Urteil: Google muss bei seiner Suchergänzung einschreiten

Przemyslaw Szymanski
36 Kommentare

Seit 2009 bietet Google die Funktion der automatischen Vervollständigung in seiner Suchmaschine an, sodass der Nutzer noch während der Eingabe des gewünschten Suchbegriffs automatisch weitere Vorschläge angezeigt bekommt. Diese Funktion kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs im Einzelfall jedoch rechtswidrig sein.

Dies geht aus einem nun veröffentlichten Urteil (VI ZR 269/12) hervor, welches besagt, dass Google automatische Suchvorschläge entfernen muss, wenn sie Persönlichkeitsrechte verletzen. „Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.“, schreibt der Bundesgerichtshof in seiner Pressemitteilung.

In dem konkreten Fall fühlte sich eine Aktiengesellschaft, die im Internet Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, durch die automatische Vervollständigung ihres Namens um die Begriffe „Scientology“ und „Betrug“ in ihrem „Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen“ verletzt. Sie behauptet, weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology zu stehen, noch sei ihr ein Betrug vorzuwerfen, da diesbezüglich in der Vergangenheit auch kein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet worden sei.

Google hatte dagegen argumentiert, dass die Suchvorschläge ohne Wertung die gegenwärtigen Suchvorlieben im Netz widerspiegeln. Mit dieser Auffassung hatte der Suchmaschinenbetreiber im vergangenen Jahr vor dem Oberlandesgericht Köln noch Recht bekommen. Dieses Berufungsurteil hebt der Bundesgerichtshof in dem Fall auf und weist diesen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, damit geklärt werden kann, ob der Betroffenen Schadensersatz zusteht.

Der Bundesgerichtshof betont allerdings auch, dass Google nicht für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet. Google sei nach Ansicht des Gerichts nämlich nicht vorzuwerfen, dass das Unternehmen eine Suchvorschläge erarbeitende Software entwickelt und verwendet hat, „sondern lediglich, dass sie keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen“.

Das aktuelle Urteil kann für Google laut Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke dennoch erhebliche Auswirkungen haben, da der Suchmaschinenbetreiber zukünftig sämtliche Rügen bezüglich der automatischen Vervollständigung individuell prüfen müsse. „Jeder, der sich durch die Autocomplete-Funktion in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, kann sich an Google wenden und verlangen, dass bestimmte Begriffe einer bestimmten Suchanfrage nicht mehr automatisch hinzugeschaltet werden.“, so Solmecke.

Ob tatsächlich Persönlichkeitsrechte verletzt werden, müsse aufwendig und individuell bestimmt werden. Solmecke sagt: „Entweder, die Autocomplete-Funktion wird in Deutschland deaktiviert oder jedem beliebigen Nutzer wird automatisch – und ohne Überprüfung durch Google – die Möglichkeit gegeben, zusätzliche Begriffsvorschläge zu entfernen.“ Dies wiederum würden nach Ansicht des Rechtsanwalts Suchmaschinen-Optimierer nutzen, um so gezielt Suchanfragen für ihre Zwecke zu „manipulieren“.

Das Urteil könnte jedoch auch Auswirkungen auf die Klage von Bettina Wulff gegen Google haben, da der Prozess wegen dieses Urteils verschoben worden war. Sie wehrt sich dagegen, dass die Suchmaschine bei Eingabe ihres Namens diesen automatisch um Begriffe wie beispielsweise „Escort“ vervollständigt.

In einer ersten Stellungnahme gegenüber heise zeigt sich Kay Oberbeck, seines Zeichens Unternehmenssprecher von Google Deutschland, enttäuscht von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs. So sei es zwar erfreulich, dass das Gericht die Autovervollständigung für zulässig hält, jedoch könne er dabei nicht die Auffassung des Gerichts verstehen, dass Google für die von Nutzern eingegebenen Suchbegriffe dennoch haften soll.

Denn bei den Autovervollständigungen handelt es sich um automatisch angezeigte Begriffe, die Google-Nutzer zuvor gesucht haben. Die schriftliche Urteilsbegründung bleibt abzuwarten.“, wird Oberbeck zitiert. Ob und in welchem Umfang Google technisch respektive organisatorisch auf die Entscheidung reagieren wird, ließ Oberbeck laut heise noch offen.