Neue Bundesregierung: Kein Digitalministerium in Aussicht

Andreas Frischholz
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Neue Bundesregierung: Kein Digitalministerium in Aussicht
Bild: holger doelle | CC BY 2.0

Eine der digitalpolitischen Fragen bei der Regierungsbildung war, ob die potenzielle Koalition aus SPD, Grüne und FPD ein eigenständiges Digitalministerium schaffen wollen. Nun zeichnet sich in den laufenden Koalitionsverhandlungen ab, dass es so ein Ministerium wahrscheinlich nicht geben wird.

Das berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf die Aussagen von Unterhändlern. In den Verhandlungen ist es vor allem die FDP, die sich für ein separates Digitalressort einsetzt. Entsprechendes forderte die Partei auch im Wahlprogramm. Mittlerweile befinde man sich aber auf dem „Rückzug“, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person dem Handelsblatt.

Digitalkompetenzen neu bündeln

Strukturell ist weiterhin mit Änderungen zu rechnen. So hieß es bereits im Sondierungspapier, im Bereich der Digitalpolitik sollen „Kompetenzen in der Bundesregierung (…) neu geordnet und gebündelt“ werden. Die Frage bleibt aber, wie das gelingt. Während die FDP etwa für ein Digitalministerium war, setzten sich die Grünen vor der Wahl dafür ein, die entsprechenden Kompetenzen im Kanzleramt zu stärken.

Für die Lösung im Kanzleramt spricht, dass es sich bei der Digitalisierung ohnehin um ein Querschnittsthema handelt. Alle Ressorts verfolgen digitale Projekte. Und es sei etwa nicht ersichtlich, warum ein Projekt wie die elektronische Gesundheitsakte nicht im Gesundheitsministerium angesiedelt sein soll.

So etwas ließe sich zudem einfacher realisieren als der Aufbau eines Digitalministerium, der mit einem großen organisatorischen Umbau einhergehe. Ebenso sei eine personelle Restrukturierung erforderlich, was allerdings auch einem personellen Aderlass in anderen Ressorts bedeute. Demnach würden auch FDP-Kreise mittlerweile die Ansicht teilen, dass ein neues Digitalministerium die Digitalisierung in der Aufbauphase eher bremsen als beschleunigen würde. Und diese Phase könne zwei bis drei Jahre dauern.

Eine weitere Alternative wäre, ein bestehendes Ministerium um den Bereich Digitalisierung zu ergänzen. In Nordrhein-Westfalen wurde etwa das Wirtschaftsministerium um die Bereiche Digitalisierung und Innovationen sowie Energie ergänzt. Das könnte nach Ansicht der FDP auch eine Übergangslösung sein, um langfristig ein Digitalministerium aufzubauen.

Lange Debatte

Ob ein eigenständiges Digitalministerium sinnvoll ist, wird seit geraumer Zeit diskutiert. Thema war es etwa bereits vor der Bundestagswahl 2017. Im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) war es der Kanzleramtsminister Helge Braun, der die Digitalpolitik koordinierte. Dorothea Bär (CSU) war zudem als Staatsministerin für das Thema zuständig. Hinzu kamen die Projekte aus den einzelnen Ressorts.

Generell war es eine Struktur, die keinen allzu guten Ruf hatte. Als nicht effizient hätten diese sich erwiesen, kritisiert etwa Oliver Süme, Vorsitzender vom Internetwirtschaftsverband eco und fordert wie gehabt ein Digitalministerium. „Die Bündelung der strategisch relevanten digitalpolitischen Aufgaben in einem Digitalressort mit klarem Auftrag ist aus meiner Sicht nach wie vor die beste strukturelle Lösung, um das Querschnittsthema digitale Transformation konsistent politisch zu steuern.

Das Thema bleibt aber umstritten, es gebe viele Gründe dafür und dagegen, sagt etwa Jeanette Hofmann, Leiterin der Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), gegenüber Netzpolitik.org. Große digitalpolitische Strategien würden sich in so einem Ministerium ihrer Ansicht nach besser entwickeln lassen. Allerdings dauere es, bis startet. Und es sei zudem fraglich, wie viel Projekte und Kompetenzen andere Ministerien überhaupt abgeben wollen. „Die Frage ist: Wie viele Ressourcen und Entscheidungsmacht würde so ein Ministerium überhaupt bekommen?“, so Hofmann.