Systemd: Die Abspaltung von Debian wird zur Option

Ferdinand Thommes
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Systemd: Die Abspaltung von Debian wird zur Option

In den letzten Tagen sind erneut heftige Diskussionen um Systemd in Debian aufgeflammt. Vor zwei Tagen wurde ein Antrag auf eine Grundsatzentscheidung gestellt, die Einzelheiten zur weniger restriktiven Verwendung von Systemd festschreiben soll. Heute wurde für den Fall des Misserfolgs eine Spaltung in Aussicht gestellt.

Vor zwei Tagen hat Debian-Urgestein Ian Jackson, der auch im Technischen Komitee (CTTE) des Projekts sitzt, einen Antrag auf eine General Resolution (GR) gestellt. Diese Grundsatzentscheidung ist das höchste Entscheidungskriterium innerhalb Debians und erlaubt es allen offiziellen Debian-Entwicklern, in einer Wahl ihre Stimme abzugeben. Ein solcher Antrag braucht mindestens fünf Unterstützer unter den Entwicklern, dann folgt eine zweiwöchige Diskussionsphase, gefolgt von der Wahl.

Ian Jackson fordert in seinem Antrag, der schnell genügend Unterstützer fand, eine Software dürfe keine Abhängigkeiten zum verwendeten Init-System haben, wenn dies nicht zwingend nötig sei. In Debian ist dies momentan der Fall, indem Gnome systemd-logind verbindlich als Abhängigkeit vorschreibt. Das war auch im letzten Jahr der Grund, das CTTE einzuberufen um über das Init-system für Debian 8 „Jessie“ und darüber hinaus zu entscheiden. Das Komitee entschied sich im Februar für Systemd als Standard. Seither sind die Diskussionen nicht mehr abgerissen.

Heute nun hat eine anonyme Gruppe, die sich selbst als „Veteranen der UNIX-Administration“ bezeichnet und aus Debian- und Upstream-Entwicklern sowie Anwendern besteht, einen Fork von Debian in Aussicht gestellt für den Fall dass die Resolution von Ian Jackson scheitert und Systemd darüber hinaus Standard bleibe. Die Begründungen fallen, wie so oft in dieser Diskussion, eher vage aus, wenn es heißt, Systemd verletze die UNIX-Philosophie des „Tue eine Sache und tue sie richtig“. Man wolle „den Systemstart mit einfach lesbaren Init-Skripten kontrollieren“ und kein Systemd „mit Dutzenden eng verwobener Binärdateien und undurchsichtiger Log-Dateien“. Debian sei derzeit unter starkem Einfluss der Gnome-Entwickler und gebe daher den Bedürfnissen der Desktop-Anwender nach, obwohl die Mehrzahl der Debian-Anwender erfahrene System-Administratoren seien.

Die Gruppe, die unter einer privaten Domain agiert, hofft, diesen Schritt nicht gehen zu müssen, sei jedoch bereit, eine neue Distribution auf der Basis von Debian zu erstellen, die Sysvinit oder ein anderes Init-System, das nicht Systemd heißt, als Standard hat.

Um die Entscheidung des CTTE zu überstimmen bedürfte es allerdings einer weiteren Grundsatzentscheidung, deren Ausgang mehr als ungewiss erscheint. Zudem würde eine solche GR den anstehenden Freeze, das Einfrieren der Codebasis, der am 5. November ansteht sowie die daraus resultierende Veröffentlichung von Debian 8 Jessie auf unbestimmte Zeit verzögern.

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