxemburgischen Sitzungsleiter abgelehnt worden, obwohl dies einer Entscheidung des Rats bedurft hätte und der Präsident dazu alleine gar nicht befugt sei. Wie Heise berichtet, will der FFII nun „prüfen lassen, ob die Verweigerung einer Neuverhandlung durch die Sitzungsleitung mit rechten Dingen zuging.“