Schwere Zeiten für die Spieleindustrie

Benjamin Marks
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Der Zusammenbruch des amerikanischen Investmentmarktes und die dadurch ausgelöste Weltwirtschaftskrise haben nicht nur in der produzierenden Industrie ihre Spuren hinterlassen, sondern auch die Spieleindustrie kämpft seitdem um ihr Überleben.

Die guten Zeiten der Spieleindustrie rund um die Jahrtausendwende, in denen die Publisher Zuwächse von bis zu 80 Prozent und in diesem Zusammenhang Jahr um Jahr Rekordgewinne vermelden konnten, sind längst vorbei. Neu erschlossene Verkaufsplattformen à la Steam oder Xbox Live sowie vollkommen neue Zielgruppen rund um Nintendo DS und Wii schafften viel Raum für Neues. Bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise veränderte sich daran wenig. Seit diese die Spieleindustrie getroffen hat, kämpfen viele Publisher mit rückläufigen Verkaufszahlen und damit verbundenen Umsatzeinbrüchen. So umfasste dieser Umsatzrückgang etwa bei Ubisoft im letzten Jahr rund 200 Millionen Euro, Electronic Arts verfehlte im vergangenen Weihnachts-Quartal sein Vorjahresergebnis um rund 400 Millionen Dollar. Bereits seit 2007 hat EA mit Verlusten zu kämpfen und besonders für das vergangene Fiskaljahr wurden die Prognosen mehrfach nach unten korrigiert. Die Konsequenz sind auf der einen Seite Entlassungen bei den meisten Publishern, auf der anderen Seite könnte man sich bei den Entwicklern zukünftig stetig mehr auf Titel konzentrieren, die mit guten Verkaufsprognosen aufwarten können. Diese sogenannten „AAA-Titel“ (Tripple-A-Titel) können volkswirtschaftlich eher als Cash-Cows angesehen werden, die eventuell auch Potential für einen Star haben. Deutlich wird die Situation an den aktuellen Produktionen aus dem Hause Take-Two, wo man sich momentan hauptsächlich auf Fortsetzungen großer Titel wie „Bioshock 2“, „Mafia 2“ oder gar „Max Payne 3“ konzentriert.

Doch von diesen vermeintlichen Verkaufsschlagern, die in ihrer Entwicklung viel Geld verschlingen, geht ein noch höheres Risiko aus als von günstigeren Titeln. Bleiben die Titel hinter den Erwartungen der Spieler zurück, so drohen die Investitionen im Sand zu versinken. Besonders dünn ist die Luft an der Spitze der Verkaufscharts. Aktuell belegt die jüngste Fortsetzung des beliebten Call of Duty „Modern Warfare 2“, mit etwa 11,8 Millionen verkauften Exemplaren, den ersten Platz. Nur zwei Plätze dahinter liegt „Wii Fit Plus“, wovon nur etwa halb so viele Einheiten verkauft wurden. Einen vollkommen anderen Weg gehen Entwickler von Browser- und Casual-Games, die mit geringen Entwicklungskosten besonders in sozialen Netzwerken ein Millionenpublikum erreichen. Nils Henning, seines Zeichens Geschäftsführer der Firma Big Point Games („Seafight“), berichtet über starke Zuwächse auf diesem Gebiet. Bis zu 200.000 Spieler sollen täglich dazu kommen, mit jedem weiteren Jahr wird aktuell mit einer Verdopplung der Umsätze gerechnet.

Ein seit längerer Zeit kontrovers diskutiertes Thema ist das der Piraterie. Inzwischen müssen die Publisher wegen illegal kopierter Spieleversionen herbe Verluste einstecken und so verwundert es nicht, dass sich diese mit immer ausgefeilteren Kopierschutz-Mechanismen beziehungsweise Authentifizierungsmethoden davor zu schützen versuchen. Vorreiter auf diesem Gebiet, und dafür stark in die Kritik geraten, ist Publisher Ubisoft, der mit großen Titeln wie „Anno“, „Assassin's Creed 2“ oder „Die Siedler“ am Markt vertreten ist. Eine dauerhaft benötigte Internetverbindung zu einem Sicherheitsserver soll dabei Abhilfe vor der Nutzung eines Spiels ohne gültige Lizenz sorgen.

Wie sich die Folgen der Weltwirtschaftskrise weiterhin auf die Spieleindustrie auswirken werden, ist aktuell unbekannt, fest steht nur, dass dies nicht die erste Krise wäre, die bewältigt würde. Bereits Mitte der Achtziger-Jahre brach dieser Industriezweig zusammen und wurde schließlich von einem Klempner namens Mario wieder zusammengeflickt.