Vorratsdatenspeicherung: Große Koalition beschließt Überwachungsgesetz

Andreas Frischholz
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Vorratsdatenspeicherung: Große Koalition beschließt Überwachungsgesetz
Bild: inyucho | CC BY 2.0

Nach mehr als fünf Jahren Streit und trotz massiver Kritik: Die große Koalition hat im Bundestag die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Allerdings bewertet die Opposition das Gesetz als vorsätzlichen Verstoß gegen die Grundrechte und kündigt bereits Klagen an.

Opposition kündigt Klage an

Justizminister Heiko Maas (SPD), der federführend verantwortlich ist, verteidigt das Vorhaben. Demnach handele es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um ein zusätzliches Element für Ermittler, damit diese schwere Straftaten aufklären können. Potentiellen Klagen sieht er allerdings gelassen entgegen. Denn im Vergleich zum alten Gesetz werden weniger Daten erfasst, die Speicherfristen verkürzt und die Anzahl der Straftaten wurde reduziert, bei denen Strafverfolgungsbehörden auf die Daten zugreifen können. „Dies ist nicht mehr die alte Vorratsdatenspeicherung, die sich manche Sicherheitspolitiker gewünscht haben“, so Maas.

Obwohl sich bereits im Vorfeld der Debatte zeigte, dass Vertreter der Sicherheitsbehörden tatsächlich unzufrieden mit dem Entwurf sind, wird dieser nun von konservativen Politikern als notwendiges Ermittlungswerkzeug beschrieben. Laut dem CDU-Abgeordneten Thorsten Hoffmann wäre die Vorratsdatenspeicherung etwa nötig, um gegen organisierte Kriminalität, Terrorismus oder extremistische Straftaten von links und rechts vorzugehen. Dabei beruft er sich vor allem auf die Einschätzung von Polizisten: Diese würden unisono auf die Vorratsdaten beharren. Für die Kritik von Datenschützern zeigt man dabei nur wenig Verständnis. So erklärt die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker: „Wenn Sie sagen, dass hier dem Datenschutz nicht genügt wird, betreiben sie Täterschutz.

Doch die Opposition widerspricht diesem Punkt. Bis dato könne nicht belegt werden, dass die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich notwendig ist, erklärt etwa Halina Wawzyniak von der Linken. Demnach argumentieren Regierungsvertreter zwar oft mit Einzelfällen, doch diese würden bei genauerem Hinsehen keinen Bestand haben. In diesem Kontext erklärte auch Renate Künast von den Grünen: „Was hätten wir alles über den NSU erfahren, wenn die deutschen Behörden ordentlich gearbeitet hätten – ohne die Vorratsdatenspeicherung.

So bleibe die Vorratsdatenspeicherung eine grundrechtswidrige Datensammlung, die jeden Bürger unter Generalverdacht stellt und obendrein schlecht begründet ist. Daher kündigt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz bereits an: „Wir werden gegen dieses Gesetz klagen, da haben wir gute Chancen. Große Koalition, beim letzten Mal ist Ihnen der Beschluss zur Vorratsdatenspeicherung so durchgerutscht, dieses Mal gehen Sie vorsätzlich gegen das Grundgesetz vor, dagegen werden wir uns wehren.

Vages Gesetz mit vielen Fragezeichen

Grundsätzlich sieht das aktuelle Gesetz vor, dass Verkehrsdaten für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen gespeichert werden. Regierungsvertreter wie Justizminister Maas betonen dabei stets die rechtlichen Einschränkungen. Sicherheitsbehörden sollen etwa nur mit richterlichem Beschluss auf die Daten zugreifen können und darüber hinaus würden keine Inhalte gespeichert werden. So soll das Gesetz den Auflagen vom Europäischen Gerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht entsprechen.

Kritiker halten allerdings nicht viel von solchen Aussagen, der Gesetzentwurf sei schlicht zu vage formuliert. Beispielhaft stehen dafür die Probleme bei der Speicherung von SMS-Daten. Denn laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung würden bei diesen nicht nur die Verbindungsdaten, sondern auch die Inhalte erfasst werden. Provider könnten diese schlicht nicht trennen, weil – anders bei Internetdiensten wie WhatsApp – die Metadaten und Inhalte in demselben Container verschickt werden. Und eine Trennung ist nach Ansicht von Providern wie Telefónica technisch schlicht nicht möglich.

Weitere Kritikpunkte sind zudem der mangelhafte Schutz von Berufsgeheimnisträgern und der neue Straftatbestand der Datenhehlerei, den zahlreiche IT-Experten als Anti-Whistleblower-Paragraphen beschreiben. Hinzu kommen die bis dato kaum zu kalkulierenden Kosten für die Provider.