NSA-Enthüllungen: USA hatten nie Interesse an No‑Spy‑Abkommen

Silvio Werner
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NSA-Enthüllungen: USA hatten nie Interesse an No‑Spy‑Abkommen
Bild: PublicDomainPictures | CC0 1.0

Einem Medienbericht zufolge hat die US-Regierung entgegen den Aussagen des ehemaligen Kanzleramtschefs niemals ein No-Spy-Abkommen angeboten. Im August 2013 verkündete Ronald Pofalla die zeitnahe Aufnahme von Verhandlungen über ein entsprechendes Abkommen.

Er kündigte damals auf einer Pressekonferenz nach der Sitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums an, die Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommens sollen noch im August beginnen, „Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten“, äußerte Pofalla damals. Das Angebot wertete er auch als Zeichen der Integrität des Geheimdienstes, denn „dieses Angebot könnte uns niemals gemacht werden, wenn die Aussage der Amerikaner, sich in Deutschland an Recht und Gesetz zu halten, nicht tatsächlich zutreffen wird“, betonte der inzwischen von allen politischen Ämtern zurückgetretene CDU-Politiker.

Der Rechercheverbund NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichtet nun, dass Pofalla mit seiner Aussage die Öffentlichkeit in die Irre führte – einen Monat vor der Bundestagswahl, in der die Überwachung durch die US-Geheimdienste dann keine nennenswerte Rolle mehr spielte. Der Rechercheverbund beruft sich auf eine geheime Regierungskorrespondenz zwischen dem außenpolitischen Berater Angela Merkels, Christoph Heusgen, und der Obama-Beraterin Karen Donfried und deren Mitarbeiter. Bereits am 18. Juli strebte Heusgen bei Karen Donfried eine „offizielle Zusicherung unserer amerikanischen Freunde an, dass diese tatsächlich deutsches Recht auf deutschem Boden beachten“ und betonte die Bedeutung der Angelegenheit in „turbulenten innenpolitischen Zeiten“.

Ronald Profalla
Ronald Profalla (Bild: Martin Rulsch, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Bereits die ersten Antwort der Obama-Beraterin zeichnet ein Bild der US-Administration zu jener Zeit: „Unsere Experten fühlen sich nicht dafür gerüstet, die Einhaltung des deutschen Rechts zu beurteilen“, antwortet diese trotz Verständnis für die „schwierige Lage der Kanzlerin“. Während eine interne E-Mail des Bundeskanzleramtes bereits damals feststellte, dass die amerikanischen Geheimdienste „bei uns viele Tätigkeiten ohne das Wissen der deutschen Sicherheitsdienste“ durchführen und man sie deshalb auf die Einhaltung deutschen Rechtes verpflichten wolle, wenn „wir sie schon nicht kontrollieren können“, bietet Heusgen zur Klärung der Schlüsselfrage, nämlich der „Achtung der deutschen Gesetzte auf deutschen Boden“, auch die Unterstützung von Experten des Bundeskanzleramtes an. Die Amerikaner hingegen ließen sich nicht zu konkreten Zusagen hinreißen, obwohl die Vertreter der deutschen Seite auf allen diplomatischen Kanälen auf ein solches Abkommen drängten.

Aus Arbeitsgruppe wird ein Abkommen

Trotz aller Bemühungen bleibt es am Ende bei einem Gespräch zwischen den Leitern des Verfassungsschutzes und Bundesnachrichtendienstes und Vertretern des Bundeskanzleramtes und des Bundesinnenministerium sowie Keith Alexander, NSA-Chef, und James Clapper, Direktor der nationalen Geheimdienste der USA. Während des Treffens versucht Alexander die deutschen Vertreter mit der sich inzwischen als nachweislich falsch herausgestellten Aussage zu beruhigen, dass Deutschland kein Zielland sei. James Clapper kündigt dagegen an, dass er sich die Bildung einer „Arbeitsgruppe“ vorstellen könnte – betont aber gleichzeitig, dass ihm die Befugnisse zum Treffen einer Ad-hoc-Entscheidung im Form einer Prokura fehle. Das hielt allerdings weder Pofalla noch den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich davon ab, sich öffentlich über die guten Chancen für ein No-Spy-Abkommen zu erklären, Hans-Peter Friedrich äußerte am 16. August gegenüber der Rheinischen Post: „Wir haben die Zusage, dass ein solchen Abkommen bald geschlossen werden kann“. Zwei Tage zuvor bat Merkel-Berater Heusgen in einer vertraulichen E-Mail, „irgendwie öffentlich den Beginn solcher Gespräche/Verhandlung“ zu loben.

Amerikanische Botschaft beschwert sich

Nach den Äußerungen von Hans-Peter Friedrich wendet sich schließlich Jim Melville, stellvertretender Leiter der Botschaft der USA in Berlin, an Heusgen, dass die Äußerung „Washington noch mehr verwirren“ werde. Die Öffentlichkeit informieren jedoch weder Pofalla noch Hans-Peter Friedrich, erst im Oktober wird durch die Affäre um die Abhörung von Merkels Handy klar, dass die Amerikaner nicht vor dem Bruch deutschen Rechts zurückschrecken. Im Januar 2014 machte Obama-Beraterin Karen Donfried Heusgen anscheinend genervt klar, dass ein No-Spy-Abkommen nicht kommen wird: „dies wird kein No-Spy-Abkommen werden und ich glaube, jeder hier auf unserer Seite, hat das auch jeder fortwährend ... klar zum Ausdruck gebracht“, erklärt sie in einer dem Rechercheverbund vorliegenden E-Mail.

Heusgen erklärte gegenüber der Tagesschau den Sachverhalt aufgrund der andauernden „Verhandlungen zwischen BND und NSA für eine Kooperationsvereinbarung“ nicht zu kommentieren.