Apple Pay & Android Pay: Ein Überblick zur Situation der Bezahldienste in Deutschland

Nicolas La Rocco
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Apple Pay & Android Pay: Ein Überblick zur Situation der Bezahldienste in Deutschland
Bild: Google

Gemessen daran, wie pompös die Bezahldienste Apple Pay und Android Pay 2014 und 2015 angekündigt worden waren, müsste der Kaffee schon wie selbstverständlich mit dem Smartphone bezahlt werden. Dem ist aber nicht so – nur warum? ComputerBase hat bei Apple, Google und den Banken zum Marktstart in Deutschland nachgefragt.

Apple Pay ist bereits 17 Monate alt

Es ist gemessen an der Erinnerung im Kopf noch gar nicht so lange her, dass Apple seinen Bezahldienst Apple Pay angekündigt hatte. Doch tatsächlich sind bereits fast 17 Monate seit der Vorstellung Anfang September 2014 vergangen. Auf den US-amerikanischen Marktstart einen Monat später sind seitdem gerade einmal drei Länder gefolgt: das Vereinigte Königreich, Kanada und Australien – die letzten beiden Länder sogar erst im November 2015 und zudem nur mit einer einzigen unterstützten Kreditkarte: American Express. Und diese Karte muss darüber hinaus auch noch direkt von American Express stammen, darf also nicht von einer Bank ausgegeben sein.

Apple Pay
Apple Pay (Bild: Apple)

In den USA sieht die Situation deutlich besser aus, hier werden derzeit Hunderte von Banken mit ihren Kredit- und Debitkarten unterstützt, niemand scheint den Zug verpassen zu wollen. Auch die Liste der Apple Pay unterstützenden Einzelhändler ist bereits sehr lang, viele weitere sollen demnächst folgen. Mit 15 Banken und Kreditkarteninstituten ist die Verbreitung im Vereinigten Königreich zwar nicht mit der in den USA vergleichbar, eine respektable Basis ist aber bereits geschaffen worden.

Android Pay funktioniert in einem einzigen Land

Android Pay hingegen ist erst im September des vergangenen Jahres in den Markt gestartet – vier Monate nach der Ankündigung. Mit den USA kann der Dienst derzeit nur in einem einzigen Land genutzt werden. Australien soll in der ersten Jahreshälfte 2016 als zweites Land folgen. Die Liste der in den USA den Dienst unterstützenden Banken ist zwar nicht kurz, mit 33 Instituten ist die Anzahl aber noch überschaubar. Google gibt mehr als eine Million Geschäfte in den USA an, die Android Pay akzeptieren.

Android Pay
Android Pay (Bild: Google)

Schweigen zur Situation in Deutschland

Und in Deutschland? Apple Pay und Android Pay wurden hierzulande bisher noch nicht einmal in Aussicht gestellt, geschweige denn konkret mit einem Termin versehen. Über die entsprechende Hardware dürften bereits Millionen Deutsche verfügen, Smartphones mit NFC und den vorausgesetzten Betriebssystemen gibt es bereits seit Jahren.

Deutsche Banken und Sparkassen sind mit dem Bezahlen per Smartphone bisher nicht warm geworden, stattdessen wird in vielen Fällen das kontaktlose Bezahlen über eine NFC-fähige Girocard realisiert. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, bedeutet aber weiterhin, dass das Portemonnaie zusätzlich zum Smartphone mitgenommen werden muss. Innovativ und von Last befreiend ist das nicht.

Dann gibt es noch die Ambitionen der Mobilfunkanbieter. Die Deutsche Telekom, Vodafone, O2 und Base bieten mit MyWallet, Vodafone Wallet, mpass und Base Wallet eigene Lösungen an, die das Bezahlen per Smartphone ermöglichen. Diese Lösungen setzen aber Laufzeitverträge bei den Mobilfunkanbietern oder spezielles Zubehör wie NFC-Sticker voraus – irrsinnigerweise selbst für bereits NFC-fähige Smartphones. Von übergreifenden Lösungen sind solche Ansätze weit entfernt, zumal die Akzeptanz im deutschen Einzelhandel nicht sonderlich hoch ist. Teilweise unterstützen nur eine Handvoll Händler die Systeme. Andere wie Edeka oder Netto erlauben wiederum das Bezahlen über eigene Apps, eine separate Registrierung ist erforderlich.

ComputerBase hat deshalb bei Apple, Google und einigen Banken in Deutschland nachgefragt, wie es um die Einführung der Bezahldienste Apple Pay und Android Pay in Deutschland steht. Zumindest Apple schreibt auf seiner Webseite, dass das Unternehmen mit weiteren als den bisher gelisteten Banken an der Unterstützung für Apple Pay arbeite. Google wiederum spricht von einer stetig wachsenden Liste von unterstützenden Banken. In beiden Fällen beziehen sich diese Aussagen allerdings ausschließlich auf bereits für die Dienste freigeschaltete Länder.

Apple und Google verweisen auf den aktuellen Stand

Von Apple gibt es aktuell keine Aussage zu einer Markteinführung von Apple Pay in weiteren als den bereits offiziell genannten Ländern, inklusive Deutschland. Auch Google sagte auf Nachfrage, dass sich am aktuellen Stand nichts verändert habe.

Geringfügig gesprächsbereiter waren die von ComputerBase angefragten Banken. Hierzu zählen der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die Postbank und Commerzbank sowie die ING-DiBa. Einzig die Deutsche Bank hat sich seit der Anfrage vor einer Woche überhaupt nicht zur Thematik geäußert. Allerdings lässt sich auch für die antwortenden Banken vorwegnehmen, dass weder zu Apple Pay noch zu Android Pay handfeste Aussagen gemacht wurden. Die Antworten im Detail:

Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband erklärte gegenüber ComputerBase, dass er grundsätzlich gesprächsbereit sei, was die Kooperation mit den NFC-Bezahldiensten von Apple und Google betreffe. Bisher sei es allerdings zu keinen konkreten Ergebnissen gekommen. Weil beide Systeme eine Kreditkarteninfrastruktur voraussetzen würden, sei Deutschland jedoch kein Markt mit höchster Priorität, erklärt der Verband. In anderen europäischen Ländern sei die Nutzung von Kreditkarten wesentlich verbreiteter, sagte ein Sprecher des Verbandes.

Apple Pay und Android Pay funktionieren anders als vom Verband erklärt jedoch nicht ausschließlich mit Kreditkarten, sondern auch Debitkarten können genutzt werden. Zutreffend ist jedoch die Aussage zur geringen Akzeptanz von Kreditkarten in Deutschland. Auch in Studien wie dem Mobile Payments Readiness Index von MasterCard liegt Deutschland nur im hinteren Mittelfeld unter dem Durchschnitt.

Postbank

Eine Sprecherin der Postbank sagte ComputerBase, dass die Integrationsmöglichkeiten und der Mehrnutzen von Apple Pay und Android Pay für die Kunden geprüft werden, sobald ein Marktstart der Dienste in Deutschland öffentlich gemacht werden würde. Die Postbank „beobachtet stets den Markt hinsichtlich neuer Zahlungsmöglichkeiten und Trends“, sagte eine Sprecherin. Aktuell konzentriere sich die Postbank mit ihren Partnern aber auf die Etablierung des Online-Bezahlverfahrens paydirekt.

An paydirekt teilnehmende Banken
An paydirekt teilnehmende Banken (Bild: paydirekt)

ING-DiBa

Auch bei der ING-DiBa beobachte man die technischen Neuerungen im Bereich Mobile Payment kontinuierlich und prüfe den Einsatz beziehungsweise Mehrwert für die Kunden, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage von ComputerBase. Aktuell gebe es aber kein konkretes Einführungsdatum für Apple Pay oder Android Pay in Deutschland. Im Fokus stehe auch bei der ING-DiBa das Online-Bezahlsystem paydirekt.

Commerzbank

Ein Sprecher der Commerzbank sagte ComputerBase, dass bisher unklar sei, wann Apple und Google ihre Dienste in Deutschland anbieten werden. Mobiles Bezahlen habe die Commerzbank „selbstverständlich“ im Blick und prüfe im Austausch mit den Nutzern weitere sinnvolle Angebote. Auch bei der Commerzbank will man sich derzeit aber vor allem auf das neue Online-Bezahlverfahren paydirekt konzentrieren.

Paydirekt kann als eine deutsche Alternative zu PayPal verstanden werden, die teilnehmenden Banken schreiben sich „Sicherheit made in Germany“ groß auf die Fahnen. Laut Website des Dienstes unterstützen derzeit 23 Händler Zahlungen mit paydirekt. Ein Sprecher der Commerzbank nannte gegenüber ComputerBase insgesamt mehr als 220.000 Anmeldungen durch Kunden, davon mehr als 45.000 bei der Commerzbank. Die Zahl der Anmeldungen wachse derzeit jeden Tag vierstellig.

An paydirekt teilnehmende Händler
An paydirekt teilnehmende Händler (Bild: paydirekt)

Eine Anfrage bei einem Online-Händler, der paydirekt unterstützt, wie viele Kunden das System nutzen würden, führte zu keinem konkreten Ergebnis. Das Unternehmen habe sich für die Partnerschaft entschieden, da es in paydirekt langfristig eine Zahlart mit Relevanz sehe und mit der aktuellen Entwicklung zufrieden sei, so die Antwort.

Abwarten lautet das aktuelle Fazit

Die Banken wollen über das Versprechen „Sicherheit aus Deutschland“ ihr eigenes System etablieren, das als reines Online-Bezahlsystem aber ganz andere Bedürfnisse abdeckt als Apple Pay und Android Pay. Apple und Google wiederum äußern sich überhaupt nicht zu einem weiteren Ausbau ihrer Bezahlsysteme. Aufgrund des branchenweiten Mantels des Schweigens fernab von konkreten Zusagen oder Absichten lassen sich selbst nach vielen E‑Mails und Telefonaten keine konkreten Angaben zu einem möglichen Marktstart von Apple Pay und Android Pay in Deutschland machen. Dabei könnten beide Lösungen den Einkauf um eine Bezahlmethode abseits des Portemonnaies erweitern, zumal geeignete Terminals bereits im Einzelhandel präsent sind und darauf warten, per Smartphone genutzt zu werden. Mehr als Abwarten oder auf Insellösungen zu setzen bleibt Kunden in Deutschland aber vorerst nicht.

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