Leistungsschutzrecht: Selbst Richter rätseln über Reichweite des Gesetzes

Andreas Frischholz
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Leistungsschutzrecht: Selbst Richter rätseln über Reichweite des Gesetzes
Bild: Google

Vor dem Landgericht Berlin wird aktuell verhandelt, wie weit das Leistungsschutzrecht reicht. Es geht um die Frage, ob Google tatsächlich Gebühren an die Presseverlage zahlen muss. Der Haken: Selbst die Richter rätseln, was der vage Gesetzestext nun in der Praxis bedeutet.

Der Kläger in dem Verfahren ist die VG Media als Verwertungsgesellschaft für Presseverlage wie Axel Springer, die Funke Mediengruppe und DuMont Schauberg. Im Kern geht es dieses Mal um die Reichweite des Leistungsschutzrechts. Denn das besagt zwar per se, dass Suchmaschinenbetreiber wie Google zahlen müssen, wenn Inhalte aus den Verlagsartikeln – die sogenannten Snippets – in den Suchergebnissen dargestellt werden. Doch das Gesetz enthält eine Ausnahme für „Wörter und kleinste Textausschnitte“, die nicht unter das Leistungsschutzrecht fallen.

Die VG Media will mit der Klage nun klären, ob die Snippets in den Google-Suchergebnissen bereits unter das Leistungsschutzrecht fallen. Die Presseverleger sagen ja, Google verneint das hingegen.

Selbst die Richter können Gesetz nicht interpretieren

Nun müssen also die Richter entscheiden, doch die wissen aufgrund des vagen Gesetzes auch nicht weiter. Die Vorgaben wären so unscharf, dass „wir alle darüber rätseln“, erklärte der vorsitzende Richter laut einem Prozessbericht von Heise Online. Demnach wäre es etwa denkbar, dass der Schiedsspruch vom Deutschen Patent- und Markenamt als Basis herangezogen wird. Dort wurden sieben Wörter als Grenze vorgeschlagen, die nicht unter das Leistungsschutzrecht fällt.

Ein objektiver Maßstab sei das aber nicht, genauso gut könnten es zwölf oder sogar 20 Wörter sein. Daher sei das Gericht auch noch weit davon entfernt, über mögliche Schadensersatzansprüche und Lizenzgebühren zu entscheiden. Denn das ist der zentrale Aspekt bei dem Verfahren: Erst wenn die Reichweite des Leistungsschutzrechts klar ist, lässt sich überhaupt sagen, ob Google Lizenzgebühren an die Verlage zahlen muss.

Deswegen fordert die VG Media auch noch, dass Google die Umsätze offen legen soll, die in Deutschland erwirtschaftet werden. Nur so würden sich angemessene Gebühren errechnen lassen. Google lehnt das allerdings ab.

Verfahren landet womöglich vor dem Europäischen Gerichtshof

Ohnehin weigert sich Google nach wie vor hartnäckig, in irgendeiner Form Gebühren zu bezahlen. Die Presseverlage mussten daher sogar eine Verzichtserklärung für Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht unterschreiben, um weiterhin bei Google News gelistet zu werden. Für die VG Media ist das ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung, doch weder vor Gericht noch vor dem Bundeskartellamt konnten sich die Presseverlage damit durchsetzen. Beide bezeichneten das Vorgehen von Google als legitim, da niemand gezwungen werden kann, einen Dienst so zu gestalten, dass potentielle Lizenzgebühren fällig sind.

Zudem steht die Frage im Raum, ob das Gesetz aus dem Jahr 2013 überhaupt mit dem EU-Recht übereinstimmt, da es damals nicht von der EU-Kommission notifiziert wurde. Das ist eigentlich nötig, wenn Gesetze die Dienste der Informationsgesellschaft betreffen. Einer der Vorschläge ist nun, dass zunächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren klären soll, ob das deutsche Leistungsschutzrecht überhaupt bestand hat. Das würde allerdings nochmals ein bis zwei Jahre dauern, obwohl das Urteil des Landgerichts Berlin eigentlich am 9. Mai erwartet wird.

Nun wird der Streit um das Leistungsschutzrecht nicht nur vor Gerichten ausgetragen. Auch die EU-Kommission plant derzeit eine europäische Variante. Die ist aber – ebenso wie das deutsche Gesetz – äußerst umstritten.