Smartphone-Entsperrung: Amerikanische Polizei nutzt Fingerabdrücke von Toten

Frank Hüber
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Smartphone-Entsperrung: Amerikanische Polizei nutzt Fingerabdrücke von Toten
Bild: Qualcomm

Das iPhone per Fingerabdruck zu entsperren, funktioniert auch nach dem Tod des Besitzers. Das Recht auf Privatsphäre erlischt rechtlich betrachtet mit dem eigenen Tod und die amerikanische Polizei nutzt dies regelmäßig für ihre Ermittlungen.

So sollte es im November 2016 auch bei Abdul Razak Ali Artan geschehen, der mit seinem Auto mehrere Menschen überfahren und seinen Amoklauf anschließend mit einem Fleischermesser fortgesetzt hat, bevor er von der Polizei erschossen wurde. In den Stunden zwischen seinem Tod und dem Versuch eines FBI-Agenten, das mitgeführte iPhone auf dem Gelände der Ohio State University mit dem noch blutigen Zeigefinger des Täters zu entsperren, wurden die restlichen Details geklärt. In diesem Fall misslang dies, da sich das Smartphone in den Schlafmodus versetzt hatte, und beim Start die Eingabe eines Passwortes forderte.

Dieser vom FBI-Forensiker Bob Moledor geschilderte Fall ist der erste öffentlich bekannte, bei dem die amerikanische Polizei die Fingerabdrücke eines Toten nutzen wollte. Die Daten konnten von einem anderen Forensiker im Labor letztlich doch noch sichergestellt werden und halfen den Behörden, eine Radikalisierung durch die ISIS als Hintergrund für seine Tat nachzuweisen. Aber auch andere polizeinahe Quellen aus Ohio und New York berichten, dass es mittlerweile eine gängige Praxis sei, etwa bei Fällen von Drogenüberdosierungen, da das Smartphone des Opfers Informationen enthalten könnten, die direkt zum Verkäufer führen.

Keine Privatsphäre für Verstorbene

Auch wenn es ethische Fragen aufwirft, ist es für die Polizei vollkommen legal diese Technik anzuwenden. Nach Aussagen der Rechtsanwältin Marina Medvin von Medvin Law, besäßen Tote kein Interesse mehr an ihrem Recht auf Privatsphäre – oder können es vor Gericht nicht länger einklagen. Selbst Verwandte oder andere Personengruppen, die ein Interesse daran haben können, werden wenig Aussicht auf Erfolg haben, Polizisten davon abzuhalten. Marina Medvin fügt hinzu: „Sobald man Informationen mit jemand anderem teilt, verliert man die Kontrolle darüber, ob sie geschützt oder genutzt werden. Du kannst nicht auf dein Recht auf Privatsphäre pochen, wenn die Polizei bei deinem Freund beim Durchsuchen des Gerätes deine Nachricht sieht. Dasselbe gilt für das Teilen von Informationen mit jemandem, der verstorben ist [...].

Durchsuchungsbefehl derzeit nicht nötig

Dessen ist sich auch die Polizei bewusst, nicht einmal eine Erlaubnis zur Durchsuchung des iPhones werde benötigt, sofern es nicht von weiteren Personen gemeinsam genutzt wird oder der Beschuldigte noch am Leben ist.

Aber es gibt auch Menschen, die anderer Meinung sind, wie etwa Greg Nojeim, Berater und Direktor vom „Freedom, Security and Technology Project“, da in vielen Fällen ein begründeter Verdacht bestünde, dass auch ohne triftigen Grund Fingerabdrücke zur Entsperrung genutzt würden. Deswegen sei die Idee, auch hierfür einen Durchsuchungsbefehl zu benötigen, noch nicht vom Tisch.

Ein weiterer Grund für das Nutzen von Fingerabdrücken sind die Kosten, denn bei Auftragnehmern wie Cellebrite fallen für das Entsperren Kosten zwischen 1.500 bis 3.000 US-Dollar an, für das GreyShift's GrayKey Hacking Paket, welches die Anzahl der Entsperrversuche nicht länger limitiert, sogar bis zu 30.000 US-Dollar.

Auch Face ID wurde schon ausgetrickst

Die Polizei interessiert sich auch für die Umgehung von Apples Gesichtserkennung Face ID, welche mit dem iPhone X eingeführt wurde.

Marc Rogers, Forscher und Leiter der Abteilung für IT Sicherheit bei Cloudfare, ist es gelungen, diese mit Fotos von geöffneten Augen zu umgehen, obwohl es laut Apple notwendig sei, für das Entsperren per Face ID sowohl die Aufmerksamkeit darauf zu richten, als auch die Augen natürlich zu bewegen. Bereits im November 2017 war es einem vietnamesischen Team möglich, mit speziell dafür angefertigten Masken die Gesichtserkennung zu umgehen. Bis jetzt sei aber noch von keinem Polizisten bekannt, dass Face ID zum Entsperren genutzt wurde. Dies könnte sich bald ändern.