Systemd: Verfrühter Aprilscherz versetzt Linux-Nutzer in Aufruhr

Ferdinand Thommes
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Systemd: Verfrühter Aprilscherz versetzt Linux-Nutzer in Aufruhr
Bild: Henrique Pinto | CC0 1.0

Eine Meldung sorgte am Montag für Aufregung in der Linux-Gemeinde. Sie besagte, Systemd wolle einen eigenen Linux-Kernel einführen. Dabei war das Ganze ein verfrühter Scherz zum 1. April. Viele Leser glaubten die Geschichte zu Anfang jedoch und die Aufregung war groß. Eine offizielle Stellungnahme gibt es bisher nicht.

Das Linux-Magazin DistroWatch hatte in einer allwöchentlich erscheinenden Kolumne unter der Überschrift „The systemd Project Forks the Linux Kernel“ einen längeren Artikel platziert, der neben einigen falschen Behauptungen auch in der Grundaussage völlig daneben lag. Genauso wenig wie ein Systemd-Entwickler von der Kernel-Entwicklung ausgeschlossen wurde, hat aus dem Entwicklungsteam von Systemd jemand die Absicht, einen optimierten Kernel für Systemd zu veröffentlichen.

Der Artikel beruft sich im Kern auf ein GitHub-Repository, das vor rund zwei Wochen angelegt wurde und die Grundlage für den Kernel-Fork darstellen soll. Der Ersteller des Archivs ist ein gewisser Ivan Gotyaovich, der nicht nur in der Systemd-Gemeinschaft sondern auch auf Google eine Unbekannte ist und dessen Namensbestandteil „Gotya“ soviel wie „hab dich“ bedeutet. Auf seinem Repository war ebenso wie auf den offiziellen kein Nachweis für ein Fork von Linux zu finden.

Damit war nach der ersten Aufregung schnell klar, dass es sich hier um einen Scherz handelt, der zu früh losgegangen war. Das ist bei gedruckten Medien immer wieder notgedrungen der Fall. Bei der digitalen Veröffentlichung DistroWatch Weekly wäre es allerdings technisch kein Problem gewesen, den Artikel zeitgerecht einzuschieben.

Grundsätzlich ist ein Fork des Linux-Kernels, also eine eigenständige Weiterentwicklung, nichts Abwegiges. Im kleinen Rahmen macht das fast jede Distribution, indem sie den unveränderten „Vanilla-Kernel“ von Kernel.org mit Patches an ihre Bedürfnisse anpasst. Systemd ist als prominentes Projekt sogar in der Lage, Eigenentwicklungen in den Kernel einzubringen. So wird Kernel 4.1 vermutlich Kdbus enthalten, das maßgeblich von Systemd-Entwicklern vorangetrieben wurde.

Mittlerweile haben sich die Wogen in der Linux-Gemeinde in Foren oder dem IRC-Chat wieder geglättet. Selbst die Einwürfe von „Wissenden“, es handele sich um einen, wenn auch schlechten, Scherz, wurden geflissentlich ignoriert. Die Gemüter, die Systemd seit über einem Jahr erregt, sind immer noch leicht reizbar. Der „Krieg der Init-Systeme“ war durch die Falschmeldung schnell erneut entfacht.