Dishonored: Die Maske des Zorns im Test: Deus Ex trifft auf Thief

 2/5
Sasan Abdi
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Dishonored im Überblick

„Dishonored“ macht seinem Namen alle Ehre, denn schon in den ersten Minuten wird der schweigsame Protagonist des Spiels, der ehrenhafte Corvo Attano, tatsächlich entehrt. Als Leibwächter der Kaiserin eines namenlosen, fiktiven Reiches eigentlich für die Sicherheit Ihrer Hoheit zuständig, wird Attano als Mörder von dieser sowie als Kidnapper der Prinzessin und Thronfolgerin beschuldigt und eingekerkert. Ebenso schnell wird aber auch deutlich, dass die sonstigen militärischen und religiösen Granden des Reiches sowie eine unbekannte Macht hinter den Vorgängen stecken. Das Ziel dieser ominösen Allianz lautet, die Herrschaft über das Königreich und dessen Hauptstadt Dunwall an sich zu reißen.

Letztere ist dementsprechend Ort der Handlung, wobei es den Entwickler von den französischen Arkane Studios vorzüglich gelingt, diese Metropole als glaubwürdigen, vielschichtigen Moloch in Szene zu setzen. So ist Dunwall von unterschiedlichen Merkmalen wie schönen, prunkvollen Straßen und dreckigen Gassen, einer versifften Kanalisation und jeder Menge Wasserwegen gekennzeichnet, was die Grundlage für ausschweifende Erkundungstouren darstellt. Passend ist dabei auch das grundlegende „Look and Feel“ der Stadt, das durch die Kombination von Steampunk-Elementen und Manchester-Industrialisierung sehr authentisch herüberkommt. Sucht man nach Vergleichen aus der nahen Vergangenheit, lässt sich das Setting beispielsweise mit der Kinofilm-Reihe „Sherlock Holmes“ (Regie: Guy Ritchie) vergleichen.

Zugleich verpassen die Macher der Stadt aber auch ein aufgewühltes Katastrophen-Antlitz: Bedingt durch eine mysteriöse, grassierende Seuche herrscht in Dunwall der Ausnahmezustand. Nicht nur, dass eine dunkle Allianz nach der Macht greift: Die Bewohner sterben am laufenden Band, während die Stadtwache teils unmenschliche Maßnahmen ergreift und Ausgangssperren verhängt. Der für die Konzeption von Dunwall hauptverantwortliche Viktor Antonov leistet also wieder herausragende Arbeit – kein Wunder, immerhin zeichnete er schon für die Erschaffung des legendären „Half-Life 2“-Gebiets City 17 verantwortlich.

In dieses Setting wird der Spieler in persona von Corvo Attano entlassen, wobei Attano als Assassine einer kaisertreuen Rebellentruppe auftritt. Getarnt durch eine Maske begibt er sich dazu nach seiner Flucht aus dem Kerker seiner Häscher in die unterschiedlichsten Teile von Dunwall, um Stück für Stück die entscheidenden Figuren der Verschwörung auszuschalten. Hinzu gesellt sich eine – für alle möglichen Genres scheinbar obligatorische – metaphysische Ebene, da Attano sich mit einer überirdischen Macht verbündet, die ihm einige magische Fähigkeiten verschafft.

So unnötig dieser Zusatz in unseren Augen ist, so stringent, spannend und wendungsreich wird die Geschichte von „Dishonored“ erzählt, was maßgeblich dazu beiträgt, dass man gerne bis zum Schluss der Kampagne am Ball bleibt.

Hierbei handelt es sich allerdings nur um die erste Seite der Medaille, die „Dishonored“ zu einem hervorragenden Spiel macht. Die zweite Seite bezieht sich auf die Spielmechanik, die nicht völlig neu ist, aber dennoch angenehm aus dem gegenwärtigen Einheitsbrei der Konkurrenz heraussticht.

Dishonored im Test
Dishonored im Test

Denn auch wenn „Dishonored“ häufig als actionlastiges Spiel diskutiert wurde, lässt es sich doch eher als „Action-Adventure“ beschreiben. Der Grund hierfür ist, dass der Königsweg bei der Aufklärung der Verschwörung in einem möglichst umsichtigen, lautlosen Vorgehen besteht – ein Umstand, der sicher maßgeblich auf die Studiogründer Raphaël Colantonio und Harvey Smith zurückzuführen ist, die bei den ersten „Deus Ex“-Teilen federführend beteiligt waren und hier ihre Erfahrung einfließen lassen.

Dementsprechend fühlt man sich beim Spiele weniger an die gängigen Action-Spiele dieser Zeit, sondern vielmehr an wegweisende, fesselnde Klassiker wie eben „Deus Ex“ oder aber die „Thief“-Reihe erinnert: Man schleicht durch die Gassen von Dunwall, sucht finstere Ecken als Versteck auf, betäubt oder tötet Gegner in aller Heimlichkeit, wenn sie sich von ihrer Gruppe entfernen und gelangt so idealerweise ungesehen zum Ziel.

Ähnlich wie bei anderen Spielen wird ein laut- und gewaltloses Vorgehen belohnt, wobei häufiger auch mal unterschiedliche Wege zum Ziel führen, was durchaus einen echten Anreiz liefert, einzelne Missionen nochmal durchzuspielen. Ein echter Assassine geht seine Ziele nun mal nicht frontal an, sondern bewegt sich eher von Schatten zu Schatten.

Dishonored im Test
Dishonored im Test

Herz des Ganzen ist die sogenannte Chaos-Währung, die am Ende einer Mission wiedergibt, wie auffällig der Spieler war. Wird man andauernd entdeckt und spielt man ständig den Brutalo, wird eine hohe und damit negative Chaos-Wertung eingeheimst. Diese hat einen nennenswerten Einfluss auf den weiteren Spielverlauf, da man als chaotischer Spieler nicht nur mit mehr Gegnern konfrontiert wird, sondern eventuell auch auf ein anderes von drei Endszenarien zusteuert. Letztere werden allerdings nicht nur durch das dahingehende Vorgehen, sondern auch durch manche moralische Entscheidung innerhalb der Haupt- und Nebenmissionen bestimmt, was abermals den Wiederspielwert erhöht. Bemerkenswert ist, dass theoretisch ein Durchgang möglich sein sollte, ohne je eine einzige Person zu töten, was eine bemerkenswerte Möglichkeit darstellt, wenn man bedenkt, dass man einen vom Bodyguard zum Assassinen umgeschulten Elitekämpfer durch das Spiel steuert.