Streaming-Abmahnungen: Rätsel um Herkunft der Daten

Andreas Frischholz
125 Kommentare

Die Streaming-Abmahnungen gegen RedTube-Nutzer waren offenbar nur der Anfang. Die abmahnende Kanzlei U+C will die Streaming-Abmahnungen im kommenden Jahr fortsetzen und hat dafür noch weitere Plattformen im Visier, berichtet der Rechtsanwalt Christian Solmecke in einem Blog-Beitrag.

Dabei beruft er sich auf ein Gespräch mit Thomas Urmann, dem Gesellschafter der Kanzlei U+C. Solmecke bestätigt, das bislang nur Kunden der Telekom abgemahnt wurden. Der Kanzlei U+C liegen aber noch Auskunftsbeschlüsse für andere Provider vor. Aufgrund der großen Anzahl an Abmahnungen konnten diese noch nicht verschickt werden. Insgesamt hat die Kanzlei 62 Auskunftsbeschlüsse erhalten, die jeweils 400 bis 1.000 IP-Adressen beinhalten. Erwirkt wurden die Beschlüsse von dem Rechtsanwalt Daniel Sebastian, dieser soll aber vor gut zwei Wochen die Kanzlei U+C um Unterstützung gebeten haben, um die große Anzahl an Abmahnungen zu bewältigen. Offenbar sollten diese noch vor Weihnachten bei den Betroffenen ankommen. Dazu schreibt Solmecke: „Dahinter liegt ein logisches Kalkül der Kanzlei, nach Weihnachten haben die Menschen kein Geld mehr und können auch die geforderten 250 Euro nicht zahlen.

Woher stammen die IP-Adressen

Urmann wollte allerdings nicht beantworten, wie man an die IP-Adressen der Betroffenen gelangt ist. Die Betreiber von RedTube waren offenbar nicht involviert. Diese erklären auf Anfrage von Golem: „Wir haben keine Nutzerinformationen oder IP-Adressen herausgegeben.

Bislang ist nur bekannt: Protokolliert wurden die Zugriffe auf die Filme mit der Software „GLADII 1.1.3.“. Dass „GLADII 1.1.3.“ den Anforderungen entsprechend funktioniert und die IP-Adressen der Betroffenen gemäß den rechtlichen Vorgaben ermittelt, bestätigt die Kanzlei Diehl und Partner in einem Gutachten – erklären zumindest die Kanzlei U+C und das Landgericht Köln. Das Gutachten ist nicht öffentlich verfügbar, was einer der Gründe für die zahlreichen Ungereimtheiten ist. Denn bis dato fehlt jeglicher Hinweis, wie es möglich sein soll, den Traffic zwischen dem Nutzer und einer Web-Plattform von außen zu überwachen – ohne dabei gegen rechtliche Vorgaben zu verstoßen.

Ob das Gutachten überhaupt eine Antwort liefert, ist mittlerweile zweifelhaft. Das Landgericht Köln hat auf Anfrage des Rechtsanwalts Carl Christian Müller einige Details aus dem Gutachten genannt. Demnach wäre „GLADII 1.1.3.“ dazu geeignet, bei einem Download die jeweilige Datei zu identifizieren und sowohl den Beginn des Downloads als auch die IP-Adresse des Nutzers korrekt zu erfassen. Laut dem Gutachten basiere die Software „technisch auf üblichen Internet-Technologien, welche beim Einsatz in dem verwendeten Test-Szenario keine Bedenken hinsichtlich etwaigen Gesetzesverstößen erkennen ließen“.

Weitere Details zur Überwachung von Webserver enthält das Gutachten nicht, teilte das Landgericht Köln mit. Nach Ansicht von Müller fehlt damit der Nachweis für die Herkunft der IP-Adressen und dem Ermittlungsvorgang. Daher hätte das Landgericht Köln – zumindest nach aktuellem Kenntnisstand – keine Auskunftsbeschlüsse erteilen dürfen. Allerdings erklärte U+C-Gesellschafter Urmann gegenüber Spiegel Online, dass die exakte Technik nicht im Gutachten enthalten ist. Dennoch hätten die Richter alle Auskünfte erhalten, die sie haben wollten, um das Verfahren zu bewerten.

Landgericht Köln: Keine Täuschung, kein Irrtum

Derweil widersprechen sowohl Urmann (PDF-Datei) als auch das Landgericht Köln (PDF-Datei) dem Vorwurf, die Richter hätten die Auskunftsbeschlüsse ohne weiteres durchgewunken. In einigen Verfahren forderten die Richter zunächst das Gutachten an, bevor der jeweilige Provider zur Auskunft verpflichtet wurde, während andere Anträge direkt zurück gewiesen wurden. Die Kanzlei U+C teilt zudem in einem offiziellen Statement mit, dass man das Landgericht Köln nicht bewusst getäuscht habe. So lautet der Vorwurf der Kanzlei „Werdermann | von Rüden“, die deswegen Strafanzeige erstattet hat. In den Anträgen wäre „klar ersichtlich, dass es sich bei den Rechtsverletzungen nicht um ein Anbieten in Tauschbörsen handelt“.

RedTube wurde zwar als Download-Portal beschrieben, allerdings bewertet man Streaming auch als „progessive Downloading“, weil die Dateien zumindest zeitweise auf dem Rechner der Nutzer gespeichert werden. Die Richter teilten zudem die Sichtweise der abmahnenden Kanzleien, dass es sich bei den abgemahnten Fällen um „Streaming aus offensichtlich illegalen Quellen“ handele. Daher liege eine illegale Vervielfältigung vor. Selbst wenn die Streaming-Daten nur in den Arbeitsspeicher übertragen werden, kann das bei geschützten Werken – wie nun etwa bei „Amanda`s Secrets“ auf RedTube – bereits als illegale Vervielfältigung gewertet werden (§ 16 UrhG). Und das legitimiert letztlich eine Abmahnung durch den Rechteinhaber.

Juristisch ist diese Argumentation allerdings umstritten. Bislang existiert noch kein Gerichtsurteil, das Klarheit in diese Grauzone bringt. Und solange sich daran nichts ändert, will die Kanzlei U+C offenbar weitere Streaming-Abmahnungen verschicken. Und diese müssen sich nicht zwangsläufig auf RedTube beziehen. Sofern „GLADII 1.1.3.“ tatsächlich die Überwachungsfunktionen bietet, die bis dato bekannt sind, scheint die Überwachung von weiteren Streaming-Diensten nichts im Wege zu stehen. Es sei denn, Gerichte setzen den Streaming-Abmahnungen ein Ende. Prognosen über die künftige Entwicklung sind allerdings schwierig, denn diese sind bei einer solch verkorksten Rechtslage nicht viel mehr Wert als ein Blick in die Glaskugel.