Britischer Geheimdienst zapfte Unterseekabel an

Ferdinand Thommes
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Die letzten Enthüllungen des Whistleblowers Snowden belasten heute den britischen Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) schwer. Erst vor ein paar Tagen hatte Snowden enthüllt, der GCHQ habe 2009 die Delegierten des G20-Gipfel in London wegen politischer Vorteilsnahme abgehört.

Die neuesten Enthüllungen beschuldigen den GCHQ, heimlich Transatlantik-Internetkabel angezapft und riesige Datenmengen gespeichert und analysiert zu haben. Diese Daten habe man mit der NSA geteilt, wie der Guardian am heutigen Freitag berichtete. Über die in Frage stehenden Unterseekabel wird sowohl der weltweite Telefon- als auch der Internet-Verkehr abgewickelt. Snowdens Kommentar dazu: „Sie sind schlimmer als die NSA“.

Der britische Geheimdienst hatte für dieses Unterfangen das Programm „Tempora“ aufgelegt. Seit rund 18 Monaten werden im Rahmen von Tempora Telefonate, E-Mails, Inhalte aus sozialen Netzwerken und Browser-Verläufe für 30 Tage gespeichert und nach Stichworten gefiltert. Die beiden Hauptkomponenten des Programms tragen den Namen „Mastering the Internet“ und „Global Telecoms Exploitation“. Das lässt erahnen, um welche Dimensionen es hier geht. Die Glasfaserkabel haben eine Kapazität von 10 Gigabit pro Sekunde, was theoretisch eine Menge von 21 Petabyte pro Tag bedeutet, die dem Buchbestand der British Library mit 25 Millionen archivierten Büchern entspricht.

Der GCHQ kann 600 Millionen Telefonverbindungen täglich mitschneiden, hatte Zugriff auf über 200 Glasfaserkabel, wobei er die Daten von mindestens 46 davon gleichzeitig verarbeiten konnte. Für den technischen Zugriff auf die Glasfaserkabel hat sich der GCHQ der Mitarbeit von Firmen versichert. Die Namen dieser Firmen wurden in allen Papieren geheim gehalten und diese durften ihre Verpflichtung zur Mitarbeit nicht kundtun.

Damit hat der britische Geheimdienst den größten „Internetzugang“ der elektronischen Fünf-Augen-Allianz, bestehend aus USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland. Die Briten behaupten in den Papieren, die Snowden jetzt vorlegte, mehr Metadaten zu erzeugen als die NSA. Im März 2012 sollen 300 Analysten des GCHQ und 250 von der NSA mit der Datenflut beschäftigt gewesen sein. Anwälte des GCHQ überließen es den amerikanischen Kollegen, wie sie mit den Daten umgehen. Unter dem Hinweis, dass britische Geheimdienste in dieser Hinsicht weniger Restriktionen unterliegen als die US-Kollegen, hieß es lapidar: „Macht, was ihr für richtig haltet“. Die Suchkriterien der Briten deckten die Bereiche Terrorismus, organisiertes Verbrechen, Internet-Sicherheit und Abwendung von Gefahren für die heimische Wirtschaft ab.

Soweit der Guardian das aus den Papieren herauslesen kann, hatten insgesamt 850.000 NSA-Angestellte und private Subunternehmer mit Zugang zur höchsten Geheimhaltungsstufe Zugriff auf die Daten des GCHQ. Die Legalität der Aktion wird von Experten stark bezweifelt. Eine Aussage lautet, man habe neue Technologie mit alten Gesetzen legitimiert. Eine obskure Klausel im Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA) aus dem Jahr 2000 erlaubt es, breitbandig ohne Gerichtsbeschluss Daten zu sammeln, solange ein Ende des Kommunikationsstrangs sich im Ausland befindet.

Das heutzutage auch nationaler Datenverkehr durch das Routing der Daten zuerst ins Ausland und dann zurück ins Inland fließen kann, ist dabei nicht berücksichtigt. Da sich der GCHQ aber selbst überwachen darf und die Unterlagen über diese Selbstkontrolle geheim sind, gab es mit dieser Auslegung keine Schwierigkeiten.