„Killerspiele“: Neue Studie, altes Panorama

Jirko Alex
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Eine Studie der australischen Swinburne University of Technology befasste sich, wie ähnliche Studien vor ihr, mit der Auswirkung eines beliebten aber ziemlich betagten Gewaltspieles auf die Psyche von Kindern. Das Ergebnis überrascht Genre-Anhänger wenig, wenngleich es fragwürdig erscheint.

So wurden insgesamt 120 Kinder aus zehn Schulen des Kontinents untersucht und ihre Verhaltensmuster vor und nach dem Spielen des Egoshooters erfasst. Mit einer Genauigkeit von 73 Prozent habe man voraussagen können, wie die Reaktionen des Testprobanden aussehen würden. So setzte man den acht bis zehn Jahre alten Kindern den in Deutschland indizierten Egoshooter Quake 2 vor und beurteilte ihr Verhalten nach dem Spiel anhand der zuvor bestimmten Verhaltensmuster. Ermittelt wurde auf diese Weise der Wutzustand der Kinder, wobei festgestellt wurde, dass sich dieser bei 77 Probanden nicht änderte. 22 der getesteten Spieler wiesen nach dem Spielen einen doppelt so hohen Wutzustand auf, wobei diese zu einem Großteil ein instabiles Temperament besäßen, so die Wissenschaftler. Acht Kinder konnten ihre Wut durch das Spielen des Egoshooters verringern. Professor Grant Devilly, der die Studie durchführte, resümierte:

„Die Ergebnisse zeigten, dass zwar einige Menschen geringfügige Steigerungen oder Senkungen ihres Wutzustands zeigten, die Mehrheit aber keine Veränderungen des Wutzustands aufwiesen.“

Professor Grant Devilly

Ein Fazit, das bei genauerer Betrachtung jedoch eher dem Lager der Egoshooter-Gegner und nicht den Befürwortern in die Hände spielt. Denn auch wenn einige Stimmen Egoshooter pauschal als schädlich bezeichnen, verneinen auch Kritiker zumeist nicht, dass derartige Programme für eine Mehrheit der Anwender keinerlei negative Konsequenzen nach sich ziehen; in irgendeiner Art und Weise anfällige Personen jedoch beeinflusst werden.

Auch die Wahl des Egoshooters verwundert und spielt Kritikern von Gewaltspielen in die Hand: Während die „Killerspiel“-Debatte hierzulande aufgrund der mutmaßlich gefährlichen Auswirkung immer realistischerer Computerspiele geführt und sogar argumentiert wird, spätere Orte von Amokläufen wären virtuell nachgebaut worden um dort am PC trainieren zu können, eignet sich ein zehn Jahre altes Computerspiel wohl kaum dafür, aktuelle Vorwürfe gegen den Realitätsgrad moderner Videospiele auszuräumen. Die Frage nach der Übertragbarkeit des Egebnisses der Studie auf aktuelle Computerspiele muss jedenfalls gestellt werden, nicht zuletzt deshalb, weil bereits die Auswahlkriterien, die zur Wahl des Spieles Quake 2 führten, vielen fragwürdig erscheinen. So sei der Spieleklassiker wegen seiner Gewalt-Highscores, des Genres, seiner Beliebtheit und der hochauflösenden 3D-Grafik ausgesucht worden.

Auf der anderen Seite stehen gewalthaltige Spiele nicht erst seit dem Erscheinen von F.E.A.R. oder Doom 3 in der Kritik, was nicht zuletzt dadurch unterstrichen wird, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) bereits seit Jahrzehnten Spiele auf den Index setzt.

Die Wirkung dieser und weiterer Studien auf die Berichterstattung in Deutschland scheint ohnehin jedoch selektiv zu sein. Während sich der Privatsender RTL II einer größtenteils positiven Berichterstattung über Gewaltspiele hingab, folgt dem kontrovers diskutierten „Panorama“-Beitrag heute ein weiterer Bericht über Computerspiele und deren Auswirkungen. Wer jedoch aufgrund der harschen Kritik an dem „Panorama“-Beitrag „Morden und Foltern als Freizeitspaß – Killerspiele im Internet“ eine redaktionelle Klarstellung oder ein Umdenken erwartet, wird enttäuscht werden. So lautet das Thema des heute in der halbstündigen Sendung ausgestrahlten Beitrags: „Spiel ohne Grenzen: Wenn Computersucht die Kindheit zerstört“. Die Programmbeschreibung lässt in ihrer Kürze leider nur wenig Hoffnung auf eine differenzierte Betrachtung:

„Wenn er nach Hause kommt, hat er nur ein Ziel: in sein Zimmer, vor den Computer. Marc Oliver "zockt" – jeden Tag bis zu zehn Stunden. Computerspiele wie "Counterstrike“ oder "World of Warcraft". Familie und Schule sind für ihn Nebensache. Das Gymnasium hat der 16-Jährige aufgegeben und stattdessen gerade noch den Hauptschulabschluss geschafft. Schuld sei der Computer, sagte er selbst. "Ich bin süchtig nach Computerspielen". Ein Tag ohne PC und er fühle sich wie ein Alkoholiker ohne Flasche. Seine Eltern haben schon alles versucht, um ihn vom Rechner wegzukriegen – ohne Erfolg. Sie fühlen sich hilflos, machtlos.“

Panorama Sendungsankündigugn

Der Beitrag wird heute, am Donnerstag den 05. April, im Ersten im Zuge der Sendung „Panorama“ zwischen 21:45 Uhr und 22:15 Uhr ausgestrahlt.