Rechtsstreit um Java-Patente: Google muss keine 9,3 Mrd. US-Dollar an Oracle zahlen

Jan-Frederik Timm
33 Kommentare
Rechtsstreit um Java-Patente: Google muss keine 9,3 Mrd. US-Dollar an Oracle zahlen
Bild: Oracle

Fast elf Jahre ist es her, dass Google im August 2010 von Oracle vor einem Gericht in den USA verklagt wurde. Der Vorwurf: Google habe mit Android Java-API-Patente verletzt. Im weiteren Verlauf der erbittert geführten gerichtlichen Auseinandersetzung forderte Oracle 9,3 Mrd. US-Dollar Schadenersatz. Dazu kommen wird es nicht.

Keine Urheberrechtsverletzung dank „Fair Use“

Statt dem Kläger Recht zu geben, hat der Oberste Gerichtshof der USA in einer 6-zu-2-Entscheidung bei einer Enthaltung Google von den Vorwürfen freigesprochen. Die Begründung: Die geschützten Patente wurden, wie von Google angeführt, „angemessen verwendet“ und seien damit von der auch in den USA geltenden Fair-Use-Doktrin gedeckt. Sie gesteht auch nicht autorisierte Nutzungen von geschütztem Material zu, sofern sie der öffentlichen Bildung und der Anregung geistiger Produktionen dienen. Vier Faktoren sind für die Bewertung ausschlaggebend:

  1. Zweck und Art der Verwendung
  2. Art des urheberrechtlich geschützten Werks (z.B. gewerbsmäßig oder nicht)
  3. Umfang und Bedeutung des verwendeten Auszugs im Verhältnis zum ganzen Werk
  4. Auswirkung der Verwendung auf den Wert und die Verwertung des geschützten Werks

Die Richter argumentierten dabei wie folgt: Google hätte die Patente nur so weit genutzt, als deren Verwendung nötig gewesen wäre, um Entwickler die Arbeiten in der neuen Umgebung Android überhaupt zu ermöglichen. Durch den Einsatz der APIs war es Entwicklern möglich, ihre Kreativität in die transformative Plattform einzubringen. Die APIs hätten eine deklarative Funktion gehabt und Android Struktur gegeben, statt einem Selbstzweck zu dienen.

Die von Oracle wiederholt angeführten Milliardenumsätze, die Google indirekt über den Vertrieb von Android erwirtschaftet hat, spielten für die Richter dabei keine Rolle. Vielmehr führte der Oberste Gerichtshof an, dass ein Schuldspruch einen gesellschaftlichen Schaden nach sich gezogen hätte. Die Java-APIs mit Verweis auf das Urheberrecht unter Verschluss zu halten, würde darüber hinaus dem Grundgedanken des Urheberrechts, Kreativität zu fördern, zuwider laufen.

Damit widersprach der oberste Gerichtshof letztinstanzlich in einem ganz entscheidenden Punkt dem obersten Berufungsgericht der USA, das nach einem Hin und Her durch die Instanzen im Jahr 2018 den Fair-Use-Ansatz erneut verneint hatte. Das Berufungsgericht argumentierte, Google hätte den Aufwand und die Vorbehalte von Entwicklern, die Java kannten, gescheut. Eine eigene Alternative zu entwickeln, hätte Google deshalb auch aus kommerziellen Gründen nicht in Erwägung gezogen.

Ein langwieriger Rechtsprozess

Der Rechtsstreit um eventuell verletzte Urheberrechte an der Java-Engine von Oracle beschäftigt Anwälte und Gerichte seit dem Jahr 2010 – mit wechselndem Erfolg für beide Seiten. Nachdem Oracle besagte Patente Anfang 2010 von Sun Microsystems erworben hatte, erfolgte im August desselben Jahres eine Klage, mit der Oracle Google beschuldigte, ihr geistiges Eigentum zu verletzen. Bei den eingereichten 168 Ansprüchen waren den Entwicklern vor allem die Verwendung der Dalvik Virtual Machine und dem enthaltenen JIT-Compiler ein Dorn im Auge.

Bereits rund ein Jahr später forderte der Entwickler in einer öffentlichen Eingabe an das zuständige Gericht in San Francisco eine Entschädigung von 2,6 Milliarden US-Dollar, deren Grundlage die Umsätze rund um Android bildeten und welche sich im Laufe des Rechtsstreites weiter erhöhten. Bereits kurze Zeit später kürzte das zuständige Patentamt die relevanten Ansprüche auf 122, in dem es drei der sieben angegebenen Patente aufhob. Diese hatten laut der Behörde zum Zeitpunkt der Beantragung keine wirkliche Neuerung dargestellt.

Ende September 2011 verstrich eine vorher seitens des Richters geforderte Schlichtung ohne nennenswerte Ergebnisse. Gleiches galt für einen im April 2012 durch den Richter Paul S. Grewal angestrebten Vergleich, worauf der Prozess am 16. April begann.

Nachdem eine Jury im ersten Verfahren zu dem Schluss kam, dass Android keine Oracle-Patente verletzen würde, legte Oracle erwartungsgemäß Berufung ein und konnte im Mai 2014 damit einen Teilerfolg verbuchen, als ein US-Berufungsgericht die Java-API unter das Urheberrecht stellte. Darauf hin rief Google im Oktober 2014 den US Supreme Court an, um das vorangegangene Urteil aufzuheben, was dieser jedoch ablehnte. Daraufhin weitete Oracle die Klage auf die in der Zwischenzeit erschienen Android-Versionen aus. Das Bezirksgericht urteilte im Jahr 2016 daraufhin abermals mit Verweis auf Fair Use für Google, das Oberste Berufungsgericht widersprach zwei Jahre später.