Motorola im freien Fall

Sasan Abdi
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Der US-Konzern Motorola hat sich auch im 2. Quartal erwartungsgemäß nicht mit Ruhm bekleckert. Erneut Hauptschuldiger an der Misere ist der einstige Star des Unternehmens – die Handysparte. Nach einem fulminanten, durch die Razr-Serie bedingten Aufstieg befindet sich Motorola seit über sechs Monaten im freien Fall.

Konkret schwächelt das Geschäft vor allem in Asien und Europa. In beiden Regionen liegt die neuerliche Rotstrecke von Motorola in schwächelnden Absatzzahlen begründet. Dabei hatte gerade hier alles so wunderbar begonnen: Zum Start der Razr-Serie schoss der Motorola-Marktanteile beispielsweise in Deutschland von fünf auf 20 Prozent. Ein Riesenerfolg, der bis heute von keiner neuen Razr-Generation oder gar einer neuen Serie wiederholt werden konnte. Gerade diese Portfolio-Schwäche aber bedingt die aktuelle Misere maßgeblich: „Motorola hat sich im wesentlichen auf Derivate des Razr beschränkt – und bei den margenstarken Spitzen-Modellen zu wenig geboten“, kommentiert ein Analyst von der WestLB gegenüber der Financial Times Deutschland (FTD).

So schreiben viele Analysten der Führung von Motorola eine gewisse Innovationsfaulheit zu, die durch den bahnbrechende Erfolg der ersten Razr-Serie provoziert wurde. Auch wird der rigorose Wechsel auf eine neue UMTS-Plattform vielerorts als viel zu zeit- und kostenaufwendig kritisiert. Zwei schwerwiegende Vorwürfe, die schon zu mancher Forderung nach einem Wechsel an der Konzernspitze beigetragen haben. Und in der Tat scheint der Thron von Motorola-Chef Zanders zu wackeln. Derzeit klammert sich dieser primär an den prophezeiten Erfolg der unlängst vorgestellten Razr2-Serie, die in der Tat flacher, wohl auch leistungsfähiger, aber nicht als wirkliche Innovation daherkommt. Aus diesem Grund rechnet man dem Razr2 in Fach- und Finanzkreisen kein allzu riesige Potential zu, was dafür sorgen dürfte, dass der Druck auf Zanners zunehmen wird.

„Das Problem der Handy-Branche ist die selbst geschaffene Dynamik mit extrem kurzen Produktzyklen“, beschreibt der Goodbrands-Chef Paolo Tumminelli gegenüber der FTD ganz zutreffend den Kern des Motorola-Problems. „Oft haben die Hersteller nur ein erstklassiges Gerät, wenige zweitklassige, aber viele drittklassige“, was bei Motorola anfangs definitiv zutraf. Kritisch wird es dann, wenn der Superstar im Portfolio sich plötzlich nicht mehr verkaufen lässt – ein Umstand, der in jedem Fall zum Absturz führt.

Problematisch ist diese einseitige Marktausrichtung auch vor dem Hintergrund des Marken-Hoppings, das gerade in den relevanten jüngeren Zielgruppen massiv betrieben wird: „Handys werden als Modeartikel betrachtet und die Marke schnell gewechselt“, beschreibt Tumminelli die unsteten Verkaufsentscheidungen. Erst mit zunehmendem Alter würden sich die Kunden irgendwann mehr oder minder endgültig an eine ihnen zusagende Marke binden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Fixierung auf ein Top-Produkt im Portfolio – so geschehen bei Motorola – ein riskantes Spiel.

Wie es mit Motorola letztlich weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Die Zeichen stehen in jedem Fall weiterhin auf Sturm. Für das dritte Quartal prophezeien die Verantwortlichen gleich bleibende und somit nicht sehr ansehnliche Zahlen. Für dieses Jahr kann wohl nur noch der herbeigesehnte große Erfolg der Razr2-Serie eine Trendwende herbeiführen – wohl aber nur in einer kleinst-denkbaren Größenordnung.